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1991
Der Sitz muß sitzen!
Den Körper ins Lot bringen...
+ Ratgeber für richtiges Sitzen im Auto
Rückenschäden betreffen fast jeden: 80% der deutschen Bundesbürger haben irgendwann
damit zu tun. Der volkswirtschaftliche Schaden beträgt jährlich 20 Milliarden Mark. Bei
Krankmeldungen liegen Rückenbeschwerden an erster Stelle, und von allen beruflichen
Ausfallzeiten gehen 17,3 Prozent auf Erkrankungen des Rückens zurück.
Richtiges und damit auch gesundes Sitzen im Auto ist heute besonders wichtig: Immer mehr
Menschen verbringen immer mehr Zeit in ihren Fahrzeugen - auf dem Weg zur Arbeit, in der
Freizeit und bei alltäglichen Kurzstreckenfahrten. Dem Sitz wird dabei gewöhnlich viel
zu wenig Bedeutung beigemessen, obwohl gerade dieses Teil des Fahrzeugs für das
persönliche Wohlbefinden des Fahrers entscheidend ist. Deshalb muß der Körper auch beim
Sitzen aus orthopädischer Sicht richtig abgestützt und damit entlastet werden.
Diese Vorgabe der Mediziner gilt ganz besonders beim Autofahren. Gerade hier ist der
Fahrer hoher Belastung ausgesetzt. Zur Konzentration auf Fahrbahn und Verkehr kommt
nämlich die (unbewußte) Arbeit des Abstützens und Ausgleichens bei Kurvenfahrten,
Brems- und Beschleunigungsmanövern hinzu. Ein orthopädisch richtig ausgeformter und
entsprechend gepolsterter Autositz entlastet den Fahrer von dieser Arbeit und sorgt so
neben höherer Bequemlichkeit auch für verbesserte Sicherheit. Seriensitze in aktuelle
Fahrzeugen können diese Anforderung meistens kaum erfüllen. Das ist kein Wunder,
schließlich muß jeder Großseriensitz im Auto ein Kompromiß bleiben, getreu dem Motto
"Einer für alle". Große oder kleine Fahrer, kräftige oder schmale, schwere
oder leichte, Frauen und Männer müssen in den Standardsitz passen. Daß dieser sich
allenfalls an Durchschnittswerten und nicht am Individuum orientieren kann, ist
einsichtig. Meist reduzieren sich die Verstellmöglichkeiten zudem auf die Lehnenneigung
und die Entfernung zu den Pedalen.
Viele Hersteller folgen mit ihren Vorgaben für die Entwicklung von Autositzen allerdings
auch nur den Anforderungen der Autofahrer selbst. Denn deren Problembewußtsein ist stark
"unterentwickelt". Eher sekundäre Eigenschaften wie Optik und Farbe eines
Fahrzeugs, aber auch Breitreifen und Alufelgen spielen meist eine größere Rolle als
entsprechende "Sitzmöbel".
Dabei liegt gerade bei den sogenannten Vielfahrern, die im Jahr 20.000 Kilometer und mehr
unterwegs sind, eine wichtige Ursache für Beschwerden und Krankheitsbilder im
Rückenbereich beim falschen Sitzen. Und das betrifft keineswegs nur Senioren, sondern
eher Leute zwischen 30 und 50 Jahren.
Die Lösung des Problems ist für Mediziner als auch für Fahrzeugentwickler und
Wissenschaftler alleine beim individuell einstellbaren Sitz zu finden. Ein Sitz, wie er
momentan gewöhnlich nur als Nachrüstprodukt im Zubehörhandel zu bekommen ist. So zum
Beispiel die Autositze des Marktführers Recaro, die ein breites Spektrum vom
design-orientierten über den sportlichen bis hin zum komfortablen-luxuriösen Sitz
abdecken.
Sitze für den Nachrüstbereich, die in normaler Ausstattung zwischen 800 und 3500 Mark
kosten können, werden von ihren Produzenten gewöhnlich mit sehr hohem Forschung-,
Entwicklungs- und Produktionsaufwand hergestellt, wie zum Beispiel bei Recaro in einer
hauseigenen Cashtest-Anlage getestet.
Spezielle Fahrzeugsitze können im Zubehörhandel oder bei Exclusivhändlern zumeist auf
Modellpaletten getestet werden und können meistens problemlos in alle gängigen
Fahrzeugmodelle eingebaut werden. Einige orthopädische Kliniken und
Rehabilitationszentren bieten ebenfalls "Probesitzungen" unter fachkundiger
Aufsicht und Beratung an. Hier können Patienten zur Vorbereitung für den anstehenden
Alltag hinterm Steuer nach der Rehabilitation geschult werden.
Im Rahmen beruflicher Rehabilitation, zum Beispiel nach einem Autounfall, ist für
Vielfahrer ein orthopädischer Sitz unerläßlich: Die Bundesversicherungsanstalt (BfA)
gewährt in diesen Fällen auf Anfrage eine sogenannte Kraftfahrzeughilfe. Hierzu
benötigt werden eine Bestätigung der Krankenkasse, eine Bescheinigung des
Arbeitsgerbers, gegebenenfalls eine ärztliche Bescheinigung und Führerschein sowie
Fahrzeugschein in beglaubigter Kopie.
Ratgeber für richtiges Sitzen im
Auto
Auch der beste, teuerste und ergonomisch geformte Stuhl ist kein Garant dafür, daß beim
Sitzen alles stimmt. Im Büro, zu Hause oder im Auto: Ein Stuhl will "aktiv
besessen" sein - denn für die richtige Sitzhaltung ist nicht nur gewählte
Sitzmöbel zuständig, sondern auch der Mensch, der darauf Platz nimmt. Wer dabei einige
Grundregeln beachtet, kann Verspannungen, Rückenschmerzen und weitergehende
Haltungsschäden vermeiden oder zumindest reduzieren.
Eine aufrechte Körperhaltung, die ganz "im Lot" ist, sollte beim Sitzen
oberstes Gebot sein. Kopf, Hals, Schulter- und Lendenpartie sowie der Beckenbereich
sollten - wie von einem unsichtbaren Faden hochgezogen - so gerade wie möglich
aufgerichtet werden. Der natürlich geschwungene Verlauf der einzelnen
Wirbelsäulen-Abschnitte wird dabei unterstützt.
Grundsätzliche Voraussetzung für richtiges Sitzen ist zunächst eine ausreichende
Neigung des Beckenbereichs (eine sogenannte Beckenkippung) nach vorne. Kontrollieren
läßt sich das ganz einfach, indem man das Becken nach hinten und nach vorne kippt und
damit die Sitzknochen spürbar unterschiedlich belastet: Bei nach hinten gekipptem Becken
liegt das Körpergewicht "hinter" den Sitzknochen - man sitzt krumm und fällt
in sich zusammen, was die Wirbelsäule stark belastet. Ist das Becken dagegen nach vorne
gekippt, ruht das Körpergewicht direkt auf oder sogar leicht vor den Sitzknochen. Die
Unterseite der Oberschenkel wird jetzt stärker belastet.
Eine ausreichende Beckenkippung nach vorne ermöglicht das Anheben des Brustkorbes und
damit zugleich die Aufrichtung der Brustwirbelsäule. Die Halswirbelsäule steckt sich -
gleichzeitig mit dieser Bewegung "wandern" die bis dahin meist nach vorne
hängenden Schultern nach hinten: Das hat den Effekt, daß der Brustkorb vom Gewicht des
Schultergürtels und der ebenfalls nach vorne ziehenden Arme befreit wird. Kopf und
Schultergürtel sind nun in der Balance. Auch für die Hals- und Nackenmuskulatur bringt
das Aufrichten spürbare Entlastung, Verspannungen werden so umgangen. In der aufrechten
Haltung lassen Brustkorb und Bauchraum den inneren Organen "mehr Raum", so daß
sich auch Atmung und Verdauungstätigkeit verbessern.
Die hier beschriebene "physiologische Aufrichtung" des Körpers im Sitzen ist
sowohl aktiv als auch passiv möglich. Aktives aufrechtes Sitzen meint eine Sitzhaltung
ohne Anlehnung des Rückens. Man sitzt weiter vorn auf der Stuhlkante, auf einem Hocker
oder einer Bank und kann sich auch während des Sitzens "um das Körperlot
herum" bewegen. Fachleute nennen das "dynamisches Sitzen".
Beim passiven aufrechten Sitzen ist der Rücken angelehnt, die Kopf- und
Schultergürtel-Balance wird beibehalten. Im Auto muß diese passive Sitzhaltung auch
über längere Zeit eingenommen werden. Um hinter dem Steuer orthopädisch richtig sitzen
zu können, soll ein guter Autositz über zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten verfügen.
Besonders wichtig ist die Unterstützung der Lendenwirbelsäule am oberen Beckenrand. Hier
kommen orthopädisch geformte Autositze zum Beispiel mit individuell aufblasbaren
Luftkammern in Frage.
Weiterhin ist beim Sitzen im Auto auch die körpergerechte Führung der gesamten
Wirbelsäule wichtig. Hier empfiehlt sich eine besonders hohe, ergonomisch geformte und
fest gepolsterte Rückenlehne. Für eine orthopädisch richtige Haltung im Autositz sollte
die Neigung der Rückenlehne so eingestellt werden, daß die Schultern festen Kontakt zur
Lehne haben. Dabei darf der Bauchraum keinesfalls eingeengt sein. Zur Kontrolle empfiehlt
sich der Griff mit beiden Händen ans Lenkrad in der "fünf Minuten vor
zwölf-Position" - wenn mit der rechten Schulter die Schulterunterstützung des
Sitzes noch zu spüren ist, stimmt die Lehnenneigung. Der Kopf muß ohne große
Muskelanspannung im Lot gehalten werden können - die Kopfstütze ist optimal eingestellt,
sobald sich ihre Oberkante mit dem obersten Punkt des Kopfes in einer Linie befindet und
der Abstand zwischen Kopf und Kopfstütze etwa zwei Zentimeter beträgt.
Zur Fixierung des Oberkörpers sollte ein guter Autositz über ausgeprägte, möglichst
einstellbare Seitenführungen im Lehnenbereich verfügen. In Kurven übernehmen sie die
Funktion, den Rumpf in seiner aufrechten Haltung zu stabilisieren. Einstellbare
Seitenführungen sollten so nahe wie möglich an den Körper herangerückt werden, ohne
daß sich der Fahrer davon beengt fühlt.
Die Höhe des Sitzes muß so hoch wie möglich eingestellt sein, so daß der Fahrer ein
optimales Sichtfeld nach allen Seiten und auf die Armaturen hat. Die Oberschenkel sollen
ganz auf dem Sitzkissen aufliegen, der Kniekehlenbereich muß allerdings frei bleiben.
Autositze mit Einstellungsmöglichkeiten zur Sitzflächenverlängerung erlauben auch hier
eine individuelle Anpassung. Alle Pedalen müssen sich ohne großen Kraftaufwand
durchtreten lassen, wobei die Beine leicht angewinkelt sein sollten.
Autofahren ist körperliche Arbeit - durch erhöhte Konzentration, Streßsituationen,
natürlich auch infolge hoher Außentemperaturen verstärkt sich die
Feuchtigskeitsabsonderung, man schwitzt. Atmungsaktive Bezugsstoffe,
Sitzklimatisierungssystem und Sitzheizungen, wie sie zum Beispiel Recaro anbieten, sorgen
hier für optimalen Sitzkomfort. Ebenfalls wie die Vielfalt der genannten
Einstellmöglichkeiten trägt das richtige "Sitzklima" zum Wohlbefinden des
Fahrers bei und erhöht so die passive Sicherheit.
Text und Bild: Redaktionsdienst, Recaro/ Wortwerkstatt
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