Zunächst
werden einige wesentliche Begriffe definiert und die Bedeutung der Erhebung der
Patientenzufriedenheit anhand des EFQM-Modells und anderer Kriterien verdeutlicht. Im
Anschluß wird der Prozeß einer Patientenbefragung von der Festlegung der Zielgruppe und
der Analyseziele bis zur Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen aus den Ergebnissen
dargestellt.Die Erhebung der Patientenzufriedenheit findet häufig im Rahmen
qualitätssichernder Maßnahmen oder im Zuge von Qualitätsmanagement statt.
Qualitätssicherung per se ist im Krankenhaus ein bekanntes Thema. So werden z.B. bereits
seit langem medizinische Ergebnisparameter kontrolliert, Fälle unter kollegialer
Supervision besprochen und interne Fortbildungen organisiert. Neu ist jedoch die Bedeutung
von Patientenurteilen für die Bewertung von Qualität im Krankenhaus wie auch im
niedergelassenen Bereich, die in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat.
Über die Definition von Qualität herrscht in der Literatur kein Konsens. Er weist
kein einheitliches, allseits akzeptiertes Begriffsbild auf, sondern ist durch eine
Vielzahl von Definitionen gekennzeichnet. Die Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V.
(1993) hat z. B. folgende Definition aufgestellt: "Qualität ist die Gesamtheit von
Eigenschaften und Merkmalen eines Produktes oder einer Tätigkeit, die sich auf deren
Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse bezieht." Hier wird die
Begriffsbestimmung von Hildebrandt (1994) als Arbeitsdefinition gewählt, da hier die
Rolle der PatientInnen bei der Beurteilung von Qualität expliziter ist.
"Qualität im Krankenhaus bestimmt sich nicht allein aus der Sicht der Akteure.
Qualität ist, was der Kunde als Qualität betrachtet."
Bei Krankenhausleistungen handelt es sich um komplexe Dienstleistungen. Brüggink
(1999) definiert Dienstleistungsqualität folgendermaßen:
"Dienstleistungsqualität ist die Fähigkeit eines Anbieters, die
Beschaffenheit einer primär intangiblen und der Kundenbeteiligung bedürfenden Leistung
aufgrund von Kundenerwartungen auf einem bestimmten Anforderungsniveau zu erstellen."
In dieser Definition wird deutlich, daß Dienstleistungsqualität nichts
Beständiges ist, d. h. daß die Bewertung der Qualität nicht nur von der Leistung
abhängig ist. Vielmehr kann sich die Beurteilung der Dienstleistungsqualität auch bei
gleichbleibender Leistung verändern. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Erwartungen
der KundInnen (in diesem Fall PatientInnen) ändern.
Die Bedeutung der Patientenzufriedenheit wird auch bei der Betrachtung der
Kriterien im Modell der European Foundation of Quality Management (EFQM) deutlich. In
diesem Modell wird Qualität anhand von neun Kriterien bewertet. Das Kriterium 6 erfaßt
die Zufriedenheit der Leistungsempfänger. Allein mit diesem Kriterium lassen sich 20% der
Punkte erreichen.
Bevor im folgenden auf die Erhebung der Patientenzufriedenheit eingegangen wird, soll
auch dieser Begriff definiert werden. Im Mittelpunkt des theoretischen Erklärungsmodells
der Kundenzufriedenheit von Homburg & Rudolph (1995) steht ein kognitiver
Soll-Ist-Vergleichsprozeß, der zu einer Bestätigung oder Nichtbestätigung führt. Als
direkte emotionale Reaktion auf diesen (Nicht-)Bestätigungsprozeß resultiert
Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit. Der Prozeß der Bestätigung bzw. Nichtbestätigung
ist somit die zentrale Schnittstelle zwischen der Soll- und der Ist-Leistung sowie der
(Un-)Zufriedenheit.
Die Soll-Leistung spiegelt die individuell ausgerichteten Bedürfnisse der PatientInnen
wider. Die Soll-Leistung hängt von mehreren Faktoren wie Erwartungen, bisherigen
Erfahrungen und Idealen ab. Auf die Erwartungen nimmt unter anderem das Image des
Krankenhauses einen starken Einfluß. Die Ist-Leistung spiegelt die subjektiv
wahrgenommene Leistung durch die PatienIn wider, die von der objektiven Leistung abweichen
kann. Während die objektive Leistung in der Regel für alle PatientInnen gleich ist, kann
die subjektiv wahrgenommene Leistung durchaus individuell verschieden sein. Bei der
Wahrnehmung der Leistungen kann es zu Wahrnehmungsverzerrungen durch Erwartungen oder
Rahmenbedingungen der Leistungserbringung wie z. B. dem Ausmaß an Kundenorientierung, mit
dem die Leistung erbracht wird, kommen.
Die Bedeutung von Patientenbefragungen wurde bereits im Zusammenhang mit dem
EFQM-Modell dargestellt. Doch auch, wenn ein Krankenhaus keine Zertifizierung bzw.
Akkreditierung nach diesem oder einem anderen Qualitätsmodell anstrebt, sprechen mehrere
Gründe für die Erhebung der Patientenzufriedenheit und/oder den Patientenerwartungen.
Als Ergebnis einer Patientenbefragung erhält das Krankenhaus ein Profil seiner Stärken
und Schwächen aus Sicht seiner KundInnen. Dieses Profil kann als Arbeitsgrundlage benutzt
werden. Wird nun dieses Profil mit den Zielen abgeglichen, so ergibt sich daraus die
Innovationsrichtung. Budgetmittel können so sinnvoll, selektiv und effizient eingesetzt
werden. Ein weiterer Vorteil der Erhebung der Patientenzufriedenheit besteht darin, daß
die Ergebnisse an die MitarbeiterInnnen kommuniziert werden können, was zu einer
größeren Sensibilität für Verbesserungsbedarf führt. Mit der Durchführung einer
Patientenbefragung wird den KundInnen bereits die Kundenorientierung des Krankenhauses
demonstriert. Ein Krankenhaus sollte sich daher nicht scheuen, die Aktion publik zu machen
(z. B. über einen Artikel in der Regionalpresse). Durch eine Folgeerhebung können
Anstrengungen, die aufgrund der Ergebnisse der ersten Befragung gemacht wurden, evaluiert
werden. Dadurch wird die Effizienz der eingeleiteten Maßnamen transparent. Erfolge
können an die PatientInnen und MitarbeiterInnen kommuniziert werden. Das bedeutet, daß
der Einsatz von Patientenbefragungen auch als Marketing-Instrument relevant ist.
Thill (1996) unterteilt den Prozeß der Kundenzufriedenheitsanalyse in acht
Teilschritte. Diese Schritte werden hier in modifizierter und erweiterter Form
dargestellt. Die vorgestellten Schritte greifen teilweise ineinander und sind somit nicht
in rein sequentieller Weise abzuarbeiten. Trotzdem sollen sie stufenweise dargestellt
werden, um das Vorgehen bei der Planung, Entwicklung und Durchführung einer
Patientenbefragung transparent zu machen. Die folgende Aufstellung über die neun Schritte
soll einen ersten Überblick geben. Im Anschluß werden die Teilschritte näher
beschrieben.
- Festlegung der Zielgruppe und der Analyseziele
- Festlegung des methodischen Vorgehens
- Festlegung des Fragebogendesigns
- Festlegung der Projektparameter
- Durchführung eines Pre-Tests und Optimierung des Erhebungsinstruments
- Durchführung der Befragung
- Auswertung und Interpretation der Ergebnisse
- Kommunikation der Ergebnisse
- Ableitung von Interventionen und Planung des weiteren Vorgehens
In einem ersten Schritt werden die Zielgruppe und die Analyseziele festgelegt.
Es muß bestimmt werden, welche PatientInnen befragt werden sollen: Will man sämtliche
Stationen mit allen PatientInnen einbeziehen, oder gibt es bestimmte Patientengruppen, die
von besonderem Interesse sind? Eine Einteilung kann z B. aufgrund von Diagnosen oder der
Zugehörigkeit zu einer Krankenversicherung erfolgen. Je enger die zu befragende Gruppe
definiert wird und je genauer die Fragestellung ist, desto differenzierter kann die
Analyse erfolgen. Es gilt auch festzulegen, ob alle Themenbereiche, die in die
Patientenurteile einfließen, berücksichtigt werden sollen, oder ob man sich auf eine
Auswahl beschränkt (z. B. Beurteilung des ärztlichen Personals).
Im zweiten Schritt wird das methodische Vorgehen festgelegt. Hier ist zu
entscheiden, ob qualitative Verfahren wie z. B. die sequentielle Ereignismethode, eine
Beschwerdeanalyse oder die Critical Incidents Technique eingesetzt werden (vgl. z. B.
Riegl, 1991) oder ob quantitativen Verfahren wie z. B. der Einsatz eines standardisierten
Fragebogens der Vorzug gegeben wird. Weiterhin ist zu entscheiden, ob die Erhebung in
schriftlicher, telefonischer oder mündlicher Form erfolgen soll. Für diese Entscheidung
bieten sich verschiedene Kriterien an wie z. B. Kosten, das Ausmaß sozial erwünschten
Antwortens oder die Zeitnähe, mit der die Ergebnisse vorhanden sind.
Auf der dritten Stufe wird auf der Grundlage der Analyseziele, der Zielgruppe sowie der
ausgewählten Befragungsmethode das Fragebogendesign festgelegt. Dies gilt
selbstverständlich nur dann, wenn man sich für einen Fragebogen als Erhebungsinstrument
entschieden hat. In Abhängigkeit von den vorangegangenen Entscheidungen kann nun der
Fragebogen konstruiert werden. Je nach Analyseziel werden die Items globaler oder
differenzierter formuliert, wird eine durchgängig gleiche oder aber eine unterschiedliche
Fragenstruktur gewählt. Ebenfalls zu entscheiden ist, was man erfassen möchte: Sind
Zufriedenheitsurteile von Interesse oder möchte man die beiden Determinanten der
Zufriedenheit, nämlich die Erwartungen (Soll-Leistung) und die subjektiv wahrgenommene
Leistung (Ist-Leistung) getrennt erfassen. Wie bereits oben ausgeführt, ist eine
getrennte Erfassung dieser Determinanten durchaus sinnvoll. Nur durch die getrennte
Erhebung kann beurteilt werden, ob z. B. gesunkene Zufriedenheitswerte durch nachlassende
Leistungen des Krankenhauses oder durch gestiegene Erwartungen der PatientInnen bedingt
sind. Ebenfalls sinnvoll ist die gleichzeitige Erhebung der Wichtigkeit einzelner Items
für die PatientInnen. Erhebt man sowohl die Zufriedenheit (global oder beide
Determinanten getrennt) als auch die Wichtigkeit, so lassen sich die Ergebnisse in einer
Wichtigkeits-Zufriedenheits-Matrix darstellen. Diese Darstellungsform zeigt schnell und
prägnant, an welcher Stelle Verbesserungsmaßnahmen dringend eingeleitet werden müssen,
welche Stärken in den Augen der PatientInnen besonders relevant sind und in welchen
Bereichen das Krankenhaus Stärken und Schwächen hat, die aber von den PatientInnen als
unwesentlich wahrgenommen werden. Zur Festlegung der Fragebogenstruktur gehört auch die
Festlegung der Antwortskala. Hier muß entschieden werden, wie viele Antwortkategorien
verwendet werden und ob man eine symmetrische oder eine asymmetrische Antwortskala
verwendet. Die Verwendung offener Fragen ist grundsätzlich empfehlenswert, obwohl das
zwangsläufig einen höheren Arbeitsaufwand bedeutet. Allerdings können dadurch wertvolle
Informationen gewonnen werden, die durch die Items (Fragen im Fragebogen) nicht oder nicht
vollständig erfaßt sind.
Im Schritt 4 werden die Projektparameter festgelegt. Soll die Befragung als
Inhouse-Befragung erfolgen, wobei wiederum entschieden werden muß, ob die Erhebung
stichtagsbezogen erfolgt oder ob die Fragebogenabgabe beispielsweise in das
Entlassungsprocedere aufgenommen wird, oder erhalten die PatientInnen den Fragebogen nach
ihrer Entlassung auf postalischen Weg. Für eine Zusendung der Fragebögen nach der
Entlassung spricht, daß die PatientInnen zu diesem Zeitpunkt in einem geringeren
Abhängigkeitsverhältnis stehen und daher die Antworten weniger im Sinne einer sozialen
Erwünschtheit ausfallen. Weiterhin muß der Umfang der Stichprobe und der
Befragungszeitraum festgelegt werden. Die Verantwortlichkeit für die Abwicklung des
Projekts müssen geklärt und die MitarbeiterInnen informiert werden. Unter Umständen, z.
B. wenn großer Widerstand erwartet wird, ist eine Einbeziehung der MitarbeiterInnen
bereits zu einem früheren Zeitpunkt sinnvoll.
In einem fünften Schritt sollte ein Pre-Test zur ersten Überprüfung des
Befragungsinstruments durchgeführt werden. Wird der Fragebogen vorab an einer kleinen
Stichprobe getestet, so lassen sich eventuelle unangenehme Überraschungen vermeiden. So
können z. B. unverständlich oder mißverständlich formulierte Items optimiert werden.
In einem sechsten Schritt erfolgt die eigentliche Durchführung der Befragung.
Es sollte
sichergestellt sein, daß die MitarbeiterInnen sorgfältig instruiert wurden, so daß die
Übergabe des Fragebogens in standardisierter Weise erfolgt und der Fragebogen nicht
selektiv an bestimmte PatientInnen verteilt wird.
Im Schritt 7 werden die Ergebnisse ausgewertet und interpretiert. Zur Auswertung
bietet sich die gängige Statistik-Software wie z. B. SPSS 8.0 an. Standardmäßig sollten
absolute und relative Häufigkeiten, Mittelwerte und andere gängige statistische
Kennwerte wie z. B. Korrelationen berechnet werden. In Abhängigkeit von der Fragestellung
und den Analysezielen werden die Auswertungsdetails festgelegt. So kann, je nach
Fragestellung, beispielsweise der Vergleich von PatientInnen, die privat versichert sind
mit PatientInnen, die gesetzlich versichert sind, von Bedeutung sein. Auch der Vergleich
der Stationen oder Abteilungen untereinander im Sinne eines internen Benchmarkings ergibt
meist wertvolle Informationen. Wurde der Fragebogen in mehreren Krankenhäusern
eingesetzt, so kann ein externes
Benchmarking aufschlußreich sein. Alle ermittelten Mittelwertsdifferenzen sollten
statistisch abgesichert werden, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Bei der
Interpretation der Ergebnisse sind grafische Darstellungen oft hilfreich. Neben den
verschiedenen Möglichkeiten zur Darstellung von Häufigkeiten (z. B. Balken-, Säulen-,
Tortendiagramm) bieten sich hier grafische Mittelwertsvergleiche an, die ein
Stärken-Schwächen-Profil des Krankenhauses als Ganzes bzw. einzelner
Stationen/Abteilungen abbilden oder Unterschiede zwischen Patientengruppen bzw. Stationen
oder Abteilungen sichtbar machen. Weiterhin werden die offenen Fragen ausgewertet,
gruppiert und mit den quantitativen Ergebnissen in Beziehung gesetzt. Die Verteilungen der
Antworten sollten im Hinblick auf eine Normalverteilung überprüft werden. Um eine hohe
Qualität der Befragungsaktion sicherzustellen und um das Instrument für weitere
Einsätze zu optimieren, sollte der Fragebogen hinsichtlich seiner Testgütekriterien
überprüft werden. Wenn das Skalenniveau es erlaubt, sollten Trennschärfekoeffizienten
und Reliabilitäten überprüft werden. Zur Validierung kann die Berechnung einer
Faktoren- und/oder einer Clusteranalyse eingesetzt werden.
Im achten Schritt werden die Ergebnisse kommuniziert. Kernstärken des
Krankenhauses, also Leistungen, die von den PatientInnen als gut und wichtig bewertet
werden, sollten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Kommunikation der
Ergebnisse nach innen kann als "indirektes Patienten-Feedback" betrachtet
werden. Auf diese Weise werden MitarbeiterInnen durch positive Bewertungen für bestimmte
Verhaltensweisen verstärkt. Durch die Bekanntgabe negativer Beurteilungen wird auf
Mitarbeiterseite der Weg zu einem konstruktiven Umgang mit den Ergebnissen gebahnt.
Außerdem wird das Personal auf die eventuelle Notwendigkeit von Interventionen
vorbereitet.
Im neunten und letzten Schritt werden auf der Grundlage der Ergebnisse und deren
Interpretation Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet sowie das weitere Vorgehen geplant.
Dabei sollten im Vorfeld sämtliche Maßnahmen sorgfältig im Hinblick auf Neben- und
Wechselwirkungen überprüft werden.
Werden diese Schritte sorgfältig und kompetent bearbeitet, so ist das Resultat ein
Erhebungsinstrument, das die Patientenzufriedenheit objektiv, zuverlässig und valide
erhebt und das dem individuellen Bedarf des Krankenhauses gerecht wird. Kein
vorgefertigtes Standardinstrument und -vorgehen kann diesen Bedarf abdecken. Es sollte
deutlich geworden sein, daß die Planung, Entwicklung, Durchführung und Nachbereitung
einer Patientenbefragung ein komplexer Prozeß ist, der einige Klippen in sich birgt.
Trotzdem sind Patientenbefragungen ein sehr brauchbares und effizientes Instrument zur
Qualitätssicherung wie auch zum Qualitätsmanagement. Daneben ist die Funktion der
Patientenbefragungen als Marketinginstrument nicht zu unterschätzen.
Literatur