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Medikamentöse Therapie bei bipolaren Erkrankungen
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Psychisch wirksame Medikamente brauchen einige Zeit, bis sie voll
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Menschen mit bipolaren Erkrankungen müssen häufig ihr Leben lang
Medikamente einnehmen. Heute werden hauptsächlich zwei Gruppen von Medikamenten
eingesetzt, die Stimmungsstabilisierer und die Interventionsmedikamente. Anders als z. B.
Schmerzmittel, benötigen Medikamente, die auf Aktivität des zentralen Nervensystems
einwirken und psychische Funktionen beeinflussen, einige Zeit, bis sie ihre volle Wirkung
entfalten. Deshalb bessern sich die Symptome auch nicht sofort. Es kann ein bis drei
Wochen dauern, bis die volle Wirksamkeit erreicht ist und sich die Beschwerden deutlich
bessern. Wichtig ist, dass die Medikamente entsprechend der ärztlichen Empfehlung auch
dann weiter pünktlich eingenommen werden, wenn sich noch keine Wirkung eingestellt hat. |
Stimmungsstabilisierer gleichen übermäßige Schwankungen der
Stimmung aus.
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Die Stimmungsstabilierer werden sowohl in der Akutphase, als auch in der anschließenden Erhaltungstherapie und zur Rückfallprophylaxe
eingesetzt. Stimmungsstabilisierer gleichen übermäßige Stimmungsschwankungen sowohl in
einer manischen, als auch in einer depressiven
Erkrankungsepisode aus. Diese Wirkung können sie sowohl akut, als auch langfristig
entfalten. Dabei wird die vorherrschende Stimmung stabilisiert, ohne dass eine
entgegensetzte Episode ausgelöst wird. Diese Eigenschaften machen Stimmungsstabilisierer
zu einem wichtigen Medikament, das auch in Phasen relativer Stabilität zur Vorbeugung
eines Rückfalls eingesetzt wird. Gerade in dieser Zeit ist die Einnahme wichtig, um
erneuten Krankheitsepisoden vorzubeugen. |
Lithium wird häufig erfolgreich
angewandt. Es muss sorgfältig dosiert und kontrolliert werden.
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Zu den Stimmungsstabilisierern gehören das Lithium und Antiepileptika
u.a. Carbamazepin, Valproat und Lamotrigin. Lithium ist ein Salz. Es verhindert in bis zu
80 Prozent das Wiederauftreten manischer und depressiver Episoden. Wird eine Episode nicht
verhindert, so schwächt Lithium zumindestens die Symptomatik deutlich ab. Lithium muss
langfristig, d. h. über Jahre, eingenommen werden. Deshalb ist die Mitarbeit der
Betroffenen und ihre Aufklärung sehr wichtig. Das plötzliche Absetzen dieses
Medikamentes löst in 50 bis 90 Prozent der Fälle einen Erkrankungsschub aus.
Lithiumsalze haben nur eine geringes Spektrum der Wirksamkeit - ein Arzt spricht in diesem
Zusammenhang von einem sehr engen therapeutischen Fenster - und können deshalb schnell
überdosiert werden. Sie müssen sehr sorgfältig dosiert sein. Das gelingt nur, wenn die
Betroffenen gut mit dem Arzt zusammen arbeiten. Die Dosierung wird dann langsam an die
Bedürfnisse des Einzelnen angepasst. Die antidepressive Wirkung setzt häufig erst nach
vier bis sechs Wochen ein. Die gegen die Manie gerichtete Wirkung kann aber schon nach
einer Woche greifen. Um die Gefahr eines Rückfalls zu verringern, sollten Lithiumsalze
über mindestens sechs Monate eingenommen werden. Das ist sehr wichtig. Wird das
Medikament zu früh abgesetzt, oder die Einnahme unterbrochen, so kann der gesamte Erfolg
zunichte gemacht werden. Während der Einnahme sollten regelmäßige, ärztliche
Kontrollen von Körpergewicht, Halsumfang und der Blutspiegel der Lithiumsalze, EKG und EEG durchgeführt werden. Nur so können mögliche
Langzeitfolgen und schwerwiegendere Nebenwirkungen wirksam vermieden werden. Anfängliche
leichtere Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden, Schläfrigkeit, Muskelschwäche oder
Fingerzittern gehen normalerweise nach einiger Zeit wieder zurück. |
Valproat hat ein großes therapeutisches Fenster.
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Valproat ist genau so effektiv wirksam, wie Lithium und wird besonders
erfolgreich bei manischen Episoden und Mischformen eingesetzt. Ein Vorteil ist, dass Valproat in
akuten manischen Episoden auch als Infusionstherapie eingesetzt werden kann. So kann sich
eine besonders schneller antimanischer Effekt durchsetzen. Das therapeutische Fenster ist
bei Valproat sehr viel größer, als bei Lithium. |
Carbamazepin bei akuten manischen Phasen.
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Carbamazepin wird in akuten manischen Phasen wirkungsvoll eingesetzt und
ist dort in seiner Wirksamkeit mit der des Lithiums vergleichbar. Bei Mischzuständen und beim Rapid
Cycling scheint Carbamazepin dem Lithium überlegen zu sein. Die wirkungsvolle
Dosierung ist individuell sehr unterschiedlich. Deshalb ist eine genaue Kontrolle und
sorgfältige Einstellung des Betroffenen erforderlich. |
Interventionsmedikamente ergänzen die Therapie.
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Reicht in einer akuten
Krankheitsepisode die Gabe eines Stimmungsstabilisierers nicht aus, so kommen
Interventionsmedikamente zum Einsatz. Diese Medikamente werden in der Regel nur in der
Akutphase verordnet und evt. noch in der anschließenden Erhaltungsphase. Zur
Rückfallprophylaxe reichen in der Regel Stimmungsstabilisierer aus. Zu den
Interventionsmedikamenten gehören u.a.:
- atypische Neuroleptika, Atypika
- Antidepressiva
- Hypnotika (Schlafmittel)
- Sedativa (Beruhigungsmittel)
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Atypische Neuroleptika werden häufig erfolgreich angewandt.
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Atypische Neuroleptika sind Weiterentwicklungen der früher angewandten
Neuroleptika. Die atypischen Neuroleptika, die
häufig auch Atypika genannt werden, sind sehr viel besser verträglich und haben
erheblich weniger Nebenwirkungen. Atypische Neuroleptika werden in manischen
Episoden bei psychotischen Symptomen wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen und
Realitätsverlust und bei Mischzuständen erfolgreich
eingesetzt. Atypika wirken aber auch direkt auf die Stimmungslage der Betroffenen, deshalb
werden sie heute häufig auch als Stimmungsstabilisierer angewandt, wenn keine
psychotischen Symptome bestehen. |
Antidepressiva sind in depressiven Phasen oft notwendig.
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In depressiven Episoden wird fast immer die Gabe eines Antidepressivums
notwendig. Dabei sollte die Gabe von trizyklischen Antidepressiva
vermieden werden. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sie eine manische Phase auslösen.
Bei depressiven Episoden bipolarer Erkrankungen sind SSRI
und MAO-Hemmer besser geeignet. Die
Zusammenstellung der Medikamente erfolgt immer individuell. Das ist bei bipolaren
Erkrankungen sehr wichtig, denn jeder Betroffene zeigt ein eigenes Spektrum an Symptomen,
die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.
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