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Kein Job wie jeder andere
Entwicklungshelfer gesucht...
Afrika, Asien, Lateinamerika und die meisten osteuropäischen
Reformländer: Gesucht werden Ärzte, Krankengymnasten, Apotheker und Krankenschwestern.
Die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe bietet diesbezüglich dreijährige
Dienstverträge,
Mitarbeiter werden zuvor intensiv auf Ihren Einsatz vorbereitet...
Weiterführende Informationen:
Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V.
Assosiation for development cooperation
Association pour l'assistance au dÈveloppment
AsociaciÛn de cooperaciÛn para el desarrollo
Associaco de cooperaco para o desenvolvimento
Ripuarenstraße 8
D-50679 Köln
Tel 0049-221-8896-0
Fax 0049-221-8896-100
Weiterführende Informationen:
www.ageh.de
Jobangebote nicht nur für Ärzte:
www.oneworldweb.de/ageh.de/ageh/welcomd.htm
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Diagnose: Armut
Ohne Geld keine Gesundheit
Erfahrungsbericht von Frau Dr.Barabar Wendl, die zusammen mit ihrem Mann
von 1993 bis 1996 als AGEH-Fachkraft in einem vom Komitee "Ärzte für die Dritte
Welt" geförderten Projekt auf den Philippinnen tätig war...
Gerlyn Pitogo hat seit dem frühen Abend ziehende Bauchschmerzen. Sie
erwartet ihr 7. Kind. Die Anzeichen der nahenden Geburt sind ihr vertraut. Die Fruchtblase
platzt. Bald wird alles vorbei sein. Sie kauert sich auf den Boden ihrer Hütte. Schon
erscheint ein Arm des Babys. Immer stärkere Wellen des Schmerzes überfluten sie. Doch
die Geburt steht still. Sie bittet ihren Mann Rodney, die Hebamme zu holen.
Marie Tess hat schon vielen Frauen beigestanden. Sie ist eine erfahrene
Hebamme. Nach einem raschen Lauf durch die Dunkelheit trifft sie in der Hpütte ein. Die
Gebärende ist inzwischen sehr unruhig; die Wehen werden immer stärker. Marie Tess
versucht, durch vorsichtige Handgriffe die Geburt wieder in Gang zu bringen, jedoch
vergebens. Sie empfiehlt schließlich, Dr.Paredos im Tal aufzusuchen. EntseTzt wehrt
Rodney ab: Wir haben doch kein Geld, um ihn zu bezahlen! Aber es ist die einzige
Möglichkeit, wenn seine Frau nicht sterben soll.
Wie sollen sie die zwei Stunden Fußmarsch schaffen? Auf einer Bambustrage
transportieren sie Gerlyn auf dem steilen, rutschigen Weg nach unten. Sie krümmt sich vor
Schmerzen. Es ist noch dunkel, als die kleine Gruppe Dr.Paredos erreicht. Er ist über
ihre Ankunft nicht begeistert. In dieser Nacht war er schon mehrmals gerufen worden. Diese
armen Siedler können sicher auch nicht zahlen. Die Familie würde ein Stück Land für
die Behandlung hergeben müssen. Er legt einen Nadel, hängt eine Infusion und versucht,
das Kind zu entbinden. Das mißlingt. Ein Kaiserschnitt im Krankenhaus ist notwendig.
Wieder besteht das Problem des Transports. Wie einen Jeepney bezahlen?
Rodney macht sich erneut auf den Weg, dieses Mal zum Ortspfarrer. Nach einigen Hin und Her
gibt dieser ihm 300 Pesos (20DM, entspricht einem Wochenlohn). Er eilt zum Markt, um einen
Jeepney zu holen und sie fahren die holprige Straße zum staatlichen Kranekenhaus der
Provinz. Während der Fahrt hören die Wehen abrupt auf, ein vernichtender Schmerz
durchzuckt Gerlyn.
Der Notfallraum im Krankenhaus ist überfüllt, als sie ankommen. Nach
einiger Zeit erscheint eine Krankenschwester. Sie fragt müde nach den Personalien und der
Vorgeschichte. Der diensthabende Arzt untersucht schließlich die Patientin. Die
Bauchdecke ist inzwischen bretthart, die Herztöne des Kindes nicht zu hören. Gerlyn ist
kaltschweißig und sehr blaß. Rodney erhält ein Rezept über die Medikamente und zwei
Blutkonserven, die er für den Kaiserschnitt besorgen muß. Die Voräte im Krankenhaus
sind erschöpft. Er wird auch seinen Cambao (Wasserbüffel verkaufen müssen, um die
Medikamente bezahlen zu können. Seine Frau ist inzwischen so schwach, daß sie nicht mehr
reagiert.
Es ist schließlich Nachmittag, als die Gynäkologin erscheint und einen
Kaiserschnitt durchführt. Die Gebärmutter ist gerissen, das Kind bereits gestorben.
Gerlyn erholt sich langsam. Ihr Mann wacht Tag und Nacht an ihrem Bett. Nach einer Woche
teilt der Stationsarzt mit, daß sie nach Hause gehen kann. Sie darf das Krankenhaus
jedoch erst nach Bezahlung der Rechnung verlassen. Rodney geht zum Händler, um seinen
Wasserbüffel zu verkaufen.
Vier Kinder waren noch am Leben. Eines war an Masern gestorben, eines an
Durchfall. Damals mußte er bereits zur Begleichung der Arztrechnungen einen Hektar Land
verkaufen. Den zweiten Hektar gab er für die Beerdigung seiner Schwester weg, den letzten
mußte er an Dr. Paredes verpfänden. Er würde sich um eine Arbeit als Tagelöhner
umsehen, vielleicht ließ ihn ja Dr. Peredes auf seinem eigenen Land arbeiten. 80% der
Ernte würde er abgeben müssen. Mao kining ang kinabuhi; so ist das Leben, dachte er.
Wie Gerlyn und Rodney sind unzählige andere Phillipinos im Bermudadreieck
zwischen staatlichem Gesundheitssystem, Privatärzten und Pharamaindustrie verloren. Die
Verfassung der Philippinen garantiert freie ärztliche Versorgung in staatlichen
Krankenhäusern einschließlich Medikamentenausgabe. Ein landesweites Netz von dörflichen
Gesundheitszentren soll eine breite Palette an Vorsorge- und Basismedizin anbieten.
Warum starben die Kinder von Gerlyn und Rodney trotzdem?
Die Hebamme nahm vor 10 Jahren an einer Ausbildung als dörfliche
Gesundheitshelferin teil. Sie erhielt eine Urkunde, danach aber keine weitere
Unterstützung oder Fortbildung durch den Staat. Sie kann in vielen Fällen auf ihr
überliefertes Wissen zurückgreifen. Dies reicht aber nicht aus.
Das nächste Gesundheitszentrum ist über eine Stunde Fußmarsch entfernt.
Die staatlich angestellte Krankenschwesterhelferin kam mit großem Engagement aus der
Provinzhauptstadt. Als sie nach drei Monaten immer noch kein Geld erhielt, konnte sie es
sich nicht mehr leisten, mit dem Sammeltaxi (Motorrrad) in die Berge hochzufahren, um die
Familien zu besuchen. Die Impstoffnachlieferungen aus der Stadt kamen unregelmäßig und
verdarben oft wegen Stromausfall. Wie sollte sie flächendeckend impfen und
Gesundheitserzeihung durchführen? Gerlyn und Rodney verloren das Vertrauen in das
Zentrum, nachdem sie mehrmals vergeblich um Impfungen und Medikamente für ihre Kinder
nachgefragt hatten.
Der niedergeassene Arzt fand sich trotz der armen Lebensbedingungen
bereit, auf dem Land zu arbeiten. Seine lange Ausbildung kostete viel Geld, das er seiner
Familie wieder zurückgeben möchte. Er wird täglich von vielen Patienten aufgesucht, die
nicht bezahlen können. Eine Krankenversicherung existiert nicht. Er ging deshalb dazu
über, Naturalien bzw. Land zu akzeptieren.
Die Gynäkologin ist von der Vielzahl der Patienten überlastet. Die
Arbeitsbedingungen in den staatlichen Krankenhäusern verschlechtern sich angesichts des
schrumpfenden Gesundheitsbudgets immer mehr. Es fehlt an einfachsten Arzneimitteln. Die
Patienten müssen von der Infusionsflasche bis zum Pflaster alles Notwendige für die
Therapie auf eigene Kosten beibringen.
Die benötigten Medikamente werden überwiegend von multinationalen
Pharmafirmen vetrieben und sind oft teurer als in Europa.
Rodney und Gerlyn schließlich bestreiten ihren Lebensunterhalt durch
Subsistenzwirtschaft. Sie reicht nicht einmal zur vollständigen Ernährung der Familie
aus. Es gibt keine Ressourcen für Notfälle und keine Sozialversicherung. Sie sind von
den Mächtigen am Ort abhängig (Politiker, Händler, Arzt, Priester).
Zusammenfassend sind die oben geschilderten Mißstände nicht individuell,
sondern strukturell bedingt. Das Gesundheitssystem der Philippinen ist ein Spiegelbild der
gesellschaftlichen Situation. ist stark profitorientiert und geprägt durch patriarchale,
feudale Abhängigkeitsbverhältnisse. Staatliche Institutionen funktionieren nicht mangels
politischen Willens der herrschenden Elite und der erschöpften Armen. Als Lösung
erscheint zunächst private initierte, karitative Hilfe. Sie greift aber nur punktuell und
kurzfristig und stabilisiert die bestehenden Verhältnisse. Ein Wohlfahrtssystem nach
europäischen Muster ist nicht finanzierbar.
Die Notwendigkeit einer systematischen Änderung wird inzwischen auch auf
den Philippinen diskutiert. Konkrete heißt dies Setzen der richtigen Prioritäten,
Förderung der primären Gesundheitspflege und Einführung angemessener Technologien. Dies
kann ein gemeinsamer Weg der Entwicklungszusammenarbeit sein. Er verläuft von
Autoitarismus über Beratung hin bis zu Selbstbestimmung und Transfromation der
Gesellschaft: "Siehe, ich mache alles neu" (Ofb.21,5)
Aus der philippinischen Statistik:
- alle 6 Minuten stirbt ein Kind an Masern
- jeden Tag sterben 28 Babies an Tetanus
- jeden Tag sterben 217 Kinder an Diarrhöe
- jede Stunde sterben 6 Philippinos an Herzkrankheiten
- jeden Tag sterben 56 Philippinos an Tuberkulose
- jede Stunde sterben 4 Philippinos an Krebs
- 2,5 Millionen Kinder sind unterernährt
- mehr als 50% der schwangeren und stillenden Frauen leiden an Anämie
Text: Dr. Barabar Wendl, AGEH e.V.; für den Redaktionsdienst
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