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"Koma -
Zwischen Leben und Tod"
Fernsehreportage vom 27.05.1998 20.45 Uhr, MDR
Ein Film von Sigrid Smolka und Wolfgang Mertin
Die 18jährige Nancy und der 19jährige Robert aus Sachsen-Anhalt sind ein Liebespaar. 2
Wochen vor Roberts tragischem Unfall verlobten sie sich. Sie kennt ihn sehr viel länger
als hilflosen jungen Mann im Wachkoma, als den sportlichen Typ, der beim Bundesgrenzschutz
in einer Ausbildungseinheit war, in seiner Freizeit im Fußballtor seines Heimatclubs
Bergzow stand und seine Prüfung als Rettungsschwimmer gemacht hatte. Am 30.06.1997 begann
eine neue Zeitrechnung, für beide, für Roberts Eltern und Bruder Andre!
Auf dem Rückweg von zu Hause in die Kaserne verlor er bei regennasser Straße die
Kontrolle über sein Auto, als er einem Reh ausweichen wollte. Er fuhr gegen einen Baum.
Seine Mitfahrer kamen mit einigen Beulen und Prellungen davon, er versank im Dunklen,
entrann dem Tod durch beeindruckende medizinische Hilfe im Klinikum Fulda. Ein
Hubschrauber brachte ihn am 31.Juli 97 in die Klinik Bavaria für Kinder, Jugendliche und
junge Erwachsene in Zscheckwitz/Kreischa, bei Dresden, ein neuerbautes
Reahbilitationszentrum in malerischer Landschaft zwischen sanften Weinbergen, Wiesen,
Obstplantagen. Seitdem liegt er im Wach-Koma.
Man weiß, Frührehabilitation nach einem traumatischen Unfallereignis, ist die einzige
Chance, den Aufwachprozeß beim Wachkomapatienten durch eine Vielfalt therapeutischer
Maßnahmen zu stimulieren. Der Zuschauer fühlt mit, wenn die Physiotherapeuten den 1,86
Meter großen Robert auf die eigenen Beine stellen: Es ist gut für die Wachheit, die
Knochen, die Psyche...
Wenn er im Bewegungsbad seinen Körper entspannen kann und die Eigenbewegung der Füße
wieder ein kleiner Fortschritt ist, wenn er beginnt, Joghurt zu schlucken. Hat er
gelächelt? Das Team der Therapeuten ist jung, kaum älter als 30 Jahre, aber sie tun
alles um Roberts Selbstheilungskräfte vielfältig zu unterstützen, die
Erholungsvorgänge im Gehirn. Bisher ist nichts Spektakuläres in seiner
Genesungsentwicklung passiert. Er macht kleine Fortschritte, dann wieder stagniert alles.
Er ist kein Beispiel für ein Wunder.
Der Film zeigt den mühevollen Kampf, Kampf um Roberts völliges Wiedererwachen. Es ist
auch sein Kampf, sagen die Eltern von Robert. Er ist Landwirt, sie die Sekretärin bei
einem Landtagsabgeordneten. Immer ist einer von ihnen in Kreischa, bei Robert. Daß sie
sich alles so einteilen konnten, haben sie Kollegen, Freunden, Nachbarn zu verdanken.
Viel Hilfe hat ihnen der Bundesgrenzschutz geleistet. Roberts Fortschritte sind klein,
aber der Einsatz der rzte und Therapeuten, die Zuwendung der Familie sind
riesengroß. Roberts Mutter ist eine bewundernswerte Frau. Sie geht mit ihm um wie mit
einem stummen Kämpfer, dem sie die Botschaft vermittelt: "Halte durch, wir sind für
Dich da, wir machen Dir die Angebote, die Dir Brücken zurück ins normale Leben bauen,
bewege Dich darauf zu!"
Die Reportage macht Mut und weckt Hoffnungen: Die Schwachen sind nicht aufgegeben, ihrem
Schicksal überlassen, menschliche Wertmaßstäbe sind der Souverän, jedenfalls im Falle
Robert Bauer. Die Familie Bauer motiviert mitunter auch die Therapeuten.
Medizinsche Untersuchungen haben gezeigt, daß Robert sehen und hören kann. Diese
Funktionen sind voll erhalten geblieben, aber trotzdem gelingt es ihm nicht, diese Bilder
und Wahrnehmungen zu einem Bild zusammenzufügen. Alle Eindrücke bleiben für ihn wie in
einem _______________________________________________________________________
MDR-Reporter: Woher nehmen Sie die Gewißheit, daß er das wirklich alles wahrnimmt um
sich herum?
Roberts Mutter: "Wer nichts versteht, weint nicht, aber er kämpft mit uns, weil er
weiß, wir haben ihn zu keiner Zeit im Stich gelassen. So läßt er uns auch nicht im
Stich!"
Nancy, die Verlobte: "Man ist ein anderer Mensch geworden und denkt nach ..."
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Puzzle, vorerst zusammenhangslos. Nur er könnte sie zusammenführen, wenn unverletzte
Nervenzellen im Gehirn die Funktionen geschädigter Areale übernehmen könnten. Diese
Zusammenarbeit der Gehirnzellen erklärt auch Wunder, die bei Wachkomapatienten passieren
können, wenn sie nach Jahren wieder sich zurück melden im Leben ...
Die Reportage ermöglicht den Zuschauern einen Blick in die oft noch so rätselvollen
Vorgänge im Gehirn, in Roberts Gehirn. Kameraleute begleiten die Mediziner an die
Hightech-Meßstellen, wo die Hirnströme entschlüsselt werden.
Nichts wird mehr im Leben der Familie Bauer wie früher sein. Vielleicht ist noch nicht
einmal die Entscheidung gefallen für¥s berleben. Das Wunder sind die Menschen um
Robert...
Text: S.Smolka/ Medienstudio Tandem Berlin
Bild: MDR/ Medienstudio Tandem Berlin
Info: Die Fernsehreportage ist auch als Video erhältlich. Weitere Informationen beim
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