Dokumentation: Qualitätssicherung in der MedizinBücher zum Thema aussuchenBücher zum Thema aussuchen

Die Veröffentlichung hier im Internet erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch den Verlag Eckardt, Berlin, der diese Texte auch als Supplement zu "Klinik & Forschung" herausgibt.. H. Eckardt Verlag, Großgörschenstr. 5, D-10827 Berlin, Germany.

Siehe auch den Artikel  "Qualitätszirkel"

Problemorientierte multiprofessionelle Qualitätszirkel

P. Swertz, Konstanz

1. Kooperations- und Kommunikationsprobleme im Krankenhaus

Krankenhäuser weisen unter sozialpsychologischen Aspekten eine ungewöhnlich komplexe Struktur auf, was zum einen die Heterogenität der Patientinnen und Patienten betrifft und zum anderen die Vielfalt und Komplexität der Gruppen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die zahlreichen, verschiedenen Berufsgruppen betrachten sich untereinander in ausgeprägtem Maß als Eigen- und Fremdgruppen, und bekanntlich tendiert das einzelne Gruppenmitglied dazu, in der eigenen Gruppe u.a. dadurch einen Prestigegewinn zu erzielen, daß die Fremdgruppe negativ dargestellt wird. So entstehen nicht nur Vorurteile zwischen den zahlreichen Mitarbeitergruppen im Krankenhaus, sondern auch Konflikte, die die erfolgreiche Behandlung und Versorgung der Patienten behindern.

Während Betriebe in anderen Dienstleistungsbranchen primär funktional strukturiert sind, überwiegen in der Krankenhausorganisation berufsständische Aspekte. Das zeigt auch an der gesetzlich vorgeschriebenen Zusammensetzung der Krankenhausleitung mit der Pflegedienstleitung, dem Ärztlichen Direktor und dem Verwaltungsleiter. Die stark ausgeprägte Hierarchie im Ärztlichen Dienst der Krankenhäuser stellt im Hinblick auf eine reibungslose Zusammenarbeit und umfassende Information und Kommunikation ein zusätzliches Problem dar. So haben Krankenhaussoziologen bei besonders kritischen Betrachtungen von einer geradezu kastenartigen Statushierarchie gesprochen. Um die so - sicher sehr kritisch - beleuchteten Kooperationsprobleme zwischen den verschiedenen Bereichen und Gruppen von Mitarbeiterinnen zu beherrschen, ist es u.a. erforderlich, Teamstrukturen und die Intensität der gegenseitigen Information weiterzuentwickeln. Ob die künftig zu erwartende, computergestützte Vernetzung für diese Probleme solche Vorteile mit sich bringt, daß die Krankenhausmitarbeiterinnen jederzeit auf alle für sie wichtigen Informationen zugreifen können, muß man zweifelnd fragen.

Verglichen mit dem Ausland gibt es in den deutschen Krankenhäusern relativ wenig interdisziplinäre und berufsgruppenübergreifende, fest eingerichtete und regelmäßig tagende Teams. Zwar werden zu einzelnen Bereichsbesprechungen bei Bedarf MitarbeiterInnnen aus anderen betroffenen Abteilungen bzw. Berufsgruppen hinzugezogen, aber für eine laufend abgesicherte Information und Kommunikation ist das unzureichend. Für die Lösung komplexer Organisationsprobleme, die fast immer mehrere Krankenhausbereiche und Berufsgruppen betreffen, empfehlen sich interdisziplinäre, berufsgruppenübergreifende Projektgruppen oder Qualitätszirkel.

2. Qualitätszirkel

Nach Deppe sind Qualitätszirkel

  • auf Dauer angelegte
  • Kleingruppen,
  • in denen Mitarbeiter einer hierarchischen Ebene
  • mit gemeinsamer Erfahrungsgrundlage
  • in regelmäßigen Abständen
  • auf freiwilliger Basis zusammenkommen, um Themen des eigenen Arbeitsbereiches zu analysieren, u. unter
  • Anleitung eines geschulten Moderators
  • mit Hilfe spezieller, erlernter Problemlösungs und Kreativitätstechniken
  • Lösungsvorschläge zu erarbeiten und zu präsentieren,
  • diese Vorschläge selbständig oder im Instanzenweg umzusetzen und
  • eine Ergebniskontrolle vorzunehmen, wobei die Gruppe als Bestandteil in den gesamten organisatorischen Rahmen eingebunden ist und zu den anderen Einheiten der Gesamtorganisation kommunikative Beziehungen unterhält.

Um im Krankenhaus bereichsübergreifende Koordinationsprobleme zu lösen, die sich von Zeit zu Zeit ergeben, sollten im Gegensatz zum ersten Punkt in dieser Definition Qualitätszirkel oder entsprechende Projektgruppen auch für begrenzte Zeit vorgesehen werden. Weiter müssen m. E. unbedingt verschiedene Hierarchieebenen in einen Qualitätszirkel eingebunden werden können. Mindestens insofern ist die Definition von Deppe für Krankenhäuser ergänzungsbedürftig.

Während pflegerische und medizinische Qualitätssicherung bisher ganz überwiegend auf den jeweiligen engeren Bereich bezogen ist - u.a weil die externen zentralisierten Qualitätsstudien mit Falldokumentationen und statistischer Auswertung überwiegend auf ausgewählte Tracer-Diagnosen bezogen sind - bekommen interdisziplinäre, berufsgruppenübergreifende Projektgruppen und Qualitätszirkel künftig eine größere Bedeutung. Dafür sind auch die vielfältigen Bemühungen um ein umfassendes Qualitätsmanagement von einiger Wichtigkeit.

Folgende Merkmale und Vorteile zeichnen u.a. berufsgruppenübergreifende, problemorientierte Qualitätszirkel aus:

  • Zielorientierung für gemeinsame Problemlösung
  • Kontextsensibilisierung (Verständnis für die anderen Bereiche und Gruppen)
  • Erfolgreiche Kooperation mit anderen Bereichen
  • Systematisierung des Alltagshandelns
  • Kreative Verbesserungsvorschläge durch Gruppendiskussion
  • Erfolgserlebnisse bei Realisierung guter Verbesserungsvorschläge

3. Zur Themenwahl im Qualitätszirkel

Es macht keinen Sinn und wäre für die Mitglieder eines Qualitätszirkels frustrierend, wenn sie mit nahezu unlösbaren oder sinnlosen Aufgaben befaßt werden. Insofern ist es wichtig, die Themen für problemorientierte Qualitätszirkel etwa nach den folgenden Kriterien festzulegen:

  • Relevanz für die tägliche Arbeit
  • Häufigkeit des Problems
  • Bisher unbefriedigende Problemlösung
  • Möglichkeit des Rückgriffs auf wissenschaftliche Erkenntnisse
  • Praktische Beeinflußbarkeit
  • Abgrenzbarkeit
  • Machbarkeit
  • Wirtschaftliche Bedeutung ([1], S. 78)

Haben niedergelassene Ärzte in Deutschland bereits eine erwähnenswerte Anzahl von Qualitätszirkeln eingerichtet, ist dies in den Krankenhäusern bisher seltener. Zwar gibt es für Rehabilitationskliniken interessante Ansätze sowie eine Reihe von Qualitätszirkeln in psychiatrischen Krankenhäusern, aber in den deutschen Allgemein-Krankenhäusern herrscht m. E. ein erheblicher Nachholbedarf.

Literatur

[1] Ottomar Bahrs, Ferdinand M. Gerlach, Joachim Szecsenyi: Ärztliche Qualitätszirkel
Taschenbuch (1996) Dt. Ärzte-Vlg., Köln
Buch dazu anzeigen

[2] Deppe Joachim: Quality Circle und Lernstatt. Ein integrativer Ansatz.
Taschenbuch / Erschienen 1992

Autor:

Prof. Dr. Paul Swertz, Universität Konstanz. Priv: Kapellenweg 41a, 88090 Immenstaad


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