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Funktionelle Stimmstörungen
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Inhaltsübersicht:
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Ursachen
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Stimmstörung ohne organische Veränderungen
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Unter funktionellen Stimmstörungen versteht man solche Stimmstörungen,
die mit Stimmveränderungen ohne organische Veränderungen am Kehlkopf
verbunden sind. Dabei kann es sich um Störungen des Stimmklangs wie Heiserkeit
und/oder Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Stimme handeln, aber
auch Missempfindungen in Bezug auf die Stimme gehören dazu.
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Einteilung
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Funktionelle Stimmstörungen werden folgendermaßen eingeteilt:
- hyperfunktionelle Stimmstörungen mit einem "Zuviel" an Spannung in
der Stimmmuskulatur
- hypofunktionelle Stimmstörungen mit einem "Zuwenig" an Spannung in
der Stimmmuskulatur
- gemischte Stimmstörungen mit Überlappung der Beschwerden einer
hyperfunktionellen und einer hypofunktionellen Stimmstörung
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Häufigkeit
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Funktionelle Stimmstörungen treten bei jüngeren Erwachsenen mit einer
Häufigkeit von 7–25 Prozent auf, wobei insbesondere Frauen betroffen sind.
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Die Ursachen vor Stimmstörungen können sehr vielfältig sein
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Ursächlich ist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Infrage kommen:
- anlagebedingte Faktoren: Muskelspannung,
Schleimhautbeschaffenheit, anatomische Gegebenheiten derjenigen
Strukturen, die für die Stimmgebung benötigt werden
- ungünstiges Verhältnis zwischen der individuellen stimmlichen
Leistungsfähigkeit und den Anforderungen an die Stimme
- nachlassende Leistungsfähigkeit der Stimme mit höherem Alter
- ungünstige Sprechtechnik, häufig bei Personen in stimmlastigen
Berufen wie Sprecher, Sänger oder Lehrer
- Überanstrengung der Stimme, beispielsweise Sprechen bei großen Lärm,
häufiges zu lautes Sprechen (beispielsweise beim Umgang mit
Schwerhörigen oder auch bei eigener Schwerhörigkeit, um den Klang der
eigenen Stimme besser wahrzunehmen), Tätigkeit als Marktschreier,
Aufenthalt in einem Kulturkreis, in dem gewohnheitsmäßig laut gesprochen
wird
- häufige Beanspruchung der Stimme in der Freizeit, beispielsweise
durch Singen in einem Chor
- seelische Einflüsse: Verspannungen der Stimmmuskeln bei Stress oder
bei psychiatrischen Erkrankungen wie beispielsweise
Depressionen,
psychische Erschöpfungszustände, Lebenskonflikte
- körperliche Faktoren: starker Gewichtsverlust, Beeinträchtigung des
allgemeinen Gesundheitszustandes oder Auszehrung bei schweren
Grunderkrankungen wie beispielsweise Tumorleiden, hormonelle
Umstellungen (unter anderem Schwangerschaft und
Wechseljahre), Erkrankungen der Atemwege
- unnatürlicher Lebensrhythmus, beispielsweise mit nächtlicher Arbeit
- Einwirkung von Schadstoffen wie Alkohol oder Zigarettenrauch
- ungünstiges Klima, beispielsweise ausgeprägte Trockenheit
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Beschwerden
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Schmerzen, Kloßgefühl, Räusperzwang und vieles mehr
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Funktionelle Stimmstörungen machen sich im Einzelnen durch folgende
Beschwerden bemerkbar:
- rasche Stimmermüdung, unter Umständen bis zur Stimmlosigkeit
- verstärktes körperliches Empfinden des Kehlkopfes
- Schmerzen im Kehlkopfbereich nach längerem Sprechen
- Kitzeln im Kehlkopfbereich mit Hustenreiz
- Zwang zu häufigem Räuspern
- Kloßgefühl beim Schlucken
- Veränderungen des Klanges der Stimme
- plötzliches Versagen der Stimme ohne vorangegangene Beschwerden
(meist aufgrund einer seelischen Ursache)
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Hyperfunktionelle Beschwerden
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Eine hyperfunktionelle Stimmstörung äußert sich insbesondere durch eine
heisere, raue und gepresste Stimme sowie einen harten Stimmeinsatz,
Räusperzwang, Fremdkörpergefühl im Halsbereich und Stimmermüdung.
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Hypofunktionelle Beschwerden
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Bei einer hypofunktionellen Stimmstörung stehen dagegen eher eine matte, verhauchte,
klangarme und heisere Stimme sowie rasche Stimmermüdung und Halsschmerzen im
Vordergrund. Räusperzwang und ein Fremdkörpergefühl im Halsbereich können
bei hypofunktionellen Stimmstörungen allerdings ebenfalls auftreten.
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Diagnostik
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Beim Gespräch achtet der Arzt auch auf die Stimme des Patienten
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Der erste Schritt der Diagnostik zur Abklärung funktioneller
Stimmstörungen besteht in einer sorgfältigen Erhebung der Krankengeschichte.
Dabei wird auch auf die Lebensumstände des Patienten eingegangen, da diese
die Entwicklung funktioneller Stimmstörungen begünstigen können. Während
dieses Gesprächs achtet der Arzt bereits genau auf die Stimme des Patienten.
Bei hyperfunktionellen Stimmstörungen fallen beispielsweise eine erhöhte
Stimmlage und im Anfangsstadium der Erkrankung eine gesteigerte Lautstärke
auf. Der Stimmklang kann heiser, belegt, rau, knarrend oder gepresst sein.
Zudem hat der Patient unter Umständen Schwierigkeiten, einen Ton über
längere Zeit zu halten. Bei hypofunktionellen Stimmstörungen erscheint die
Stimme heiser, behaucht oder klangarm und ist meist leise. Zudem ist die
Stimme kaum belastbar und brüchig, und der Patient hat Schwierigkeiten, laut
zu rufen sowie Töne über einen längeren Zeitraum zu halten. Zu Beginn
hypofunktioneller Stimmstörungen lässt die Heiserkeit mit zunehmender
Lautstärke üblicherweise nach.
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Körperliche Untersuchung
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Bei der körperlichen Untersuchung achtet der Arzt unter anderem auf den
Spannungszustand der Halsmuskulatur und eine eventuelle spannungsbedingte
Blutstauung in den Venen des Halses. Zudem werden Auswirkungen bestehender
Grunderkrankungen erfasst, beispielsweise Auszehrung und allgemeine Schwäche
bei schweren Herz-, Lungen- oder Tumorkrankheiten. Außerdem finden das
Atemmuster und der Befund beim Abhorchen der Lunge Beachtung.
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Kehlkopfspiegelung
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Bei einer Kehlkopfspiegelung wird unter anderem besonderes Augenmerk auf
den Spannungszustand der Kehlkopfmuskulatur gerichtet. Bei
hyperfunktionellen Stimmstörungen sind die Stimmlippen meist gespannt und
wirken walzenförmig. Im Gegensatz zu Personen ohne Stimmstörungen lässt sich
auf den Stimmlippen zudem ein schmaler, länglicher Lichtreflex erkennen.
Aufgrund einer Überanstrengung und einer damit einhergehenden
Durchblutungssteigerung können die Stimmlippen zudem gerötet sein. Weiterhin
ist bei hyperfunktionellen Stimmstörungen häufig zu beobachten, dass sich
die Stimmlippen einander nicht komplett annähern lassen. Dies ist bei
hypofunktionellen Stimmstörungen allerdings ebenfalls häufig der Fall. Bei
hypofunktionellen Stimmstörungen führt die nicht ausreichende Annäherung der
Stimmlippen beim Sprechen dazu, dass reichlich Ausatemluft an den
Stimmlippen vorbeiströmt, ohne dabei einen Ton zu erzeugen, sodass die
Ausatemluft quasi verschwendet wird.
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Stroboskopie
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Bei der Stroboskopie lassen sich bei funktionellen Stimmstörungen
symmetrische oder asymmetrische Schwingungen der Stimmlippen erkennen. Bei
hyperfunktionellen Störungen ist das Ausmaß der Stimmlippenschwingungen
eingeschränkt. Weiterhin lässt sich beobachten, dass die Schwingungen der
Stimmlippen bei einer Steigerung der Sprechlautstärke nur kurzfristig oder
gar nicht zunehmen, wie es bei Personen ohne Stimmstörungen der Fall ist.
Außerdem ist die Verschieblichkeit der Schleimhaut auf den Stimmlippen
eingeschränkt (s. Abschnitt "Entwicklung der Stimme"). Bei hypofunktionellen
Stimmstörungen kann diese Verschieblichkeit der Stimmlippenschleimhaut
allerdings normal sein, außerdem zeigen die Stimmlippen unter Umständen eine
ausgeprägte Schwingungsfähigkeit.
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Veränderungen der Stimmlippen
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Bei längerem Fehlgebrauch der Stimme können sich an den Stimmlippen
organische Folgeveränderungen einstellen, die bei der
Spiegelungsuntersuchung des Kehlkopfes gut zu erkennen sind. Dazu gehören:
- Rötung der Stimmlippenränder
- Verdickungen oder Knötchen
- Wassereinlagerungen (Ödeme) im Randbereich
- Bildung von Entzündungsknötchen (Granulome), wenn die Stimmlippen
häufig hart aneinander prallen
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Umwandlung einer hyper- in eine hypofunktionelle Stimmstörung
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Weiterhin ist es bei lange bestehender hyperfunktioneller Stimmstörung
möglich, dass sich diese in eine hypofunktionelle Stimmstörung umwandelt, und
umgekehrt. Bei hyperfunktioneller Stimmstörung tritt nach längerer Zeit eine
Ermüdung der Stimmmuskulatur auf. Dies hat eine Überhauchtheit der Stimme
und damit eine eher hypofunktionelle Stimmstörung zur Folge. Umgekehrt kann
ein Patient mit hypofunktioneller Stimmstörung bemüht sein, die
"Stimmschwäche" durch vermehrte Anstrengungen auszugleichen. Dies kann eine
hyperfunktionelle Stimmstörung zur Folge haben.
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Hörprüfung
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Sinnvoll ist zudem die Durchführung einer Hörprüfung, um eine eventuelle
Schwerhörigkeit festzustellen beziehungsweise auszuschließen. Diese könnte
eine Ursache dafür darstellen, dass ein Patient ständig zu laut spricht, da
er sich selbst beim Sprechen nicht gut hören kann.
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Kriterien für die Diagnose "Funktionelle Stimmstörung"
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Die Diagnose einer funktionellen Stimmstörung darf erst dann gestellt
werden, wenn sich bei der körperlichen Untersuchung und der
Spiegelungsuntersuchung des Kehlkopfes keine organischen Veränderungen
gezeigt haben, welche als Ursache für die bestehende Stimmstörung infrage
kommen. |
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Therapie
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Therapieziel ist die Beschwerdefreiheit
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Die Behandlung funktioneller Stimmstörungen hat das Ziel, dass der
Patient beschwerdefrei ist. Ein "optimaler Stimmklang" wird nicht
angestrebt. Wirken schädliche Einflüsse auf die Stimme des Patienten ein,
beispielsweise durch Rauchen oder regelmäßigen Alkoholkonsum, sind diese zu
beseitigen. Zudem sollte die Stimme für die Dauer von ungefähr drei Wochen
geschont werden, unter Umständen im Rahmen einer Krankschreibung bei
Personen mit stimmintensiven Berufen wie beispielsweise Lehrer. Außerdem
können unter logopädischer (stimmtherapeutischer) Anleitung Übungen zur
Stimmschulung erlernt werden. Beispielsweise ist mittels Durchführung
bestimmter Stimmübungen eine "Massage" der Stimmlippen möglich. Weiterhin
wird der Patient in der Regel darauf hingewiesen, Husten und Räuspern
weitestgehend zu unterlassen. Auch Flüstern ist zu vermeiden, da dies die
Stimme belastet.
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Operation bei organischen Folgeveränderungen
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Haben sich durch die funktionelle Stimmstörung bereits
Folgeveränderungen an den Stimmlippen ergeben, kann es im Einzelfall
sinnvoll sein, diese im
Rahmen einer Operation zu behandeln, beispielsweise durch Abtragung von
Stimmlippenknötchen mit sehr feinen chirurgischen Instrumenten. |
Hörgerät bei Hörstörungen
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Hat sich im Rahmen der Diagnostik eine Hörstörung offenbart, wird diese
ihrer Ursache entsprechend therapiert, beispielsweise durch Anpassung eines
Hörgeräts. |
Prognose
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Bei zeitigem Therapiebeginn relativ rasch nach Einsetzen der
funktionellen Stimmstörung besteht eine gute Prognose für eine Besserung der
Beschwerden.
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