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Aktivitäts-
und Aufmerksamkeitstörungen (ADS, ADHS, HKS) |
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Kurzinfo:
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Aktivitäts-
und Aufmerksamkeitstörungen |
Ursachen |
Stoffwechselstörung,
die die Reizübermittlung im Frontalhirnbereich beeinträchtigt. |
Symptome |
Aufmerksamkeitsschwäche,
Impulsivität, oft auch Hyperaktivität, Hypersensibilität und seelische Unreife bei
altersgemäßer intellektueller und körperlicher Entwicklung. |
Therapie |
Psychotherapie
sowie konsequente Zusammenarbeit des Umfeldes (Eltern, Lehrer, Erzieher usw.)
Medikamentöser Behandlung durch Methylphenidat, evtl. Pemolin oder D-L-Amphetamin).
Medikamente machen oft erst die übrigen therapeutischen Maßnahmen wirksam. Genutzt
werden oft auch Musiktherapie, Ergotherapie sowie Bewegungstherapie. |
Krankheitsbilder |
Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom
(ADS), Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, Hyperkinetisches Syndrom,
sonstige Hyperkinetische Störungen |
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Inhaltsübersicht:
Geschichtliche Erklärungsansätze
Ursachen
Symptome
Diagnose
Therapie
Selbsthilfe/Bücher |
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Top
Geschichtliche Erklärungsansätze
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Den
"Zappelphilipp" ist keine Folge der gegenwärtigen gesellschaftlichen
Verhältnisse. |
"Zappelphilipp",
Hans-Guck-in die Luft", der "wilde Friederich" - ein Blick in die Literatur
macht es deutlich: Das unruhige, unaufmerksame Kind ist keine Erscheinung unserer Zeit. In einer Arbeit von 1875 wurden bereits die Symptome
hyperkinetischer Kinder beschrieben (Hermann Laehr, Psychiater: "Über den Einfluss
der Schule auf Verhinderung von Geistesstörungen"). Aus dieser Zeit stammt auch eine
Arbeit des Psychiaters Arnold Eck: "Über einige bedeutsame Psychoneurosen des
Kindesalters". Bereits hier wird die ungünstige Prognose bei fehlender Therapie
beschrieben. Worin die Behandlung jedoch bestehen soll, verschweigt Eck. Die Ursachen
konnten beide Psychiater nicht ergründen.
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Die
Hypothesen Hirnschädigung, Allergie gegen Nahrungsmittel, oder elterliches Fehlverhalten
als Ursache haben sich als falsch erwiesen. |
In
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermutete man eine generelle Hirnschädigung als
Ursache. Diese Annahme wurde in den 50er und 60er Jahren verworfen zugunsten der Annahme
einer minimalen cerebralen Dysfunktion. Es folgten in den 80er und 90er Jahren mehrere
Theorien. Eine solche Theorie hielt Nahrungsmittelallergien für die Ursache, eine weitere
den verminderten Bewegungs- und Wohnraum der Kinder. Außerdem wurden Fehlverhalten der
Eltern oder auch der Einfluss von störenden Ereignissen wie Trennung der Eltern und
ähnliches als Ursachen vermutet. Die auf diesen Annahmen begründeten Therapieansätze
bewirkten jedoch keinen wesentlichen Durchbruch. Teilweise erbrachten auch
wissenschaftliche Überprüfungen der Hypothesen widersprüchliche Ergebnisse (Feingold
u.a.1975, Egger u.a. 1985 usw.). Trotzdem trifft man noch häufig auf diese Meinungen. |
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Top
Ursachen
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Weder
das Kind, noch die Eltern sind Schuld an der Erkrankung. |
Eine
klare Ursache des ADHS konnte bislang trotz zahlreicher überprüfter Hypothesen nicht
eindeutig ermittelt werden. Sicher ist, dass elterliches Fehlverhalten kein ADHS
verursachen kann. Diese Tatsache ist sehr wichtig, weil sie den Betroffenen eine große
Last von den Schultern nimmt. Das Stigma "Wir sind schlechte Eltern" ist nicht
gerechtfertigt. |
Vergiftungen sind selten beteiligt. |
Nur
in Einzelfällen kann wird davon ausgegangen, dass Bleivergiftungen, Alkoholvergiftungen
während der Schwangerschaft und Nahrungsmittelallergien die Entstehung der Erkrankung
fördern können. |
Genetische Dispositionen sind wahrscheinlich. |
Wissenschaftlich
konnte nachgewiesen werden, dass das Krankheitsbild genetische, neurochemische,
neurophysiologische und neuroanatomische Besonderheiten aufweist. Die genetischen Anteile
spiegeln sich in der Verteilung der Betroffenen auf Jungen und Mädchen. Jungen machen den
größten Anteil der Betroffenen aus. Sie sind ungefähr 3 bis 8mal häufiger betroffen,
als Mädchen. Insgesamt tritt das Krankheitsbild bei etwa 3 bis 4 Prozent aller Kinder
auf, Jugendliche sind etwa zu 2 Prozent betroffen. |
Ursächlich
scheint eine Störung im Gleichgewicht der Neurotransmitter zu sein. |
Biologisch
handelt es sich - nach heutiger Ansicht der meisten Forscher - um eine Art
Stoffwechselstörung. Die für die Reizweiterleitung benötigten verschiedenen
Neurotransmitter (Dopamin, Serotonin, Noradrenalin) werden vermutlich nicht in
ausgewogener Menge vom Körper produziert. Diese Neurotransmitter sind erforderlich für
die Regulierung der Stimmungslage sowie der Lern- und Gedächtnisfunktionen. Bei fehlendem
Gleichgewicht der produzierten Neurotransmitter wird die Reizweiterleitung und damit
auch die Regulierung der genannten Funktionen gestört. |
Die
Wirkung von Medikamenten unterstützt die Erkenntnisse. |
Diese
Meinung stützt sich auf Erkenntnisse und Studien, die durch die Medikamentenwirkungen
erst möglich wurden (z.B. Wirth und Trott 1993, Braun u.a. 1994). Hierzu wurde u.a. mit
Stimulantien die Produktion der verschiedenen Neurotransmitter angeregt. Sedierenden
(beruhigende) Medikamenten verstärken die Störung. Als wirksame Therapiemaßnahme
wurde die Blockade eines Enzyms (Monoaminooxidase) belegt. Dieses Enzym bewirkt den Abbau
der entscheidenden Neurotransmitter Dopamin, Serotonin und Noradrenalin. Durch die
Blockade wird der Abbau gehemmt und es stehen wieder mehr Neurotransmitter zur Verfügung. |
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Top
Symptome
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Jedes
Kind hat sein eigenes Profil. |
Je
nach genauer Art der Störung können eine Vielzahl von Symptomen auftreten. Jedes Kind
hat sein eigenes Profil. Daher können sich die Symptome der Kinder stark unterscheiden.
Ein Kind mit ADS kann durchaus sehr ruhig sein, während ein Kind mit einer ausgeprägten
hyperkinetischen Störung häufig unerträglich unruhig ist. Eines ist allen Betroffenen
und ihrem Umfeld gemeinsam. Sie leiden unter der Situation, die bis zur Isolation von
sozialen Kontakten führen kann. |
Beispiele
für die möglichen Symptome: |
- Gefühlsreationen sind heftig und unerwartet
- leichte Erregbarkeit
- leicht ablenkbar
- sprunghaftig
- ungeschickt bis tölpelhaft
- Regeln werden nicht beachtet
- Vergesslichkeit
- Lernschwierigkeiten
- redet überall dazwischen, kann nicht warten
- handelt impulsiv ohne Nachdenken
- Bewegungen wirken eckig
- redet viel und antwortet auf Fragen, bevor diese beendet
sind
- macht viel Lärm, auch beim Sprechen
- erledigt Aufgaben nicht vollständig oder nicht richtig
- trotz überdurchschnittlicher Intelligenz (häufig!)
schlechte Schulleistungen
- übersteigerter Gerechtigkeitssinn
- niedrige Frustrationsschwelle
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Top
Diagnose
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Anamnese,
körperliche |
Grundlage
einer jeden Diagnose ist eine gründliche Aufnahme der Krankengeschichte. Die
Anamnese sollte den Beginn, die Situationsabhängigkeit der Symptome und die
Dauerhaftigkeit der Symptome feststellen. |
Conners-Skala:
Fragebogen zur Symptomerfassung. |
Ein
hilfreiches Instrument zur Diagnosestellung sind dabei standardisierte Symptomskalen, wie
die Conners-Skala. Diese Fragebögen werden von Eltern, Lehrer
und Erziehern unabhängig ausgefüllt und geben so ein unbeeinflusstes Bild der
Symptomatik wieder. Eine Punktewert von 15 und höher in der Conners-Skala unterstützt
die Diagnose. Die Conners-Skala finden Sie hier. |
Körperliche, psychiatrisch- neurologische und psychologische
Untersuchung. |
Unerläßlich
eine eine körperliche, eine psychiatrisch-neurologische und eine psychologische
Untersuchung. Dabei müssen verschiedene andere Krankheitsbilder ausgeschlossen werden,
die ebenfalls Ursache der Symptome sein könnten, z.B. Hör- oder Sehstörungen. Im Rahmen
der Diagnose werden üblicherweise auch neuropsychologische Untersuchungen zur
Lernfähigkeit und intellektuellen Leistungsfähigkeit sowie zu Teilleistungsstörungen
durchgeführt. Außerdem ist eine sehr gründliche Diagnose durch einen ADS-Spezialisten
(meist speziell ausgebildete Kinderpsychotherapeuten) erforderlich. |
ICD-10
als Grundlage. |
Grundlage
für diese Diagnose ist in Deutschland die ICD-10 (International Classification of
Diseases). Die ICD-10 ist ein von der WHO 1990 herausgegebenes Schema, das auch die Basis
für die Abrechung der Krankenversicherungen in Deutschland bildet. Anhand von Checklisten
werden verschiedene Krankheitsbilder unterschieden. Eine Beschreibung des ICD-10 finden Sie hier. |
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Top
Therapie
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Ohne
fachgerechte Therapie kann das Problem ein Leben lang anhalten. |
Ohne
Therapie geht es nicht. Die Erkrankung ist in keinem Fall harmlos und sie verschwindet
auch nicht einfach so. Das zeigen Untersuchungen über die Entwicklung von Patienten mit
und ohne Behandlung. Risiken, die bis in das Erwachsenenalter reichen und erhebliche
Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben sind u.a.:
- chronische Konflikte
- schulische Probleme
- erhöhte Gefahr zur Kriminalität, besonders
Kleinkriminalität
- erhöhte Suchtgefährdung
- Verursachung von Verkehrsunfällen
Die Annahme, dass Hyperaktivität sich in der Pubertät
"schon gibt", ist zwar bezüglich der motorischen Unruhe oft richtig. Das
bedeutet jedoch nicht das Ende der Störung. Depressionen, leichte Beeinflussbarkeit,
risikoreiches Verhalten und eine gestörte Selbstorganisation sind nur Beispiele für
Symptome, die auch im Erwachsenenalter noch erkennbar sein können.
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Zusammen
wirken die 4 Grundpfeiler der Therapie erfolgreich. |
Die
Behandlung besteht bei einer hyperkinetischen Störungen immer aus mehreren Faktoren.
Grundpfeiler sind:
- Beratung des Kindes
- Beratung und Unterstützung der Bezugspersonen in der
Familie und außerhalb
- Psychotherapie und spezielle Pädagogik
- Pharmakotherapie
Diese vier Säulen sollten möglichst konsequent
zusammenwirken. Welche Maßnahmen im Einzelfall eingesetzt werden, kann nur in Absprache
mit dem Therapeuten und/oder Kinderarzt entschieden werden. In jedem Fall ist es wichtig,
dem Kind und auch seinen Eltern klarzumachen, dass keiner "schuld" an dem
Problem ist.
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Medikamentöse
Behandlung ermöglicht oft erst die Therapie. |
Es
gibt bis heute leider kein Medikament, das Heilung versprechen kann. Trotzdem ist die
medikamentöse Therapie in vielen Fällen erforderlich. Man verwendet Stimulantien, da
diese Kinder aufgrund fehlender Aufmerksamkeit und Konzentration unruhig sind. Daher
werden behandelte Kinder ruhiger, aufmerksamer und haben so mehr Kontrolle über ihr
Verhalten. Beruhigungsmittel hätten den gegenteiligen Effekt, das Verhalten würde
sich verschlechtern. Die Medikamenteneinnahme schafft zumeist innerhalb von ca. ein bis
drei Wochen bereits eine völlig neue Situation, die von allen Beteiligten als
Erleichterung empfunden wird. Das schafft die Grundlage für die weiteren
Behandlungsmaßnahmen. |
Eine
Suchtgefahr gibt es nicht. |
Die
Behandlung mit Stimulantien (vorwiegend Methylphenidat, gelegentlich auch Pemolin oder
D-L-Amphetamin) gilt in Deutschland immer noch als umstritten. In den USA wird diese
Therapie seit Jahren in großem Umfang erfolgreich angewandt. Da die vorwiegend verwandten
Medikamente unter die Betäubungsmittelverordnung fallen, befürchten viele Eltern eine
Suchtgefahr. Diese Gefahr ist jedoch nach heutiger Meinung nicht gegeben. Einfach gesagt
ersetzt man hier etwas Fehlendes. Daher entsteht keine Hochstimmung, die zu einer Sucht
führen könnte. Ein weiteres Argument ist das vollständige Fehlen von Fällen, in denen
ein hyperkinetisches Kind nach der Behandlung mit Stimulantien süchtig danach geworden
wäre. Trotz der ca. 60 Jahre, in denen solche Therapien stattfinden, ist nicht ein
einziger solcher Fall bekannt. Häufig findet man in der Literatur das Beispiel des
Diabetikers, dem man ja auch nicht das Insulin verweigert. |
Begleitende
Psychotherapie ist unerlässlich. |
Hier
ist im Einzelfall über die nötigen Maßnahmen zu entscheiden. Wichtig sind in jedem Fall
die Elternberatung, die Lehrer- oder Erzieherberatung und die Herstellung der
Zusammenarbeit aller Betroffenen. Außerdem kommen Einzel- oder Gruppentherapie in Frage.
Häufig beginnt man in Einzeltherapie und geht dann - sobald als möglich - zur
Gruppentherapie über. Weitere Maßnahmen wie Entspannungs-, Bewegungs-, Musik- und
Ergotherapie zur Behandlung sekundärer Symptome sollten mit allen Betroffenen abgestimmt
werden. Auch eine klare Tagesstrukturierung muss alle Beteiligten einbeziehen. |
Nur
wenn alle helfen, geht es voran. |
Ein
"normales" Kind bewegt sich vorwiegend in zwei Umfeldern - zuhause und in der
Schule bzw. dem Kindergarten. Daher leiden meist Eltern und Lehrer oder Erzieher
ebensosehr wie das betroffene Kind unter der Situation. Aufgrund der ständigen Probleme
besteht dann oft auch ein schlechtes Verhältnis zwischen Eltern und Lehrkraft oder
Kindergartenpersonal. Der Kontakt zwischen allen Betroffenen muss hier verbessert bzw.
sogar erst wieder hergestellt werden. Alle müssen an der Behandlung mitwirken, um eine
möglichst schnelle Besserung zu erreichen. Häufig wird das durch die medikamentöse
Behandlung wesentlich erleichtert, da schnell eine Besserung der Gesamtsituation eintritt.
Ständiger Kontakt und gegenseitige Rückmeldungen von Veränderungen erleichtern die
Behandlung und ermöglichen die konsequente und konsistente Therapie. |
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Top
Selbsthilfe
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Der
Kinderarzt als Ansprechpartner. |
Wenn
der Verdacht auf eine Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung entsteht, ist der
Kinderarzt der richtige Ansprechpartner. Er wird die körperlichen Untersuchungen
einleiten und kann eventuell auch einen ADS-Spezialisten empfehlen. |
Wer
stellt die Diagnose? |
Für
die Diagnose benötigen Sie meist einen Kinderpsychotherapeuten mit spezieller Schulung.
Die Suche ist teilweise schwierig, wenn man nicht gerade in einer Großstadt lebt. Termine
liegen dann oft in weiter Zukunft. Bei der Suche helfen können Elterninitiativen, z.B.
unter http://www.ads-hyperaktivitaet.de |
Wo
gibt es sonst Hilfe? |
Hilfreich
sind Elterninitiativen und Bücher vor allem bei der so wichtigen Erkenntnis, nicht
"schuld" zu sein an dem Problem. Hier findet man auch Kontakt zu anderen
Betroffenen sowie Erfahrungsberichte von Eltern. Bücherliste: Hyperaktivität
Bücherliste: Dyskalkulie
Bücherliste: Sprachstörungen
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