Die Frage, ob ein
Projekt erfolgreich war, ist bei näherer Betrachtung oft schwieriger zu beantworten, als
zunächst vermutet. Erfolg und insbesondere die öffentliche Meinung dazu ist nicht nur
eine Frage einer objektiven Einschätzung.Projekte allgemein, das gilt auch in der
Qualitätsarbeit, sollen einen kontrollierten Weg von einem derzeitigen Ist-Zustand zu
einem gewünschten Ziel eröffnen. Ohne Bestimmung von Ausgangspunkt (A) und Ziel (B) ist
also eine Projektarbeit grundsätzlich nicht möglich. Zur Prävention von vermeidbaren
Mißerfolgen ist zunächst zu fragen, ob für die Überwindung des Weges von A nach B das
erforderliche Know-how vorhanden ist und ob das Ziel B überhaupt erreichbar ist. Auch
wenn es prinzipiell erreichbar ist, kann es so hoch gesteckt sein, daß es sehr
unwahrscheinlich ist, daß es auch tatsächlich erreicht werden kann.
Wenn innerhalb der Projektarbeit dann der einzuschlagende Weg erarbeitet worden ist,
sollte noch einmal gefragt werden, ob er auch tatsächlich von A nach B führen wird. Es
wäre nicht das erste Mal, daß ein Projekt deswegen dadurch zum Scheitern verurteilt ist,
daß zwischenzeitlich Ausgangspunkt oder Ziel teilweise außer Acht gelassen wurden.
Unter Beachtung dieser Voraussetzung sollte man meinen, daß damit die Erreichung des
Zieles gewährleistet sei und damit der Erfolg gewiß. Die Erfahrung lehrt aber, daß es
häufig vorkommt, daß ein Projekt trotz objektiver Erreichung der gesteckten Ziele von
den Beteiligten als Mißerfolg angesehen wird oder aber ein Projekt trotz objektives
Nichterreichen der Ziele trotzdem als erfolgreich gilt.
Die Frage des Erfolges hängt offensichtlich nicht nur von objektiven Faktoren ab.
Es lohnt sich daher, die übrigen Faktoren zu analysieren:
Zunächst muß man festhalten, daß die Frage des objektiven Erfolgs keine
Ja-Nein-Entscheidung ist. Es gibt in der Regel eine ganze Reihe von Zwischenstufen. Bei
bestimmten Vorhaben ist die Erreichung der gesteckten Ziele sogar vollkommen
unwahrscheinlich, trotzdem können sie erfolgreich sein - z. B. ist der Null-Fehler-Ansatz
im Qualitätsmanagement ein ehrenwertes Ziel, aber prinzipiell unerreichbar. Wenn aber
durch den Versuch, die Zahl der Fehler auf Null zu reduzieren, auch nur eine Halbierung
der tatsächlichen Zahl der Fehler erreicht werden kann, muß man die Bemühungen dennoch
als erfolgreich ansehen.
Hier kommt die zweite Komponente des Erfolgs ins Spiel, nämlich die subjektive
Einschätzung der Beteiligten. Die Nichtbeachtung dieser Komponente ist schon vielen
Projekten zum Verhängnis geworden. Wenn die subjektive Einschätzung der Beteiligten und
der objektive Grad der Erreichung des Zieles nicht decken, kann es zu zwei Abweichungen
kommen:
Die subjektive Einschätzung ist "besser" oder "schlechter" als die
objektive. Es stellt sich die Frage, warum die subjektive Meinung sich nicht mit der
objektiven Situation deckt:
Angenehm für den Projektverantwortlichen ist zunächst die Variante, bei der die
positive Meinung die Tatsachen überflügelt. Daher könnte man geneigt sein,
grundsätzlich mehr Energie in die Schaffung eines günstigen Meinungsklimas zu stecken,
als in das Projekt selbst. Doch auf die Dauer lassen sich Ergebnisse nicht schönreden,
deswegen ist dieses Vorgehen nur im Einzelfall sinnvoll.
Schwieriger wird es, wenn trotz Erreichens der Ziele in der öffentlichen Meinung ein
Mißerfolg konstatiert wird. Was ist da schiefgelaufen? Häufig wurde übersehen, wichtige
Instanzen einzubeziehen, sodaß eine prinzipielle Gegnerschaft nicht überwunden wurde und
Neid sowie Mißgunst aufkommen.
Eine weitverbreitete Ansicht ist auch, daß Erfolge des einen immer zu Lasten des
anderen gehen müssen. Da stellt sich sofort die Befürchtung ein, der Verlierer einer
Veränderung zu sein. In Wirklichkeit sind aber die meisten Transaktionen, die im
täglichen Leben getätigt werden, im Interesse beider Seiten. Dies den Beteiligten
rechtzeitig zu verdeutlichen sollte im Vorfeld der Projektarbeit nicht versäumt werden.
Wie könnte also eine Projektarbeit im Qualitätsmanagement aussehen, die die genannten
Schwierigkeiten vermeidet?
Zunächst muß dringend angeraten werden, sämtliche Parteien einzubeziehen, deren
Standpunkte eventuell tangiert werden, selbst wenn auf den ersten Blick die Notwendigkeit
dazu nicht zwingend erscheint. Es gibt so gut wie kein Problem, das nur eine in einer
Einrichtung des Gesundheitswesens tätige Gruppe betrifft. Aus diesem Grund ist z. B. von
Qualitätszirkeln nur für Ärzte oder Pflegekräfte abzuraten. Die Beteiligung der
Personalvertretung sollte nicht vergessen werden, wenn es auch nur möglich erscheint, das
mitbestimmungspflichtige Sachverhalte behandelt werden müssen.
Ein bewährtes Vorgehen ist, daß sich zunächst alle Beteiligten in einer Gruppe
zusammensetzen. Gruppen sollten nicht mehr als etwa fünf bis sieben Teilnehmer aufweisen.
Mit der Moderation sollte bewußt nicht der ranghöchste Teilnehmer beauftragt werden,
sondern jemand, der in der Sache eher einen neutralen Standpunkt einnehmen kann. In der
ersten Phase sollten im Sinne eines "brain-storming" alle für die Lösung eines
Problems zu beachtenden Voraussetzungen und möglichen Wege zusammengetragen werden. Für
diese Phase gilt, daß zunächst alle Beiträge gesammelt werden, die direkte Diskussion
oder Kommentierung der Aussagen aber strikt vermieden werden soll. Es muß Gelegenheit
bestehen, auch schmerzhafte Sachverhalte oder unkonventionelle Lösungsansätze
anzusprechen. Aufgabe des Moderators ist, die Einhaltung dieser Spielregeln zu
gewährleisten und darauf zu achten, daß sich die Gruppe auf das gestellte Thema
beschränkt. Sollte bei der Gruppenarbeit erkennbar werden, daß weitere nicht eng
verwandte Themen behandelt werden müssen, sollte das entweder durch eine andere Gruppe
oder in einer späteren Runde aufgeriffen werden. Ein Gruppenmitglied protokolliert die
Beiträge.
Nach Abschluß dieser Phase werden nun die Beiträge strukturiert und bewertet. Hier
sollte auf weitgehenden Konsens geachtet werden, denn die Gruppenmitglieder werden später
als Multiplikatoren für die Verbreitung der getroffenen Entscheidungen und als positive
Meinungsbildner gebraucht. Eine Abstimmung mit knapper Mehrheit wird daher kaum zu einer
akzeptierten Lösung führen. Diese Phase kann durchaus auf mehrere Termine verteilt
werden, um den Mitgliedern Zeit zum Überdenken ihres Standpunktes und zur Abstimmung mit
anderen Vertretern ihrer Berufsgruppe zu ermöglichen. Im Regelfall sollte nach drei bis
vier Sitzungen ein Konsens erreicht werden können. Ist dies nicht der Fall, hat es keinen
Sinn, über längere Zeit regelmäßige Treffen anzuberaumen. Hier kann entweder später
ein weiterer Anlauf genommen werden oder eine Entscheidung der Leitung herbeigeführt
werden. Letzteres ist aber mit den zuvor geschilderten Problemen behaftet.
Zuletzt einigt man sich auf einen Lösungsvorschlag, der dann aus formalen Gründen von
der dafür zuständigen Stelle beschlossen wird. Sinnvoll ist es häufig, diesen
Lösungsweg für eine konkrete Zeit auf die Probe zu stellen, anschließend kann ggf.
über Korrekturen nachgedacht werden. Diese zeitliche Befristung macht es denjenigen
leichter, einem Lösungsweg zuzustimmen, deren Bedenken im Konsensprozess nicht völlig
ausgeräumt werden konnten.
Diese Spielregeln für die Projektarbeit können dazu beitragen, daß die öffentliche
Meinung nicht hinter dem objektiven Erfolg hinterherhinkt und daß auch für den Fall
eines objektiven Mißerfolgs eine positive Stimmung erhalten bleibt. In dieser Situation
ist es wichtig, daß eine Fehlerkultur aufgebaut wird, also das Bewußtsein aller
Beteiligten, daß ein Fehlschlag nicht das Ende aller Bemühungen ist, sondern der Anfang
für weitere Verbesserungen. Diese Einstellung ist für die Beurteilung von Erfolg und
Mißerfolg in der Qualitätsarbeit wichtiger, als der Grad, in dem gesetzte Ziele erreicht
werden.