Finanzierungsprobleme der GKV - Hausarztmodell als Reformoption 1.2 Besonderheiten der Analyse 2.1 Entwicklung der Einnahmen- und Ausgabensituation 2.2 Spezielle Problembereiche im deutschen Gesundheitssystem 3. Hausarztmodell als Reformmöglichkeit der GKV 3.1 Rechtliche Voraussetzungen für den Einsatz von Hausarztmodellen 3.2 Ziele von Hausarztmodellen 3.2.1 Kostenreduktion durch "gatekeeper"-Funktion 3.2.2 Verbesserung der Qualität im Gesundheitswesen 3.3 Hausarztmodelle und Einbindung in den Managed Care Gedanken 3.3.2 Hausarztmodell UNIMEDES / Schweiz 3.3.3 Beziehung von Hausarztmodellen zu Managed Care Konzepten 3.4 Voraussetzungen für Funktionsfähigkeit von Hausarztmodellen 3.4.1 Koordination und Kooperation der Beteiligten im Hausarztmodell 3.4.2 Information und Kommunikation 3.5 Analyse der Problembereiche 3.5.1 Verhältnis des Hausarztmodells zu gesundheitspolitischen Zielen 3.5.2 Bestehende Juristische Fragen 3.5.3 Einkommensumverteilungseffekte innerhalb bestimmter Arztgruppen 3.5.4 Kurzfristige vs. langfristige Kostenentwicklung in der GKV durch Hausarztmodelle 4. Kritische Würdigung und Perspektive der
Hausarztmodelle In der vorliegenden Arbeit wird das Versorgungssystem "Hausarztmodell" als
Lösungsansatz für die Reduzierung der Ausgaben der GKV vorgestellt und eine erste
ökonomische Analyse durchgeführt. Unter Punkt 2 wird die gegenwärtige Einnahmen- und Ausgabenentwicklung der GKV
skizziert sowie bestimmte und für die angestrebte Analyse notwendige Besonderheiten des
deutschen Gesundheitssystems erläutert. Im Punkt 3 der Arbeit werden zunächst die
rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz dieses neuen Versorgungsmodells dargestellt.
Im weiteren Verlauf werden die angestrebten Ziele des Hausarztmodells sowie die aktuelle
Ausgestaltung des "Hausarzt-Abo" in Hessen beschrieben. Um einen umfangreicheren
Blick über Perspektiven und weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten solcher Modelle zu
geben, wird das Hausarztmodell UNIMEDES aus der Schweiz in die Betrachtung und Analyse der
Lösungsfähigkeiten derartiger Systeme für eine Ausgabenreduzierung in der GKV
herangezogen. Abschließend werden in Punkt 3 die prinzipiellen Wirkungs- und
Erfolgsvoraussetzungen von Hausarztmodellen erläutert und auf bestehende und zukünftige
Problembereiche eingegangen. Eine Eingliederung in den Themenkreis Managed Care rundet die
Darstellung dieses Punktes ab. Unter Punkt 4 findet eine abschließende kritische
Würdigung der Hausarztmodelle statt. 1.2 Besonderheiten der Analyse Die Diskussion um Lösungsmöglichkeiten des Kostenproblems im Gesundheitssystem ist nicht aktuell. Schon im Jahre 1977 weist Hubert Metz darauf hin, daß die starken Kostensteigerungen zu einer Intensivierung der ökonomischen Analyse zwingen. Auch der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen weist wiederholt und seit Jahren auf die drohende Kostenproblematik hin und fordert im Sondergutachten 1995 die "Erprobung bzw. Förderung neuer Versorgungs- und Vergütungsformen, wie z.B. ...Hausarztmodelle". Eine Diskussion über Kosteneinsparungsmöglichkeiten findet im Gesundheitswesen unter
völlig anderen Rahmenbedingungen statt als in Unternehmen, die nach dem Prinzip der
Gewinnmaximierung und damit auch der Kostenminimierung arbeiten. Der gesundheitspolitische
Zielraum besitzt Vektoren, die einer Kostenoptimierung enge Grenzen und restriktive
Rahmenbedingungen setzen. Neben den umfassenden Gesundheitszielen sind die
gesundheitspolitischen Ziele operationalisierbar und stellen Indikatoren für den
Reformerfolg dar. Die Aufzählung dieser Ziele dient dem späteren Aufzeigen von
Spannungsfeldern bei der Analyse des Hausarztmodells. Der Sachverständigenrat für die
Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen nennt u.a. folgende Ziele:
Aus dieser kurzen Aufstellung der Ziele gehen schon die wesentlichen Gedanken hervor, die bei der Konzeption und Beurteilung von Hausarztmodellen Relevanz besitzen. Die Erreichung einer qualitativ hohen medizinischen Krankenversorgung dient auch der Kosteneinsparung, denn kurze Behandlungszeiten und richtige Behandlungsmethoden haben signifikante Kosteneffekte. Das Höchstmaß an Freiheit spielt bei der Analyse des Hausarztmodells eine große Rolle, da hier ein wesentlicher Wirkungsmechanismus ansetzt. Der Punkt der einzelwirtschaftlichen Effizienz macht auch die Veränderung gesundheitspolitischer Vorstellungen in den letzten Jahrzehnten deutlich. Ausgehend von den frühen Vorstellungen einer Makrosteuerung (Bsp. Globalbudgets für Leistungen und Arzneimittel) hat sich in den letzten Jahren ein Trend zum Mikromanagement durchgesetzt, welches i.w. am einzelwirtschaftlichen Kalkül der beteiligten Personen ansetzt (Bsp. Ärzte, Krankenhäuser). Verbunden mit dieser Mikrosteuerung in Form von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ist aber auch eine Verteilungsdiskussion zwischen den Akteuren im Gesundheitssystem aufgebrochen, denn Kosteneinsparung bedeutet im Umkehrschluß auch Kürzung von Umsätzen, Honoraren und Gewinnen. Diese Ausführungen verdeutlichen den brisanten Charakter einer ökonomischen Analyse
im Gesundheitssystem. 2.1 Entwicklung der Einnahmen- und Ausgabensituation Um die dramatische Entwicklung auf der Ausgabenseite der GKV zu verdeutlichen, mögen an dieser Stelle einige wenige Zahlen ausreichen. Die Leistungsausgaben pro Mitglied lagen im Jahre 1980 bei 2.432 DM, im Jahre 1996 erreichte dieser Quotient einen Wert von 4.801 DM. Auch bei einer Berücksichtigung der Inflationsrate ist dies eine deutliche und kritische Entwicklung nach oben. In den neuen Ländern gestaltet sich die Ausgabenentwicklung ähnlich dramatisch. Im Jahre 1991 wurden pro Mitglied 1.896 DM ausgegeben, im Jahre 1996 wurde der Stand von 3.939 DM erreicht. Als verschärfende Situation auf der Einnahmenseite kommt in den letzten Jahren noch die gestiegene Arbeitslosenquote hinzu (1990: 7,2 %, 1996:11,5 %). Damit entsteht von beiden Seiten ein Druck, Wirtschaftlichkeitsreserven
aufzudecken und Lösungskonzepte zu entwickeln. zum
Inhaltsverzeichnis 2.2 Spezielle Problembereiche im deutschen Gesundheitssystem Im folgenden werden diejenigen Problembereiche und Charakteristiken des deutschen Gesundheitssystem vorgestellt, die ein Hausarztsystem begünstigen oder erschweren. Das deutsche Gesundheitssystem hat seit 1955 eine klare Trennung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung. Die Hausarztmodelle in den unterschiedlichen Ausprägungen zielen scheinbar primär auf den ambulanten Bereich, haben aber auch die Funktion eines "gatekeepers" für den stationären Bereich. Somit stellt die organisatorische Trennung der beiden Bereiche eher ein Hemmnis für ein funktionierendes Hausarztsystem dar. Ein wirksames Mittel zur Kostenreduzierung ist Prävention und individuelle Gesundheitsberatung, denn eine Krankheit, die durch Vorsorge erst gar nicht entsteht, ist für die GKV und auch unter volkswirtschaftlichen Aspekten (Bsp. Arbeitsunfähigkeitstage) am "billigsten". In diesen Bereichen übernimmt der Hausarzt als erster und direkter Ansprechpartner eine tragende Rolle, so daß durch ein Hausarztmodell auch die Prävention (unter bestimmten anderen Rahmenbedingungen, Bsp. entsprechende Vergütungsstrukturen für behandelnde Ärzte) verstärkt werden kann. Kontraproduktiv erweist sich allerdings die Struktur des EBM (Einheitlichen Bewertungsmaßstab) in diesem Zusammenhang. Die Vergütungsstrukturen für Leistungen berücksichtigen momentan nicht angemessen zeitintensive Beratungs- und Koordinationsleistungen des Arztes, so daß Prävention nicht die wünschenswerte Priorität erhält bzw. Anreize geschaffen werden. Der Bereich Prävention ist auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden Alterung der Bevölkerung ein wichtiger Fokus. Im Bereich der chronischen Erkrankungen (Bsp. Diabetes mellitus, Hypertonie) ist ein Schwerpunkt bei den älteren Menschen festzustellen. Zusammen mit den Vorteilen einer rechtzeitigen Prävention bei dieser Versichertengruppe lassen sich Einsparpotentiale bei den chronischen Erkrankungen erreichen. Ein wichtiges Charakteristikum ist auch die Bedeutung des Hausarztes im
Gesundheitssystem. Rund 70 % der Gesamtausgaben der GKV werden von Hausärzten verursacht.
Neben den direkten Kosten für Hausärzte in Form der Leistungsvergütung sind auch die
indirekten Kosten zu berücksichtigen, die vom Hausarzt veranlaßt werden. Einweisungen in
Krankenhäuser, Verordnung von Heil- und Hilfsmittel sowie Krankschreibungen sind ein
Auszug aus den indirekten Kosten und zeigen damit die Bedeutung und auch
"Ausgabenmacht" des Hausarztes. 3. Hausarztmodell als Reformmöglichkeit der GKV 3.1 Rechtliche Voraussetzungen für den Einsatz von Hausarztmodellen
Die Erprobung von Modellen im Vertrags- und Leistungsbereich war lange nur sehr eingeschränkt bzw. gar nicht möglich. Erst die Neuordnungsgesetze der 3. Stufe der Gesundheitsreform lassen eine Erprobung von neuen Vertragsformen zu. Im folgenden werden nur die Passagen der Gesetze und Ausführungen wiedergegeben, die den relevanten Themenbereich "Neue Vertragsformen" betreffen. Andere Regelungen (Bsp. Arzthonorare, Krankenhausvergütung, Zahnersatz) werden an dieser Stelle nicht weiter vorgestellt. Die Krankenkassen und ihre Verbände sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen haben
jetzt die Möglichkeit, in folgenden Bereichen Modellversuche zu etablieren:
Die entsprechenden Verträge sollen mit den zuständigen Krankenhausträgern bzw. Kassenärztlichen Vereinigungen abgeschlossen werden und die Teilnahme für die Versicherten und Leistungserbringer ist in dieser Phase freiwillig. Es handelt sich zusammenfassend um gesetzliche Regelungen, die ein
"Experimentieren" an den Strukturen des Gesundheitssystems zulassen. Dauerhafte
Strukturveränderungen in Richtung eines effizienten Gesundheitssystems sind damit nicht
zwangsläufig impliziert. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber aus den Erfahrungen der
Modelle lernt und entsprechende Strukturreformen dann ergriffen werden. 3.2 Ziele von Hausarztmodellen 3.2.1 Kostenreduktion durch "gatekeeper"-Funktion Wie in der Einleitung erwähnt, ist das Hauptziel bei der Einführung von Hausarztmodellen die Einsparung von finanziellen Ressourcen durch den Hausarzt. Auf den medizinischen Kontext bezogen bedeutet dies eine effizientere und damit kostengünstigere Diagnostik und Therapie durch den Hausarzt. In Anlehnung an Hamm/Jessen/Nord/Pehlke und dem Sachverständigenrat für die
Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen können durch folgende Komponenten
Wirtschaftlichkeitsreseven mobilisiert werden:
Darüberhinaus soll auch durch eine Verbesserung der medizinischen Qualität Kosteneffekte realisiert werden. Hier ist v.a. die Reduzierung von medizinischen Maßnahmen anzusprechen, die unwirksam bzw. nicht indiziert sind. Bei einer geschätzten Quote (internationale Untersuchungen) von 30 % nicht notwendiger Gesundheitsleistungen werden die im Gesundheitssystem "versteckten" Wirtschaftlichkeitsreserven deutlich. Die Erwartungen bezüglich der Einsparungen richten sich an den
Hausarzt, weil für 41 % aller Deutschen der Hausarzt erster Ansprechpartner in
gesundheitlichen Fragen ist. Aus diesen Zahlen wird die Funktion des Hausarztes als
"gatekeeper" deutlich, wobei nicht die Einschränkung der Leistungen Ziel ist,
sondern die hohe qualitative Versorgung, die damit auch zu günstigeren Kosten im
Gesundheitswesen führt. 3.2.2 Verbesserung der Qualität im Gesundheitswesen Wie im letzten Punkt bereits angesprochen führt eine Verbesserung der medizinischen Qualität in aller Regel auch zu einer Kosteneinsparung. An einigen Punkten sei dieser Zusammenhang hier einmal exemplarisch verdeutlicht. Je kürzer die ambulanten und stationären Behandlungszeiten (aufgrund
treffender Anamnese, Diagnose und Therapieeinleitung), desto höher ist die empfundene
Qualität bei den Patienten und als "Kehrseite der Medaille" ergibt sich ein
günstiges Kostenbild in der GKV. Damit verknüpft ist auch eine optimierte Zusammenarbeit
zwischen dem Hausarzt und den evt. erforderlichen Facharztgruppen. Wenn die entsprechenden
Krankheitsbilder zielorientiert an die "zuständigen" Spezialisten überwiesen
werden, so können diese ihre Spezialisierungsvorteile ausspielen und übernehmen nicht -
wie bisher noch üblich - Tätigkeiten von Hausärzten. Eine entsprechende Konzentration
auf die Spezialisierung fördert hier die Qualität der medizinischen Versorgung und
Kosteneinsparung. Damit ist auch eng ein verbesserte Ressourcenauslastung bei den
Fachärzten verknüpft. Der Aspekt der Kostenreduzierung ist hier in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Zum einen werden die Kosten für die GKV verringert, die zur direkten Krankheitsbehandlung notwendig sind, aber auch die indirekten Kosten einer Krankheit (u.a. Krankschreibungen) werden durch den Qualitätsaspekt positiv beeinflußt. Kürzere Fehlzeiten und Krankenstände führen darüberhinaus auch zu geringeren volkswirtschaftlichen Kosten. Die angestrebte Verbesserung der Qualität im Gesundheitswesen durch das Hausarztmodell ist aber nicht nur auf diesen medizinischen und direkt fachbezogenen Bereich bezogen. Im Kontext eines zunehmenden Wettbewerbs zwischen den einzelnen Krankenkassen ist hier von mehreren Qualitätsdimensionen auszugehen. Ulrich Okoniewski spricht in diesem Zusammenhang von Dienstleistungsqualität und Servicequalität. Hinter dem Begriff der Dienstleistungsqualität verbirgt sich ein modernes "case/care-management", mit dem dem Versicherten der Weg durch die unterschiedlichen Institutionen der Krankenkasse erleichtert werden soll. Als Maßnahmen sind hier v.a. umfassende Beratung und Information, Verständlichkeit, Schnelligkeit und Flexibilität zu nennen. Bei der Servicequalität spielt eine optimierte und einfachere Kommunikation mit der Krankenkasse und den entsprechenden Leistungserbringern die Hauptrolle. Beide Zieldimensionen sollen durch ein entsprechend gestaltetes Hausarztmodell realisiert werden. |
|
|