1302 Wer nicht mit der Zeit
geht, geht mit der Zeit...
Flucht vor der Arbeitslosigkeit - Müssen deutsche Ärzte ins Ausland?
Kurzinterview mit Dr. Frank Ulrich Montgomery
Red: Dr. Montgomery, Ärzte, die ins Ausland abwandern - könnte der Standort mit einem
der effizientesten Rettungs- und Krankenhaussysteme der Welt langfristig gefährdet
werden?
Dr.Montgomery: Wenn langfristig keine Änderung einhergeht, d.h. mehr Geld ins
Gesundheitssystem fließt und eine Lösung der Arbeitsmarktsituation nicht erfolgt, und
ich meine damit einen Zeitraum bis zum Jahr 2005, müssen wir damit rechnen, daß das
Überangebot an Ärzten in Deutschland konstant bleibt. Dabei muß man von einer
Größenordnung von 50.000 Ärztinnen und Ärzte ausgehen - überwiegend sind Ärztinnen
von der Arbeitslosigkeit betroffen, und entgegen der allgemeinen Arbeitslosenstatistiken ,
in der Personen ab 40 Jahre als schwieriger vermittelbar gelten, sind viele Ärzte ohne
Job unter 35 Jahre.
Eine Standortgefährdung in Deutschland im Gesundheitswesen mit Blick ins nächste
Jahrtausend befürchte ich trotz der Mangelverwaltung nicht - wir behalten eines der
effizientesten Krankenhauswesen der Welt - nirgendwo sonst werden stationäre Leistungen
so preisgünstig, effektiv und qualitativ hochwertig erbracht.
Red: Krankenhaus-Notopfer, Kostentreiber Nr.1 - die Diskussion um die Situation der
Krankenhäuser in Deutschland geht zulasten der Neueinstellungen, zahlreiche
Arbeitsplätze gehen verloren. Würden Sie Ärztinnen und Ärzte infolge der schwierigen
Arbeitsplatzsituation empfehlen, sich um einen Arbeitsplatz im entfernten Ausland zu
bemühen?
Dr.Montgomery: Ja, natürlich. Eine Auslandstätigkeit empfehle ich ausdrücklich, zum
einen, da hiermit eine Entlastung des Arbeitsmarktes in Deutschland ermöglicht wird, zum
anderen aber auch aus sozial-moral-kultureller Sicht: Nicht nur das Ärztinnen und Ärzte
im Ausland im medizinisch-technischen Bereich genauso viel lernen können, sondern auch um
andere Systeme gegenüber dem deutschen kennenzulernen und besser einschätzen zu können.
Im übrigen bezeichne ich unsere Krankenhäuser nicht als Kostentreiber, sondern als
Leistungsträger Nr.1. Dennoch muß hierzulande eine Vergreisung in den Krankenhäusern
beürchtet werden, da die augenblickliche Politik des Gesundheitsstrukturgesetzes
langfristige Arbeitsverträge gegenüber der nachrückenden Ärztegeneration behindert -
frei werdende Stellen werden nur kurzfristig besetzt.
Red: Oftmals entstehen Lücken bedingt durch die Suche nach Weiterbildungsplätzen,
z.B. aus der AiP-Zeit. Müssen Ärztinnen und Ärzte ihre Weiterbildung künftig im
Ausland absolvieren?
Dr.Montgomery: Leider verlieren die Krankenhäuser beispielweise im Zuge der
Privatisierung aus Kostengründen das Interesse an der Weiterbildung. Die Folgen sind
gravierend: Nach sechsjähriger Arbeitslosigkeit geht die Perspektive abhanden, und die
Qualifikation ist nach so einem langen Zeitraum nicht mehr gewährleistet.
Davon abgesehen empfehle ich aber grundsätzlich Chancen im Ausland zu ergreifen, und
das nicht nur in den USA, sondern auch in Skandinavien, Südafrika oder Großbritannien:
Die Flut der Bewerbungen empfinde ich als ziemlich homogen, hier vermisse ich die
Eyecatcher - ein PJ beispielsweise in Soweto beweist Flexibilität. Übrigens sind zur
Zeit Headhunter-Organisationen unterwegs auf Bewerbungstour für medizinisches Personal in
Norwegen.
Diesbezüglich finden auch ständige Foren statt; sehr wichtig ist die gegenseitige
100%ige Anerkennung von Weiterbildungsmaßnahmen. Das Problem sind hier andere
Fächerbelegungen im Ausland. Ein Beispiel: Während die Behandlung der Brustdrüsen in
Deutschland der Gynäkologen obliegt, fällt in Norwegen diese Aufgabe in die Domäne der
Chirurgen.
Red: Dr.Montgomery, wir danken für die freundliche Auskunft.
Arbeitslosigkeit unter Ärztinnen und Ärzte ist in den letzten Jahren zu einem ernsten
Problem geworden: Nach Schätzungen sind neben den rund 9.000 offiziell arbeitslos
gemeldeten derzeit weitere 3.000 bis 6.000 Ärzte arbeitslos gemeldet bzw. arbeitssuchend,
darunter zahlreiche Ärztinnen.
Der Marburger Bund hat deshalb beschlossen, als flankierende Maßnahme zu seinen
berufs- und tarifploitischen Aktivitäten im Kampf um zusätzliche Stellen eine Stiftung
zu gründen. Durch gezielte Informationsvermittlung und ausgewählte
Qualifikationsmaßnahmen will die Marburger-Bund-Stiftung Arbeitslosogkeit nach
Möglcihkeit verhindern bzw. bei bereits eingetretener Arbeitslosigkeit deren Dauer
verkürzen. Dazu ist es erfoderlich, den Betroffenen zu ermöglichen, sowohl die
medizinische Qualifikation zu verbessern, als auch um nicht-medizinische
Zusatzqualifikationen zu erwerben (z.B. Rhetorik, Bewerbertraining, Sprachen, Management
u.ä.)
Text: Andreas Frädrich, Redaktionsdienst
www.gesundheit-online.de
Weitere Informationen zum Marburger Bund:
http://www.MEDI-NETZ.com/Marburger-Bund
Tel. 0049-221-973168-0
Fax 0049-221-973167-8
Datenbank mit Adressenbank zu deutschen Personalberatern und Headhuntern sowie
Jobangebote:
http://www.consultants.de
Stellenangebote rund um Medizin und Gesundheit; mit Online-Bewerbungssystem:
/html/jobborse/html
Fortbildung zum Arzt im Urlaub
/html/redaktionsdienst/html/4304.html
Bild 1302a: Dr. Montgomery ist 1.Vorsitzender des Marburger Bunds sowie Präsident der
Landesärztekammer Hamburg (Foto: Marburger Bund) |