3.4 Voraussetzungen für Funktionsfähigkeit von Hausarztmodellen 3.4.1 Koordination und Kooperation der Beteiligten im
Hausarztmodell Um das Ziel des Hausarztmodells, signifikante Kostensenkungen zu erzielen, zu erreichen, ist eine umfassende Kooperation und Koordination i.S.e. integrierten Behandlungskonzeptes zwischen den Beteiligten im Gesundheitswesen erforderlich. In den bisherigen Strukturen der Hausarztmodell scheint dies noch nicht systematisch verankert zu sein. Der AOK-Gesundheitsberater soll sich konzeptionsgemäß als Koordinator von Hausarzt und den anderen Beteiligten im Gesundheitswesen verstehen, aber zu seinem Selbstverständnis sollten auch umfassende Befugnisse gehören, steuernd in die Versorgungskette einzugreifen, um geringe Kosten zu garantieren. Auf diese Frage scheint bisher noch keine befriedigende konzeptionelle Antwort gegeben zu sein. Insbesondere die Schnittstelle vom ambulanten zum stationären Sektor weist noch Organisationsdefizite aus. In der letzten Konsequenz entscheiden Ärzte/Mediziner über die zu treffenden Maßnahmen und die Krankenversicherungen können nur begleitend und beratend wirken. Eine weitreichende fachliche Unterstützung ist vor allem bei den Qualitätszirkeln
erforderlich. Um den Ärzten Ansatzpunkte für effiziente Behandlungsverfahren
aufzuzeigen, sind nicht nur Daten über entstandene Kosten erforderlich, auch Instrumente
und know-how zum Aufzeigen von Schwächen und entsprechende Methoden zur Lösungsfindung
sollten zur Verfügung gestellt werden. Hier sollten die Krankenkassen stärkere fachliche
Unterstützung (Bsp. Unterstützung von Management know-how) i.S.e. Hilfe zur
Problemlösung den Beteiligten anbieten. 3.4.2 Information und Kommunikation Um Schwachstellen im Gesundheitssystem, insb. im ambulanten Bereich aufzuzeigen, sind zielanalysierende und -führende Informationen und Daten erforderlich. In Anbetracht der schlechten Ausstattung der Praxen mit Geräten der elektronischen Datenverarbeitung ist in diesem Punkt ein deutlicher Investitions- und Nachholbedarf zu erkennen. Neben der notwendigen Generierung von Daten auf lokaler Ebene ist auch eine entsprechende Vernetzung anzustreben, damit die Daten den Beteiligten zur Problemanalyse auch vorliegen. Im Vergleich zu den Informationsgrundlagen in Managed Care Systemen in den USA ist in Deutschland in der Frage der Informationsaufbereitung und Vernetzung ein Defizit zu erkennen. Auch eine effiziente Kommunikation zwischen den Beteiligten erfordert eine Kommunikationsstruktur, die auf die besonderen Gegebenheiten des Gesundheitswesen abgestimmt ist. Hier zeigt das AOK-Modell deutliche Schwächen (Bsp. kein 24 Stunden Telefon-Dienst). Die Kommunikationsstruktur zwischen den Beteiligten ähnelt eher einem ad hoc Management. Auch eine optimale Kommunikation führt zu Kosteneinsparungen in den jeweiligen Bereichen und sollte organisatorisch-konzeptionell gelöst sein. 3.5 Analyse der Problembereiche 3.5.1 Verhältnis des Hausarztmodells zu gesundheitspolitischen Zielen Wie oben bereits dargestellt ist jede Reformdiskussion vor dem Hintergrund der angestrebten Ziele zu diskutieren. Aus diesem Grunde findet an dieser Stelle eine kurze Bewertung vor dem Hintergrund der gesundheitspolitischen Ziele statt. Zwei wesentliche gesundheitspolitische Ziele werden durch das Hausarztmodell angestrebt. Hervorzuheben ist vor allem der Ansatz im Hausarztmodell, eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu möglichst geringen Kosten zu erreichen. Auch die Betonung der (kostensenkenden) Prävention entspricht auch den Zielvorstellungen in diesem Bereich. Problematisch erscheint die Zielerreichung einer möglichst großen Freiheit (Bsp.
freie Arztwahl) mit dem Instrument des Hausarztmodells, denn die freie Arztwahl
wird ja bewußt reduziert, um bspw. "doctor hopping" zu vermeiden. Im Modell
UNIMEDES wird die freie Arztwahl mit höheren Versicherungsprämien "erkauft".
Ähnlich verläuft es im AOK-Modell, denn auch dort soll dann der Beitragssatz für die
Teilnahme in einem solchen Versorgungssystem unter dem bisher praktizierten System bei
freier Arztwahl liegen. 3.5.2 Bestehende Juristische Fragen Im Punkt 3.4.2 wurde bereits die Notwendigkeit einer umfassenden Information und
Kommunikation aufgegriffen. Diesem Ziel stehen allerdings in vielen Bereichen die
entsprechenden Datenschutzbestimmungen des Sozialgesetzbuches gegenüber. Denn diese
verhindern geradezu "...die routinemäßige Analyse sektorübergreifender
Behandlungsverläufe....Das GSG [Gesundheitsstrukturgesetz] verzichtet jedoch trotz des
Wissens um Qualitäts- und Koordinationsmängel in der ambulanten Versorgung auf die
Zusammenführung fallbezogener Versorgungsverläufe." Ein weiteres Hemmnis in der flächendeckenden Umsetzung von Hausarztmodellen besteht in den (bis jetzt ungelösten) Einkommensumverteilungseffekten zwischen den Hausärzten und den verschiedenen Gruppen der Fachärzte. Durch eine Betonung und Fokussierung der Hausärzte ist zu vermuten, daß es Umverteilung des Einkommens zugunsten der dann als "Hausärzte" praktizierenden Mediziner geben wird. Dieser Konflikt ist bis jetzt nicht durch Umverteilungsschlüssel oder gemeinsame Honorartöpfe entschärft, so daß eine heftige Diskussion und ein entsprechender Widerstand der betroffenen Gruppen zu erwarten ist. Dies könnte einer zügigen und flächendeckenden Umsetzung in Deutschland im Weg
stehen, zumal generelle Einkommensverluste bei den niedergelassenen Ärzten zu beobachten
sind. 3.5.4 Kurzfristige vs. langfristige Kostenentwicklung in der GKV
durch Hausarztmodelle Die Ziele Prävention und effiziente medizinische Versorgung können bei aller Komplementarität auch konfligierende Effekte aufweisen, wenn in der Analyse zwischen kurzfristiger und langfristiger Perspektive gewechselt wird. Bei der Betonung einer kostengünstigen medizinischen Versorgung in der heutigen
Periode können notwendige und langfristig wichtige Präventionsmaßnahmen (Bsp.
Diätberatung bei Diabetes-Patienten, Diabetesberatungsstellen zur Vermeidung hoher
Diabetes-Behandlungskosten in der Zukunft) dem "Sparzwang" zum Opfer fallen, was
in de heutigen Periode zwar zu scheinbaren Einsparungen führt, in der Zukunft aber zu
höheren Therapiekosten und damit zu höheren Gesamtkosten beiträgt. 4. Kritische Würdigung und Perspektive der Hausarztmodelle Die Etablierung von Hausarztmodellen leistet einen wesentlichen Beitrag zu einer Bewußtseinsveränderung der Beteiligten im Gesundheitswesen in Richtung wirtschaftliche Effizienz und Ganzheitlichkeit der Betrachtung von Krankheitsverläufen. Allerdings fehlen - zumindest in Deutschland - wichtige Voraussetzungen zum optimalen Funktionieren solcher Systeme. An erster Stelle sei nochmals auf die fehlende Informationsgrundlage/Daten hingewiesen, die erst eine kritische Analyse ermöglichen und für die Entwicklung von Lösungskonzepten notwendig sind. Kritisch im Hausarztmodell der AOK Hessen ist auch die Schnittstelle zwischen dem ambulanten und stationären Sektor. Auch hier fehlen Lösungswege für eine effiziente Verzahnung; die Betonung der Einsparung über den Weg des Hausarztes als "gatekeeper" ist deutlich zu sehen. Allerdings fehlt in diesen Konzepten die Aufdeckung von Wirtschaftlichkeitsreserven im stationären Bereich. UNIMEDES versucht über die Beziehung zu den "Vertrags-Krankenhäuser" eine Kostenreduzierung herbeizuführen. Für Deutschland ist dies zum momentanen Zeitpunkt nicht anzustreben, da isolierte Verträge zu einzelnen Leistungserbringern im Gesundheitswesen nicht möglich sind. Die vorgestellten Hausarztmodelle leisten nur in Ansätzen einen Beitrag zu einem umfassenden disease management. Unter diesem Konzept ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Verbesserung der Ergebnisse präventiver und kurativer Maßnahmen zu verstehen, der letztendlich in Kostensenkungen münden soll. In diesem Konzept arbeiten die einzelnen Stufen des Gesundheitssystems integriert zusammen, um für den Patienten eine höchstmögliche Qualität sicherzustellen und Kostensenkungen herbeizuführen. Zusammenfassend bleibt zu sagen, daß es sich beim Hausarztmodell zwar um einen partiellen Ansatz handelt, aber der Einzug von Managed Care Strukturen in Deutschland deutlich zu erkennen ist. |
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