Interdisziplinäre Großgruppen — ein neuer Weg für Veränderungen — Methoden und Erfahrungsberichte (Dr. Stefan Michallik, Beatrice Conrad)
Workshop A3
Der zeitliche Druck zur Weiterentwicklung der Krankenhäuser steigt. Aus den USA kommen erprobte Instrumente, mit deren Hilfe in kürzester Zeit auch in großen und komplexen Organisationen des Gesundheitswesens Veränderungen geplant und unerwartete Durchbrüche erzielt werden können.

Dieser Workshop zeigt anhand von Erfahrungsberichten aus dem deutschsprachigen Raum, wie in großen Gruppen (z.B. Zukunftskonferenzen, Open Space-Veranstaltungen) von Führungskräften und Mitarbeitern der verschiedenen Berufsgruppen gemeinsam Ziele erarbeitet und Maßnahmen mit breitem Konsens gestartet werden können.

Für die Arbeit mit und in großen Gruppen sind verschiedene Vorgehensweisen entwickelt worden. Wir werden besonders auf folgende Ansätze eingehen:

  • Zukunftskonferenz
  • Real Time Strategic Change (RTSC)
  • Open Space

 

Welcher dieser Ansätze im Einzelfall zur Anwendung kommt, hängt von dem jeweiligen Zweck ab. Die Ansätze unterscheiden sich durch ihre Teilnehmerzahl und Dauer. Sie haben auch einen ganz eigenen Charakter:

 

Zukunftskonferenz

Zweck: Entwicklung gemeinsamer Zukunftsbilder, Schwerpunktziele und Maßnahmen für eine Organisation oder Teile davon oder zentrale Themen darin. Geeignet auch für Menschen und Gruppen mit divergierenden Interessen und konflikthaften Beziehungen.

Teilnehmerzahl: 30 — 72

Dauer: 16 Stunden auf 3 Tage verteilt

Charakter: Mitarbeiter aus allen Funktionsbereichen und Hierarchieebenen einer Organisation lernen und planen zusammen in einem Raum, meist an gemischten 8er-Tischen. Neben diesen internen sind oft externe Teilnehmer, z.B. Einweiser, Patienten-Vertreter, Lieferanten dabei. Das nennt man "das ganze, offene System". In 6 Arbeitsschritten werden die Vergangenheit und die externe und interne Realität untersucht, dann Zukunftsbilder entworfen und kreativ inszeniert, gemeinsame Ziele gefunden und schließlich Maßnahmen geplant. Aufgrund des sehr durchdachten und erprobten Konzepts sind der Wunsch und die Bereitschaft der Teilnehmer, nachher tatsächlich zur Tat zu schreiten und umzusetzen, hoch.

 

 

Real Time Strategic Change

Zweck: Das gesamte Unternehmen für gemeinsame Ziele, Werte, Spielregeln, strategische Veränderungen und/oder Projekte aktivieren und gewinnen.

Teilnehmerzahl: 50 — 1000 +

Dauer: 2 - 3 Tage

Charakter: "Fraktale" (gemischte 8er-Tische) des Unternehmens lernen in einem Raum voneinander und arbeiten an der gemeinsam und zeitgleich entwickelten strategischen Veränderung. Die heutige Realität wird in den ersten Arbeitsschritten umfassend untersucht und damit die Dringlichkeit des Wandels bewußt gemacht. Zum Teil bringen externe Teilnehmer wichtige Impulse ein. In den nächsten Phasen der Konferenz entsteht durch einen Dialog über die Ziele, Werte oder Veränderungen, die die Führungsspitze wünscht, und durch die gemeinsame Überarbeitung derselben die erforderliche Identifikation mit dem Wandel. In den letzten Schritten werden Maßnahmen auf Unternehmens-, Abteilungs- und/oder individueller Ebene geplant.

Ablauf und Inhalte der RTSC-Konferenz werden im Rahmen genereller Prinzipien auf den jeweiligen Fall zugeschnitten. Sie werden von einem Team geplant, das einen Querschnitt der Teilnehmer darstellt.

 

Open Space Technology

Zweck: Finden von Lösungen für ein komplexes Thema, für das weder ein einzelner Mitarbeiter noch eine einzelne Führungskraft die ganze Antwort hat. Aktivierung vieler Mitarbeiter für ein strategisches Thema und damit eine gemeinsame Planung der Zukunft.

Teilnehmerzahl: 10 — 750

Dauer: 1 — 2,5 Tage

Charakter: Zu Beginn sitzen die Teilnehmer in einem runden Stuhlkreis. Es gibt gemeinsame Themen, aber keine Agenda. Diese entsteht in den ersten 90 Minuten fast völlig selbstorganisiert. "Energieträger" treten in den Kreis und machen inhaltliche Angebote. Auf dem "Marktplatz" werden Arbeitsgruppen gebildet und die Zeitstruktur vereinbart. Zahlreiche "Themengruppen" arbeiten selbstorganisiert in 1,5- bis 2-stündigen Mini-Workshops, manchmal zu dritt, manchmal zu zwanzig Personen. Die unmittelbar stattfindende Ergebnisdokumentation ermöglicht eine abschließende plenare Einschätzung, Priorisierung und Ergänzung am letzten halben Tag. Die durch die freie "Werbung" entstandenen Themenschwerpunkte bilden die Teilnehmerinteressen optimal ab.

Ein sehr offenes Modell, das viel Energie freisetzt und viel Lernen ermöglicht. Es funktioniert nur, wenn alle Teilnehmer freiwillig kommen.

 

Während des Workshops werden wir Ihnen durch Kurzvorträge die einzelnen Modelle anhand von Praxisbeispielen vorstellen und mit Ihnen auf der Basis Ihrer Erfahrungen diskutieren. Einer der Schwerpunkte wird auf der konkreten Anwendung liegen. Vor allem bei der Frage, wie eine Großgruppenveranstaltung vor- bzw. nachbereitet werden kann.

 

Die Referenten

Dr. Stefan Michallik, Dr. Michallik Unternehmensberatung GmbH, Wiesbaden

43 Jahre, Studium des Diplom-Wirtschafts-Ingenieurs an der TU Darmstadt, Forschungstätigkeit am Institut für Management der FU Berlin. OE-Ausbildung am Tavistock-Institut, London. Nach freiberuflicher Beratungstätigkeit im Industrie- und Dienstleistungsbereich mehrjährige Tätigkeit als verantwortlicher Mitarbeiter einer Stabsstelle für Organisationsentwicklung in einem Krankenhaus der Maximalversorgung. Seitdem Durchführung zahlreicher Beratungsprojekte in Akut- und Rehakliniken zur strategischen Neuausrichtung und Aufbau von Qualitätsmanagement. Daneben aktiv mit Vorträgen, Führungskräfte-Coaching und als Dozent für die LÄK Hessen sowie am Fachbereich Gesundheit und Pflege der FH Frankfurt.

 

Béatrice Conrad, Organisationsberaterin im Gesundheitswesen, Zürich

45 Jahre, Ausbildung in Organisationsentwicklung bei Prof. Dr. Glasl, Salzburg, und Christine von Passavant, Aarau. Diplomierte Krankenschwester und Führungskraft mit mehrjähriger Praxiserfahrung im Krankenhaus. Fortbildungen u.a. in Qualitätsmanagement, Konfliktarbeit, Tavistock-Ansatz, Coaching und TA.

9 Jahre Erfahrung als interne und freiberufliche Beraterin für Organisationsentwicklung. Lehrbeauftragte an der FH Solothurn/CH und verschiedenen deutschen und schweizer Akademien.

Übersichtsseite der Berichte zum 4. UQM-Kongress