Rückschläge in der Qualitätsarbeit: Von der drohenden Niederlage zum Erfolg (Dr. Markus Ziegler)
Workshop C7
Die Frage, ob ein Projekt erfolgreich war, ist bei näherer Betrachtung oft schwieriger zu beantworten, als zunächst vermutet. Erfolg und insbesondere die öffentliche Meinung dazu ist nicht nur eine Frage einer objektiven Einschätzung.

Projekte allgemein, das gilt auch in der Qualitätsarbeit, sollen einen kontrollierten Weg von einem derzeitigen Ist-Zustand zu einem gewünschten Ziel eröffnen. Ohne Bestimmung von Ausgangspunkt (A) und Ziel (B) ist also eine Projektarbeit grundsätzlich nicht möglich. Zur Prävention von vermeidbaren Mißerfolgen ist zunächst zu fragen, ob für die Überwindung des Weges von A nach B das erforderliche Know-how vorhanden ist und ob das Ziel B überhaupt erreichbar ist. Auch wenn es prinzipiell erreichbar ist, kann es so hoch gesteckt sein, daß es sehr unwahrscheinlich ist, daß es auch tatsächlich erreicht werden kann.

Wenn innerhalb der Projektarbeit dann der einzuschlagende Weg erarbeitet worden ist, sollte noch einmal gefragt werden, ob er auch tatsächlich von A nach B führen wird. Es wäre nicht das erste Mal, daß ein Projekt deswegen dadurch zum Scheitern verurteilt ist, daß zwischenzeitlich Ausgangspunkt oder Ziel teilweise außer Acht gelassen wurden.

Unter Beachtung dieser Voraussetzung sollte man meinen, daß damit die Erreichung des Zieles gewährleistet sei und damit der Erfolg gewiß. Die Erfahrung lehrt aber, daß es häufig vorkommt, daß ein Projekt trotz objektiver Erreichung der gesteckten Ziele von den Beteiligten als Mißerfolg angesehen wird oder aber ein Projekt trotz objektives Nichterreichen der Ziele trotzdem als erfolgreich gilt.

Die Frage des Erfolges hängt offensichtlich nicht nur von objektiven Faktoren ab.

Es lohnt sich daher, die übrigen Faktoren zu analysieren:

Zunächst muß man festhalten, daß die Frage des objektiven Erfolgs keine Ja-Nein-Entscheidung ist. Es gibt in der Regel eine ganze Reihe von Zwischenstufen. Bei bestimmten Vorhaben ist die Erreichung der gesteckten Ziele sogar vollkommen unwahrscheinlich, trotzdem können sie erfolgreich sein - z. B. ist der Null-Fehler-Ansatz im Qualitätsmanagement ein ehrenwertes Ziel, aber prinzipiell unerreichbar. Wenn aber durch den Versuch, die Zahl der Fehler auf Null zu reduzieren, auch nur eine Halbierung der tatsächlichen Zahl der Fehler erreicht werden kann, muß man die Bemühungen dennoch als erfolgreich ansehen.

Hier kommt die zweite Komponente des Erfolgs ins Spiel, nämlich die subjektive Einschätzung der Beteiligten. Die Nichtbeachtung dieser Komponente ist schon vielen Projekten zum Verhängnis geworden. Wenn die subjektive Einschätzung der Beteiligten und der objektive Grad der Erreichung des Zieles nicht decken, kann es zu zwei Abweichungen kommen:

Die subjektive Einschätzung ist "besser" oder "schlechter" als die objektive. Es stellt sich die Frage, warum die subjektive Meinung sich nicht mit der objektiven Situation deckt:

Angenehm für den Projektverantwortlichen ist zunächst die Variante, bei der die positive Meinung die Tatsachen überflügelt. Daher könnte man geneigt sein, grundsätzlich mehr Energie in die Schaffung eines günstigen Meinungsklimas zu stecken, als in das Projekt selbst. Doch auf die Dauer lassen sich Ergebnisse nicht schönreden, deswegen ist dieses Vorgehen nur im Einzelfall sinnvoll.

Schwieriger wird es, wenn trotz Erreichens der Ziele in der öffentlichen Meinung ein Mißerfolg konstatiert wird. Was ist da schiefgelaufen? Häufig wurde übersehen, wichtige Instanzen einzubeziehen, sodaß eine prinzipielle Gegnerschaft nicht überwunden wurde und Neid sowie Mißgunst aufkommen.

Eine weitverbreitete Ansicht ist auch, daß Erfolge des einen immer zu Lasten des anderen gehen müssen. Da stellt sich sofort die Befürchtung ein, der Verlierer einer Veränderung zu sein. In Wirklichkeit sind aber die meisten Transaktionen, die im täglichen Leben getätigt werden, im Interesse beider Seiten. Dies den Beteiligten rechtzeitig zu verdeutlichen sollte im Vorfeld der Projektarbeit nicht versäumt werden.

Wie könnte also eine Projektarbeit im Qualitätsmanagement aussehen, die die genannten Schwierigkeiten vermeidet?

Zunächst muß dringend angeraten werden, sämtliche Parteien einzubeziehen, deren Standpunkte eventuell tangiert werden, selbst wenn auf den ersten Blick die Notwendigkeit dazu nicht zwingend erscheint. Es gibt so gut wie kein Problem, das nur eine in einer Einrichtung des Gesundheitswesens tätige Gruppe betrifft. Aus diesem Grund ist z. B. von Qualitätszirkeln nur für Ärzte oder Pflegekräfte abzuraten. Die Beteiligung der Personalvertretung sollte nicht vergessen werden, wenn es auch nur möglich erscheint, das mitbestimmungspflichtige Sachverhalte behandelt werden müssen.

Ein bewährtes Vorgehen ist, daß sich zunächst alle Beteiligten in einer Gruppe zusammensetzen. Gruppen sollten nicht mehr als etwa fünf bis sieben Teilnehmer aufweisen. Mit der Moderation sollte bewußt nicht der ranghöchste Teilnehmer beauftragt werden, sondern jemand, der in der Sache eher einen neutralen Standpunkt einnehmen kann. In der ersten Phase sollten im Sinne eines "brain-storming" alle für die Lösung eines Problems zu beachtenden Voraussetzungen und möglichen Wege zusammengetragen werden. Für diese Phase gilt, daß zunächst alle Beiträge gesammelt werden, die direkte Diskussion oder Kommentierung der Aussagen aber strikt vermieden werden soll. Es muß Gelegenheit bestehen, auch schmerzhafte Sachverhalte oder unkonventionelle Lösungsansätze anzusprechen. Aufgabe des Moderators ist, die Einhaltung dieser Spielregeln zu gewährleisten und darauf zu achten, daß sich die Gruppe auf das gestellte Thema beschränkt. Sollte bei der Gruppenarbeit erkennbar werden, daß weitere nicht eng verwandte Themen behandelt werden müssen, sollte das entweder durch eine andere Gruppe oder in einer späteren Runde aufgeriffen werden. Ein Gruppenmitglied protokolliert die Beiträge.

Nach Abschluß dieser Phase werden nun die Beiträge strukturiert und bewertet. Hier sollte auf weitgehenden Konsens geachtet werden, denn die Gruppenmitglieder werden später als Multiplikatoren für die Verbreitung der getroffenen Entscheidungen und als positive Meinungsbildner gebraucht. Eine Abstimmung mit knapper Mehrheit wird daher kaum zu einer akzeptierten Lösung führen. Diese Phase kann durchaus auf mehrere Termine verteilt werden, um den Mitgliedern Zeit zum Überdenken ihres Standpunktes und zur Abstimmung mit anderen Vertretern ihrer Berufsgruppe zu ermöglichen. Im Regelfall sollte nach drei bis vier Sitzungen ein Konsens erreicht werden können. Ist dies nicht der Fall, hat es keinen Sinn, über längere Zeit regelmäßige Treffen anzuberaumen. Hier kann entweder später ein weiterer Anlauf genommen werden oder eine Entscheidung der Leitung herbeigeführt werden. Letzteres ist aber mit den zuvor geschilderten Problemen behaftet.

Zuletzt einigt man sich auf einen Lösungsvorschlag, der dann aus formalen Gründen von der dafür zuständigen Stelle beschlossen wird. Sinnvoll ist es häufig, diesen Lösungsweg für eine konkrete Zeit auf die Probe zu stellen, anschließend kann ggf. über Korrekturen nachgedacht werden. Diese zeitliche Befristung macht es denjenigen leichter, einem Lösungsweg zuzustimmen, deren Bedenken im Konsensprozess nicht völlig ausgeräumt werden konnten.

Diese Spielregeln für die Projektarbeit können dazu beitragen, daß die öffentliche Meinung nicht hinter dem objektiven Erfolg hinterherhinkt und daß auch für den Fall eines objektiven Mißerfolgs eine positive Stimmung erhalten bleibt. In dieser Situation ist es wichtig, daß eine Fehlerkultur aufgebaut wird, also das Bewußtsein aller Beteiligten, daß ein Fehlschlag nicht das Ende aller Bemühungen ist, sondern der Anfang für weitere Verbesserungen. Diese Einstellung ist für die Beurteilung von Erfolg und Mißerfolg in der Qualitätsarbeit wichtiger, als der Grad, in dem gesetzte Ziele erreicht werden.

Rückschläge in der Qualitätsarbeit sind unvermeidlich - ob sie als Niederlage angesehen werden, hängt davon ab, ob die Beteiligten positiv oder negativ gestimmt sind. Das ist der Grund, warum ohne den Aufbau einer positiven Einstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ihrem Arbeitsumfeld eine erfolgreiche Unternehmensführung nicht möglich ist.

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