Dokumentation: Qualitätssicherung in der MedizinBücher zum Thema aussuchenBücher zum Thema aussuchen

Die Veröffentlichung hier im Internet erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch den Verlag Eckardt, Berlin, der diese Texte auch als Supplement zu "Klinik & Forschung" herausgibt.. H. Eckardt Verlag, Großgörschenstr. 5, D-10827 Berlin, Germany.

Berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit beim Umfassenden Qualitätsmanagement im Krankenhaus (UQM) aus Sicht des Managements

HJ. Conrad, Marburg

Einleitung

Umfassendes Qualitätsmanagement im Krankenhaus, seit langem schon als Selbstverpflichtung angesehen, ist durch gesetzliche Forderungen aktuell geworden. Theoretiker und Praktiker aus Ärzteschaft, Pflegebereich und Management bzw. Verwaltung diskutieren intensiv dieses komplexe Thema. Punktuell gab und gibt es viele Ansätze zum Qualitätsmanagement im Krankenhaus, die vor Ort mit unterschiedlicher Intensität und Nachhaltigkeit praktiziert werden.

Ziele, Methoden und Instrumente des Qualitätsmanagements im Krankenhaus müssen im Kontext stehen zu den Qualitätskriterien für das Behandlungsergebnis beim Patienten, denn hiernach haben sie sich letztendlich auszurichten.

Die nur schwer operationalisierbare Ergebnisqualität muß um Elemente der Prozeß- und Strukturqualität ergänzt werden. Dies erfordert aber nicht notwendigerweise die Beibehaltung dieser überkommenen Strukturierung qualitätsrelevanter Faktoren.

Im Klinikum Marburg haben wir uns berufsgruppenübergreifend seit 1993 sehr intensiv mit Qualitätsmanagement beschäftigt. Wir setzen auf sogenannte Schlüsselaspekte für die Realisierung einer möglichst hohen Behandlungsqualität, die in sogenannte Unterpunkte aufgegliedert werden. Das Zusammenwirken der verschiedenen Berufsgruppen, die Aufgabenverteilung auf einzelne Gruppen und die zentrale Bedeutung der sog. Konferenz für Qualitätsmanagement und Ergebnissicherung ist strukturell berücksichtigt [Vgl. 1]. Die ärztliche Qualitätssicherung behält trotz Integration ihren eigenen, zentralen Stellenwert.

QM-Strukturen und Inhalte

Ausgehend von der Erkenntnis, daß Qualitätsmanagement im Krankenhaus

  • kundenorientiert,
  • mitarbeiterorientiert,
  • mehr leistungsprozeß- als funktionsorientiert sein muß und
  • im Kontext zu einer langfristig angelegten Organisationsentwicklung stehen muß, was
  • auf einem Leitbild basiert,
  • durch Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern abgesichert sein muß und
  • zu operationalisieren ist,

wurden die Schlüsselaspekte berufsgruppenübergreifend erarbeitet.

Der internen Arbeitsgruppe gehören an:

- Abteilungsleiter Kardiologie

- Abteilungsleiter Allgemeinchirurgie
- Abteilungsleiter Medizinische Biometrie
- Pflegedirektorin
- Vertreterin des Personalrates
- Verwaltungsdirektor (Leiter Gruppe 1).

Sehr bald ergab sich für die Gruppenmitglieder die Forderung, aus Schlüsselaspekten und Kriterien zur Bewertung der Qualität der medizinischen Leistung u.a. eine rationale und vergleichende Qualitätsberichterstattung abzuleiten. Im einzelnen gilt folgendes:

  • Über die Schlüsselaspekte und die festgelegten Unterpunkte und ihre Entwicklung soll im jährlich zu erstellenden Qualitätsbericht für das Klinikum der PhilippsUniversität Marburg berichtet werden.
  • Die Bewertungskriterien sind zielbezogen zu wählen. Es können Kennzahlen sein oder die Ergebnisse werden über Umfragen bei Patienten, niedergelassenen Ärzten, Mitarbeitern etc. erhoben. Weitere Quellen sind Ergebnisse der ärztlichen Qualitätssicherung, u.a. Ergebnisse von Mortalitäts und Morbiditätskonferenzen sowie die Erstellung und Beachtung von Behandlungsleitlinien.
  • Der jeweilige quantitative Wert sollte eine Aussage beinhalten, die auch für zeitliche, SollIst- und externe Betriebsvergleiche geeignet ist. Veränderungen müssen eindeutig interpretierbar sein.
  • Im Krankenhaus selbst muß berufsgruppenübergreifend ein Gremium institutionalisiert werden, das aufgrund seiner Kompetenzen dafür sorgt, daß die Angaben möglichst vollständig, aussagekräftig, wahrheitsgetreu und aktuell sind und welches die Berichterstattung delegieren und einfordern kann. In unserem Haus geschieht dies durch die am 30. 3. 1995 etablierte "Konferenz für Qualitätsmanagement und Ergebnissicherung", der u.a. alle leitenden Abteilungsärzte/ innen, alle Oberschwerstern/pfleger sowie etliche Mitarbeiter/ innen aus sogenannten Schnittstellenbereichen angehören.
  • Aufgrund des jährlichen Qualitätsberichtes sind von dieser Konferenz in Abstimmung mit dem Klinikumsvorstand Prioritäten zu setzen, wo das Arbeitsergebnis gezielt zu verbessern ist.

Die nachfolgend aufgeführten Schlüsselaspekte sind nach der zwischenzeitlich von der Konferenz für Qualitätsmangement und Ergebnissicherung bestätigten Auffassung geeignet, über entsprechende Unterpunkte und operationale Bewertungskriterien eine Aussage zur Qualität der Leistung eines bestimmten Krankenhauses zu ermöglichen:

1) Leistungsangebot, Patientenorientierung, Servicequalität, Marketing, Kooperation mit anderen Leistungsanbietern, z.B. niedergelassene Ärzte

2) Verantwortung der Krankenhausleitung, Qualitätsziele und Qualitätsbeurteilung, strukturiertes Qualitätsmanagement, regelmäßige Berichterstattung

3) Verwirklichung der Ziele durch das Krankenhauspersonal, Ausbildung, Motivation, Mitarbeiterverpflichtung

4) Spezifikation der Leistungserbringung, Nutzung von Leitlinien mit med.wiss. Begründung, Ablauf- und Prozeßbeschreibung, Dokumentation, Handbücher etc. - ggf. Berücksichtigung der Vereinbarung über eine Rahmenempfehlung gemäß §137 i. Verb. m. §112 SGB V zur Sicherung der Qualität der Krankenhausleistungen bei Fallpauschalen und Sonderentgelten

5) Schnittstellen, Kommunikation mit Patienten, Serviceaspekte (Vgl. Abb. 1 in der gedruckten Textfassung)

6) Medizinisches Ergebnis unter Berücksichtigung des Risikoprofils, Leistungsbeurteilung durch Patienten

7) Mittelbereitstellung, Qualität der Beschaffung, Leistungsabrechnungsmodalitäten

  1. Aspekte von Effizienz und Qualität in den Bereichen Forschung und Lehre (ergänzend)

Selbstverständlich können die Unterpunkte erweitert, verändert und detailliert werden. Dies wird durch die Formulierung von Schlüsselaspekten sichergestellt und war mit ein Grund, auf die traditionelle Gliederung in Struktur, Prozeß- und Ergebnisqualität im Klinikum der PhilippsUniversität Marburg zu verzichten. Ein weiterer wesentlicher Grund hierfür war, daß diese tradierte Gliederung nicht auf die Ganzheitlichkeit bestimmter Prozesse abstellt und unverändert mit funktionalem Denken behaftet ist, wo doch Leistungsprozesse und nicht selten Teamarbeit mittlerweile im Vordergrund der Betrachtung stehen sollten. Hierin zeigt sich ebenfalls die große Bedeutung eines berufsgruppenübergreifenden QMKonzeptes.

Schwerpunkt Patientenorientierung

Die Qualitätsberichterstattung geht davon aus, daß Qualität gemessen werden kann. Nur so kann ein Qualitätsstatus bestimmt und können Vergleiche gezogen werden. Ferner steillt sich die Frage nach einem umfassenden Qualitätsmaß.

Die Mitglieder der Gruppe 1 haben im Konzept der Qualitätsberichterstattung für das Klinikum der PhilippsUniversität Marburg eine Punkteskalierung vorgesehen, um Einzelkriterien in Ausprägung und Veränderung (imZeitablauf) gleichnamig zu machen und Auswirkungen auf das Gesamtergebnis (Summe der Punkte) transparent zu machen.

Der Stellenwert von Patientenbefragungen hängt ab von der Wahrnehmung von Qualität. Während bei der Beurteilung von Produktqualität Vergleiche anhand von Bewertungskriterien noch relativ einfach sind, gestaltet sich dies bei Dienstleistungen deutlich schwieriger. Qualität ist relativ und sollte aus Sicht des jeweiligen Kunden betrachtet werden. Regelmäßige Befragungen der Patienten zeigen, wie sie mit den vielfältigen Leistungen im einzelnen zufrieden sind. Nicht nur subjektiv erfahrene Schwächen und Verbesserungsbedarf werden ersichtlich, sondern punktuell können auch objektive, wertvolle Hinweise auf Verbesserungsmöglichkeiten, etwa zur Organisation von Aufbau und Abläufen, erfolgen. In zwei stichprobenhaften Patientenumfragen etwa 14 Tage nach Entlassung haben wir daher 1995 die Zufriedenheit mit den beiden Komponenten Behandlungsleistung und Unterbringung erfragt. Die Ergebnisse beeinflußten maßgeblich die unter Schlüsselaspekt 5) zusammengefaßten Qualitätskriterien.

Schwerpunkt Multiprofessionalität

Die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit ist hinsichtlich der Leistungsprozeßsteuerung unverzichtbar.

Qualität muß Bestandteil jeder Leistung sein, so daß sich zwingend die Forderung nach berufsgruppenübergreifender Zusammenarbeit ergibt. Dies konkretisiert sich bei der Arbeit sogenannter Qualitätszirkel - projektbezogener, zeitlich begrenzter Gruppen, die zum Ziel haben, bestimmte (Teil)Arbeitsprozesse zu verbessern.

Idealerweise kommt der Anstoß von Betroffenen selbst, die einen Qualitätszirkel dann initiieren und die erstrebte Verbesserung realisieren. Abb. 2 beschreibt diesen Prozeß, der auch im Sinne des KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozeß) betrieben werden kann.

Unsere Erfahrungen zeigen, daß dieser idealtypische Ablauf nicht von selbst erreicht wird, daher sollte er durch sogenannte Moderatoren gestützt werden.

  Problemerkennung  
     
Evaluation   Problem

analyse

     
  Problemlösung  

Abbildung 2: QZ- Prozeß

Auch wird, soweit die Situation von dritter Seite (Patient, andere Abteilung) als unbefriedigend empfunden wird, die Initiative von unmittelbar nicht tangierten (verantwortlichen) Personen kommen müssen. Dies ist im Klinikum Marburg die sogenannte "Gruppe 2", die ebenfalls durch den Klinikumsvorstand und die Konferenz für Qualitätsmanagement und Ergebnissicherung legitimiert ist.

Hilfe bei Störungen

Entwicklungen zu einem bewußten Qualitätsmanagement sind langwieriger Natur, da sie unterschiedlichste Interessen berühren können und nicht selten ein grundsätzliches Umdenken (Patient und Kollegen als "Kunde") erfordern. Vielschichtig sind demgemäß auch Hemmnisse und Verzögerungen, auf die adäquat reagiert werden muß (siehe ""):

Managementstrukturen sind unterentwickelt

  • Prozeßcontrolling und angepaßtes Informationsmanagement (fort)entwickeln

Furcht vor Macht- und Kompetenzverlust und (um)verteilung:

  • kooperative Lösung fördern

Mitarbeiter sind skeptisch:

  • Glaubwürdigkeitsbeweise liefern

Zeitmangel:

  • (Mißverständnis!) QM ist integraler Teil der täglichen Arbeit und Zeitaufwand für Sitzungen und Weiterbildung amortisiert sich schnell, z. B. durch verringerte Fehlerrate

Mangelndes Engagement, Verweigerung:

  • Bedeutung von QM betonen, Rollen und Aufgaben klar formulieren
  • richtige Auswahl und Motivation der Mitglieder der QMLenkungsgruppen
  • baldigst erste Erfolge erreichen

Falsches Timing (den einen zu langsam, den anderen zu schnell):

  • Feinabstimmung

Literatur

[1] Vorstand des Klinikums der Philipps- Universität Marburg [Hrsg]: Qualitätsbericht 1995. (4/1996). Bezugsadresse: Verwaltung des Klinikums, Baldingerstraße, 35033 Marburg


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Autor:

Dr. Hans-Joachim Conrad, Verwaltungsdirektor, Klinikum der Phillips- Universität Marburg


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