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Alzheimer und Demenz
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Memantine und Glutamat
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Memantine schützt die Nervenzelle vor der Zerstörung.
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Memantine ist der einzige Wirkstoff, der für die Behandlung von moderater
bis schwerer Alzheimer-Krankheit zugelassen ist. In klinischen Studien mit Memantine
konnten folgende Wirkungen aufgezeigt werden:
- Signifikante Verbesserung der Kognition im Vergleich zu Placebo
- Längerer Erhalt der Alltagskompetenz
- Reduzierte Pflegezeiten
- Sehr gute Verträglichkeit
Der Wirkstoff fördert und verbessert die Funktion der Nervenzellen. Gleichzeitig
schützt er die Zelle vor der Zerstörung. Diese Schutzwirkung wird auch mit dem Wort
"Neuroprotektion" beschrieben. Wie das genau funktioniert, wird nachfolgend
dargestellt.
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70 Prozent der erregenden Signale brauchen Glutamat.
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Memantine ist ein Antagonist (Gegenspieler) des NMDA-Rezeptors. Um den
Wirkmechanismus von Memantine zu verstehen ist es sinnvoll, die normale Übertragung von
Nervensignalen über den NMDA-Rezeptor ausführlicher anzusehen. Der NMDA-Rezeptor
(N-Methyl-D-Aspartat) wird über den Neurotransmitter Glutamat erregt. Etwa 70 Prozent der
erregenden Neurotransmitterprozesse finden unter Beteiligung von Glutamat statt.
Unverzichtbar ist Glutamat bei der Vermittlung von Sinneswahrnehmungen, an der Ausführung
von Bewegungen und an höheren Gehirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnis. |
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Die nachfolgende Darstellung ist vereinfacht und in mehrere Schritte
untergliedert um zu verdeutlichen, welche Unterschiede zwischen der Situation bei Gesunden
und bei Alzheimer-Kranken bestehen. Danach wird die Veränderung, die mit Hilfe von
Memantine herbeigeführt werden, deutlicher. |
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1. Ruhezustand beim Gesunden Im Ruhezustand, wenn keine
Aktionspotentiale (Signale) die Nervenzelle durchlaufen, befindet sich die Nervenzelle
sozusagen in Bereitschaft. Im Inneren der postsynaptischen (nachgeschalteten) Nervenzelle
befinden sich nur wenige Kalzium-Ionen (Ca2+). Das Grundrauschen, das eine
"Schwelle" für ankommende Signale bildet, ist nur gering ausgeprägt. Der
Rezeptor für Glutamat, der NMDA-Rezeptor, ist blockiert durch Magnesium-Ionen (Mg2+).
2. Aktionszustand beim Gesunden
Wird jetzt, z. B. durch eine Sinneswahrnehmung oder einen Gedächtnisprozess ein
Aktionspotential durch die präsynaptische Nervenzelle gelenkt, schüttet diese am
präsynaptischen Ende der ersten Nervenzelle den Neurotransmitter Glutamat aus. Glutamat
verdrängt das Magnesium aus dem Rezeptorkanal der zweiten Nervenzelle und öffnet diesen.
Dadurch fließen vermehrt Kalzium-Ionen in die postsynaptische Nervenzelle ein. Das Signal
wird wahrgenommen, wenn es eine Stärke erreicht, die das Grundrauschen überschreitet.
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3. Funktion beim Alzheimer-Kranken
Bei Menschen mit Alzheimer ist die Freisetzung und die Aufnahme von Glutamat gestört.
Dadurch befindet sich auch im "Ruhezustand" immer eine geringe Menge Glutamat im
synaptischen Spalt, obwohl kein Lernsignal eingetroffen ist. Eine stundenlang andauernde
leichte Erhöhung von Glutamat im synaptischen Spalt führt dazu, dass die Blockade des
NMDA-Rezeptors durch Magnesium aufgehoben wird. Dadurch kommt es zu einem dauerhaften
leichten Einstrom von Kalzium-Ionen in die postsynaptische Nervenfaser. Das führt zu
einer krankhaften Erhöhung des Kalzium-Vorkommens in der Nervenzelle. Das Grundrauschen
ist erhöht und die Schwelle für einlaufende Lernsignale sehr viel schwieriger zu
überwinden. Normale Signale gehen im erhöhten Grundrauschen unter und es findet keine
Signalwahrnehmung statt. Sinneswahrnehmungen, Lern- und Gedächtnisleistungen kommen so
nicht zustande, weil der Reiz unterschwellig bleibt.
Aber nicht nur ein Neulernen wird verhindert. In der Nervenzelle selbst kommt es durch
die dauerhaft erhöhte Konzentration von Kalzium-Ionen zu verschiedenen Veränderungen.
Zum Beispiel bilden sich u.a. vermehrt freie Radikale, Bestandteile des Zellkerns
verändern sich und in der DNS kommt es zu Brüchen. Diese Prozesse führen auf Dauer zu
einem Funktionsverlust und schließlich zum Absterben der Nervenzelle. Die durch Glutamat
vermittelte Zerstörung von Nervenzellen wird mit dem Fachbegriff
"Exzitotoxizität" beschrieben. Durch die Exzitotoxizität gehen vermehrt
Nervenzellen unter. Es kommt zu einem Verlust von Erinnerungen und Informationen, die das
Krankheitsbild Alzheimer ausmachen.
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4. Funktion unter Memantine beim Alzheimer-Kranken Memantine hat die
Fähigkeit, den NMDA-Rezeptorkanal zu blockieren, genau wie das natürliche Magnesium bei
gesunden Menschen. Aber Memantine blockiert den Rezeptor auch bei der permanenten
Anwesenheit von Glutamat im synaptischen Spalt und schützt die postsynaptische
Nervenzelle so vor dem andauernden krankhaften Einstrom von Kalzium-Ionen. Dadurch
normalisiert sich das Grundrauschen in der Nervenzelle. Gleichzeitig wird die Nervenzelle
vor der oben beschriebenen Exzitotoxizität geschützt.
Wird nun die Nervenzelle aktiviert, z. B. während eines Lern- oder
Gedächtnisvorgangs, so erhöht sich kurzfristig die Glutamat-Freisetzung. Das führt,
genau wie beim Gesunden, zu einer Freigabe des NMDA-Rezeptors und es können Kalzium-Ionen
in die postsynaptische Zelle einströmen. Da das Grundrauschen durch Memantine gesenkt
wurde, ist das Lernsignal wieder überschwellig. Es kann wieder erkannt und weiter
geleitet werden.
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Memantine kann einen erheblichen Nutzen sogar noch bei schwerer
Alzheimer-Demenz mit sich bringen. Eine Heilung der Erkrankung aber ist auch mit Memantine
nicht möglich. |
Memantine ist gut verträglich.
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Memantine ist in der Regel gut verträglich. Nicht angewandt werden sollte
der Wirkstoff bei einer Überempfindlichkeit gegenüber Memantin, bei schweren
Nierenfunktionsstörungen, Epilepsie und bei Kindern und Jugendlichen unter 18. Jahren. Es
gibt auch noch andere Medikamente, die als NMDA-Antagonisten wirken. Diese sollten nicht
gleichzeitig mit Memantine eingenommen werden. Weil es keine Erfahrungen und keine
klinischen Untersuchungen zu einer Behandlung mit Memantine während der Schwangerschaft
und Stillzeit gibt, sollten Schwangerer und stillende Mütter Memantine nicht einnehmen. |
Nebenwirkungen treten meistens nur schwach auf.
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Nebenwirkungen treten zwar selten auf, es kann aber in schwacher bis
mittelschwer ausgeprägter Form dennoch zu Nebenwirkungen kommen. Getestet wird das, indem
man Betroffene mit dem Medikament behandelt und einer zweiten Gruppe ein Scheinmedikament
(Placebo) ohne Wirkstoff verabreicht. Die Ergebnisse waren wie folgt:
- Halluzinationen: 2 Prozent unter Memantine - 0,7 Prozent unter Placebo
- Verwirrtheit: 1,3 Prozent unter Memantine - 0,3 Prozent unter Placebo
- Schwindel: 1,7 Prozent unter Memantine - 1,0 Prozent unter Placebo
- Kopfschmerzen: 1,7 Prozent unter Memantine - 1,4 Prozent unter Placebo
- Müdigkeit: 1,0 Prozent unter Memantine - 0,3 Prozent unter Placebo
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Dosierungsempfehlungen:
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Memantine gibt es in Form von Tabletten oder als Tropfen. Eine Tablette
oder 20 Tropfen enthalten 10 mg des Wirkstoffs. Die empfohlene Dosierung beträgt 20 mg
pro Tag (2X1 Tablette oder 2X20 Tropfen). Um evtl. Nebenwirkungen so gering wie möglich
zu halten, sollte diese Dosis langsam und schrittweise erreicht werden.
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