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Pressemitteilung 01.03.2000

Deutscher Schmerztag 2000
02. - 04. März 2000, Frankfurt am Main

 

Schmerz und Rheuma: Die Behandlung muss frühzeitig einsetzen

 

Bei vielen Patienten mit rheumatischen Leiden wird eine angemessene Behandlung von Entzündung und Schmerzen oft nicht frühzeitig und konsequent genug eingeleitet, kritisieren Experten auf dem Deutschen Schmerztag. Schäden an den Gelenken und chronische Schmerzen, die nur mit komplexen Strategien behandelt werden können, sind die Folge.

 

,,Schmerzen", erklärt Dr. Wolfgang Miehle, ,,sind Boden, Wände und Dach des Hauses «Rheuma»." "Boden deshalb", so der Rheumatologe und leitende Arzt der Reha-Klinik Wendelstein in Bad Aibling weiter, ,,weil der Schmerz häufig das Leitsymptom ist. Wände, da es ein weites Spektrum an Schmerzvarianten gibt, und Dach, da Schmerzen Dauerbegleiter der Betroffenen sind und auf unterschiedlichste Art behandelt werden müssen." ,,Aber dennoch", kritisiert Dr. Oliver Emrich, Leiter des Schmerztherapeutischen Kolloquiums Ludwigshafen, ,,wurde bislang in vielen Lehrbüchern die Bedeutung einer Therapie mit starken Schmerzmitteln, sogenannten Opioiden, die bei diesen Leiden durchaus erforderlich sein können, nicht erwähnt."

 

Rheumatische Erkrankungen sind sehr vielseitig. Unter dem Begriff ,,Rheuma" versammeln sich insgesamt etwa 450 verschiedene Krankheitsbilder. Deren einzige Gemeinsamkeit: Schmerzen an Gelenken, Wirbelsäule und Bindegewebe. Oft sind auch die umgebenden Weichteile - Muskeln, Sehnen, Bänder -betroffen. Man unterscheidet entzündliche Rheumaerkrankungen (Hauptvertreter: rheumatoide Arthritis), verschleißbedingte Rheuma-Formen (Arthrosen), Weichteilrheumatismus und Gicht.

 

Von rheumatoider Arthrisis sind in Deutschland 800.000 Menschen betroffen. Unter rheumatoider Arthritis leidet in Deutschland schätzungsweise ein Prozent der Gesamtbevölkerung, betroffen sind etwa 800.000 Menschen. Bei dieser Erkrankung spielt -vermutlich genetisch bedingt - das Immunsystem eine Rolle: es greift den eigenen Körper an. Warum dies geschieht, wissen die Experten bis heute nicht. Die Erkrankung beginnt mit einer Entzündung an der Gelenkinnenhaut. Betroffen sind zumeist mehrere Gelenke. Dieser sehr schmerzhafte Prozess kann sich auf Knorpel, Bänder und Knochen ausdehnen. Das Gelenk verformt sich und wird steif. In seltenen Fällen kommt die Erkrankung von alleine zum Stillstand; zumeist aber schreitet sie - trotz Behandlung - fort und zermürbt die Patienten durch anhaltende Schmerzen. Bei etwa 70 Prozent der betroffenen Menschen im erwerbsfähigen Alter führt die Krankheit binnen fünf Jahren zur Erwerbsunfähigkeit und verkürzt die Lebenserwartung.

 

Schmerzen - 24 Stunden am Tag. Wolfgang Miehle weiß aufgrund einer vierjährigen Verlaufsbeobachtung von 654 Patienten, dass 85 Prozent über Bewegungs-, Belastungs-, Nacht-, Start-, Ermüdungs- und Ruheschmerzen der Gelenke klagen. Fast die Hälfte (43 Prozent) leidet unter Muskelschmerzen. Miehle: ,,Der Mensch mit rheumatoider Arthritis ist ein schmerzgeplagter Patient; der Schmerz begleitet ihn 24 Stunden am Tag, bei Aktivität und Ruhe."

 

Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis handelt es sich bei Arthrosen um Verschleißkrankheiten. Zumeist kommen mehrere Faktoren zusammen: Bewegungsmangel, eine einseitige Belastung der Gelenke und eine dünner werdende Gelenksflüssigkeit im Alter. Dadurch werden die Knorpelzellen der Gelenke nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgt und gehen zugrunde. Entzündungen, Schwellungen und Verformungen sind die Folge.

 

,,Die Schmerzen", erklärt Miehle, ,,werden häufig, aber nicht immer durch die Entzündung verursacht, sie hängen von der Aktivität der Entzündung ab." Aber auch andere Faktoren, etwa Veränderungen und Schäden im Nervensystem fördern und verstärken die Schmerzen.

 

Behandlung ruht auf mehreren Säulen. Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis ruht prinzipiell auf zwei Säulen. Die so genannte Basistherapie soll den Krankheitsprozess grundlegend beeinflussen und vor allem die Gelenkszerstörung aufhalten. Hierzu setzen die Ärzte beispielsweise Medikamente ein, die das Immunsystem beeinflussen. Die zweite Säule besteht aus Arzneimitteln, die die Entzündung hemmen und die Schmerzen lindern, die so genannten nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSA). Auch Kortikoide, die Entzündungen hemmen, werden eingesetzt. Denn nur wenn die Schmerzen ausreichend gelindert werden, kann beispielsweise eine Physiotherapie die Beweglichkeit der Gelenke fördern und erhalten.

 

Medikamente in der Rheumatherapie. ...mehr hierzu Sowohl in die Basistherapie als auch in die antientzündliche und schmerzlindernde Therapie kommt nun Bewegung: Neue Medikamente für die Basistherapie (Etanercept, Infliximab), die einen bestimmten Immunbotenstoff, TNF-Alpha genannt, blockieren und dadurch die Gelenkszerstörung hemmen, stehen kurz vor der Zulassung. Ein anderer Wirkstoff (Leflunomid), der die Vermehrung von T-Immunzellen hemmt, wurde unlängst zugelassen.

 

Siehe auch: Kongressbericht 1998 Neu sind auch die so genannten COX-2-Hemmer, Medikamente, die ähnlich wie herkömmliche nichtsteroidale Antirheumatika Schmerzen und Entzündung lindern. Aufgrund der spezifischeren Hemmung eines bestimmten Enzyms, der Cyclooxygenase-2, verursachen sie jedoch deutlich weniger Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt. (Herkömmliche nichtsteroidale Antiphlogistika hemmen nicht nur die Cyclooxygenase-2, die für die Bildung entzündungsfördernder Stoffe verantwortlich ist, sondern auch die Cyclooxygenase-1, die die Synthese von schleimhautschützenden Substanzen im Magen-Darm-Trakt steuert.)

 

Eine genaue Beobachtung ist notwendig. ,,Die COX-2-Hemmer stellen eine ermutigende neue Option dar", stellt Emrich fest. ,,Allerdings müssen Wirkungen und Nebenwirkungen dieser Substanzen in der breiten Anwendung sorgfältig beobachtet werden. So gibt es beispielsweise Hinweise, dass die neuen Medikamente die Durchblutung der Nieren beeinträchtigen, eine Nebenwirkung, die jedoch verschwindet, wenn das Mittel abgesetzt wird.

 

Eine ungenügende Behandlung fördert die Chronifizierung der Schmerzen. Die Experten auf dem Deutschen Schmerztag beklagen indes, dass bei vielen Patienten mit rheumatischen Leiden eine angemessene Behandlung von Entzündung und Schmerzen nicht frühzeitig und konsequent genug eingeleitet wird. Die Folge sind Schäden an den Gelenken und chronifizierte Schmerzen. ,,Chronische Schmerzsyndrome", so Wolfgang Miehle, ,,stellen die zweifellos größte Herausforderung in der Rheumatologie dar." Denn auch bei Rheumapatienten, deren Schmerzen nicht ausreichend gelindert werden, kommt es zu Veränderungen im Nervensystem, die Chronfizierungsprozesse fördern. Hinzu kommen psychosoziale Einflüsse, die ebenfalls schmerzverstärkend wirken.

 

Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist notwendig. Vor allem in solchen Fällen müssen Rheumatologen und Schmerztherapeuten zusammenarbeiten: Erforderlich ist dann eine breite Palette medikamentöser, psychologisch-verhaltenstherapeutischer und physiotherapeutischer Maßnahmen, um die komplexen Prozesse zu beeinflussen, die den Dauerschmerz unterhalten.

 

Der Teufelskreis Schmerz muss durchbrochen werden. Wenn beispielsweise eine Therapie mit entzündungshemmenden und schmerzlindernden Medikamenten die Schmerzen nicht ausreichend lindern kann oder wenn andere nicht-entzündungsbedingte Schmerzformen hinzukommen, setzen Experten inzwischen auch Opioide (Abkömmimge des Morphins) ein. ,,Der Teufelskreis des Schmerzes muss unterbrochen werden", betont Oliver Emrich. Denn nur wenn der Schmerz effektiv gelindert wird, können andere Strategien, etwa Physio- oder Ergotherapie sinnvoll greifen.

 

Psychologisch-verhaltenstherapeutische Maßnahmen, die ein wichtiger Bestandteil der modernen Schmerztherapie sind, können darüber hinaus die Wahrnehmung und Verarbeitung von Schmerzen positiv beeinflussen.

 

Tipps der Deutschen Schmerzliga e.V.

Deutsche Schmerzliga e.V., Hainstr. 2, 61476 Kronberg, Telefon: 0700 / 375 375 375, Fax: 0700 / 375 375 38, Internet: www.dsl-ev.de

Das können Rheumapatienten für sich selbst tun:
  • Wenn Sie übergewichtig sind, senken Sie Ihr Gewicht, um die Gelenke zu entlasten.
  • Eine gezielte Krankengymnastik unter professioneller Anleitung ist wichtig. Danach sollten Sie diese Übungen zu Hause oder in einer Gruppe (beispielsweise in einer Selbsthilfegruppe der Deutschen Schmerzliga) fortsetzen, um beweglich zu bleiben.
  • Vermeiden Sie Sportarten, die die Gelenke zu stark belasten. Besser sind Schwimmen und Radfahren.
  • Bei akuten Entzündungen und Schwellungen haben sich Kälteanwendungen (Wickel, Packungen) bewährt. Die Behandlung ermöglicht auch bei entzündeten Gelenken eine behutsame Krankengymnastik, die sonst sehr schmerzhaft wäre.
  • Sinnvoll sind auch Kneipp-Güsse' besonders der Knie-, Schenkel- und Armguß.
  • Warme Bäder (mit Zusätzen von Kräuteröl, Salz oder Moor) oder warme Packungen und Wickel wirken schmerzlindernd. Diese sind allerdings bei einer akuten Entzündung nicht sinnvoll, weil sie die Entzündung fördern. Wenn Anzeichen auf einen bevorstehenden Rheumaschub hindeuten, ist eine Kältebehandlung besser.
  • Lernen Sie Entspannungsübungen (Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga).
  • Sprechen Sie unbedingt mit Ihrem Arzt, wenn die Schmerzen durch eine eingeleitete Therapie nicht ausreichend gelindert werden.

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