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PRESSEINFORMATION Die weibliche Psyche leidet oft anders. |
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Frauenärzte, Frauenkliniken, Geburtshilfe - bei der körperlichen Gesundheit ist eine
geschlechtsspezifische Versorgung selbstverständlich. Ganz anders bei psychischen
Erkrankungen: Sie waren lange Zeit geschlechtsneutral". Dabei gibt es hier
erhebliche Unterschiede. Mit dem First World Congress on Womens Mental
Health" in Berlin vom 27. bis zum 31. März 2001 greift zum ersten Mal ein
hochkarätiger medizinischer Weltkongress frauenspezifische Fragestellungen in
Psychiatrie und Psychotherapie auf. |
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Frauen
leiden etwa doppelt so häufig an psychosomatischen und affektiven Erkrankungen und
Störungen als Männer, wie zahlreiche Studien zeigen. 70 Prozent aller
Medikamentenabhängigen sind weiblich und sogar 95 Prozent aller Personen mit Essstörungen. Weltweit leiden dreimal mehr
Frauen an Depressionen und
begehen mehr Frauen als Männer Selbstmordversuche. Die psychischen Störungen treten
dabei sehr oft während bestimmter Phasen im Lebenszyklus der Frau auf: Pubertät,
prämenstruelle Phase, Wochenbett und Wechseljahre.
Auch Zeiten der Schwangerschaft, der Einnahme von Verhütungsmitteln
oder einer Hormontherapie stellen kritische Abschnitte dar. |
Wissensaustausch zwischen 2000 Klinikern und Forschern. |
Diese Fakten wurden lange Zeit nicht ausreichend berücksichtigt.
Wissenschaftliche Studien, zum Beispiel zur Wirkung von Psychopharmaka, wurden
früher fast nur an männlichen Testpatienten durchgeführt," stellt der Präsident
des Weltkongresses Dr. Mario Lanczik, Psychiater und Psychotherapeut an der Universität
Erlangen, fest. Frauen habe man wegen Unsicherheitsfaktoren wie Monatszyklus oder
Schwangerschaft oft erst gar nicht einbezogen. Die Folge: Frauen leiden häufiger unter
Nebenwirkungen, da die Medikamente in Dosierungen verordnet werden, die eigentlich für
Männer adäquat sind. Lanczik: Obwohl wir inzwischen sehr viel mehr über
Geschlechtsunterschiede bei psychischen Störungen wissen, werden sie in der klinischen
Praxis immer noch unterbewertet." Zum ersten Mal werden daher auf dem Weltkongress
interdisziplinär rund 2000 Kliniker und Forscher aus den Bereichen Psychiatrie,
Psychosomatik, Neurowissenschaften, Geburtshilfe und Gynäkologie ihr Wissen austauschen.
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Prämenstruelle Phase beeinträchtigt Lebensqualität. |
So berichten zum Beispiel US-amerikanische Forscher, dass die
Minderung der Lebensqualität während der prämenstruellen
Phase bei vielen Frauen die Dimension einer schweren Depression annimmt. Zentrale
Lebensbereiche wie Partner- und Familienbeziehungen, die soziale Funktionsfähigkeit und
die Arbeitsleistung sind stark beeinträchtigt. Eine medikamentöse Behandlung der
Symptome bringt für die betroffenen Frauen meist eine schnelle und effektive
Wiederherstellung der Aktivitäten in diesen Bereichen mit sich, so dass sich ihre
Lebensqualität insgesamt wieder erheblich erhöht.
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Psychosomatische Folgen von Geburtsinterventionen. |
Während einer 15 Jahre andauernden Untersuchung in
niedersächsischen Krankenhäusern wurde festgestellt, dass kaum noch eine Geburt ohne
medizinische Intervention vonstatten geht, auch wenn kein besonderes Risiko vorliegt. Bei
über 90 Prozent der Fälle wurden Maßnahmen ergriffen, meist beginnend mit einer
Einleitung der Wehen, der dann oft weitere Eingriffe bis hin zum Kaiserschnitt folgten
(Kaskadeneffekt"). Dieses Phänomen muss erst noch unter psychologischen
Gesichtspunkten beleuchtet werden. Berücksichtigt man jedoch die psychosomatische
Bedeutung des Geburtserlebnisses für Mutter und Kind, sind "Kaskaden"
unnötiger Interventionen bei normalen Geburten zu vermeiden. Dies wirftauch ein neues
Licht auf die Diskussion um den Kaiserschnitt auf Bestellung".
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Wechseljahre bringen unterschiedliche psychische Probleme. |
Die Wechseljahre
bedeuten auch unter psychologischen Aspekten eine kritische Phase im Leben der Frau. In
den jugendorientierten westlichen Gesellschaften symbolisiert die Menopause den
Alterungsprozess; der Verlust der Jugend" bringt für viele Frauen erhebliche
psychische Probleme. Zusätzlich bedeuten die Wechseljahre für Frauen, die einen
Kinderwunsch hegen, das definitive Ende dieser Hoffnungen. In anderen Kulturkreisen zeigen
sich wiederum ganz andere Auswirkungen: Wo Verhütungsmittel nahezu unbekannt sind und
Frauen durch wiederholte Schwangerschaften physisch und psychisch ausgezehrt sind, wird
das Ende der Fruchtbarkeit oftmals herbeigesehnt. Andererseits bringt es in
Gesellschaften, die Frauen vor allem nach ihrer Gebärfähigkeit bewerten, auch eine
drastische soziale Wertminderung mit sich. Dr. Lanczik: Dies ist zum Beispiel ein
Gebiet, das früher überhaupt nicht Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen war. Bis
vor wenigen Generationen erreichten die meisten Frauen die Wechseljahre nicht. Sie gebaren
Kinder - und starben."
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Von
Wochenbettdepressionen bis zu
psychisch kranken Müttern. |
Diese und zahlreiche weitere brisante Fragen werden Gegenstand der
Diskussionen auf dem First World Congress on Womens Mental Health" sein.
Die Themenpalette reicht von Wochenbettdepressionen bis
zur seelischen Gesundheit der Frauen in China oder psychiatrischen Aspekten häuslicher
Gewalt. Der Komplex Frauen und Suchtmittel steht ebenso auf dem Programm wie sexueller
Missbrauch und Traumatisierung oder Geschlechtsunterschiede bei Entstehung von
Schizophrenie. Weitere Themen sind etwa das Geburtstrauma, Mutterinstinkt und Mutterrolle,
psychisch kranke Mütter sowie Frauen und Demenz.
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