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Teamarbeit in der Palliativmedizin: Konflikte innerhalb des Teams sowie mit Patienten und
Angehörigen
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Konflikte zwischen Teammitgliedern
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Konflikte sind unausweichlich
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Bei Menschen, die so eng zusammenarbeiten wie ein
multidisziplinäres Palliativteam, sind gelegentliche Konflikte unausweichlich.
Die Herausforderung besteht in ihrer konstruktiven Bewältigung. Unbewältigte
Konflikte hingegen bergen die Gefahr der emotionalen Erschöpfung der beteiligten
Teammitglieder. Gründe für Konflikte und Verärgerung können die mangelnde
Unterstützung der Teammitglieder untereinander, bestehende Grenzen des eigenen
Könnens und Dürfens, Rivalitäten zwischen einzelnen Berufsgruppen oder einzelnen
Teammitgliedern sowie hierarchische Strukturen sein. |
Konflikte sofort lösen
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Um Konflikten konstruktiv zu begegnen, sollten eventuelle
Probleme regelmäßig besprochen werden. Häufig ist es leichter, kleinere Probleme
und Missverständnisse aus der Welt zu räumen, als große, die sich über die Zeit
aus Kleinigkeiten entwickelt haben. Dabei ist es wichtig, Schwierigkeiten als
solche zu erkennen, zu benennen und miteinander zu besprechen. Beispielsweise
können ein Arzt und eine Krankenschwester, die verschiedene Vorstellungen
bezüglich der optimalen Therapie und Pflege eines Patienten haben, einander
zuhören und die besten Ansätze beider Teammitglieder miteinander verbinden.
Eventuell kann eine dritte Person, der alle Beteiligten vertrauen und die
allgemein respektiert wird, zur Lösungsfindung beitragen. Letztendlich
profitiert der Patient von konstruktiven Problemlösungen. Eine ergänzende Hilfe
für Ärzte stellt die Diskussion von Schwierigkeiten, Problemen und Konflikten im
Rahmen von Balint-Gruppen dar.
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Konflikte zwischen Teammitgliedern und Patienten
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Häufig sind Probleme in der Kommunikation der Grund für Konflikte
zwischen Team und Patient
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Konflikte können jedoch nicht nur zwischen den verschiedenen
Teammitgliedern entstehen, sondern auch zwischen einzelnen Teammitgliedern und
einem Patienten oder dessen Angehörigen. Ein häufiger Grund für solche Konflikte sind
Kommunikationsprobleme. Von diesen stehen folgende 7 Arten im Vordergrund:
- fehlendes gegenseitiges Vertrauen zwischen Teammitgliedern und Patient
beziehungsweise fehlende Übereinkunft über das medizinische, pflegerische
und sonstige therapeutische Vorgehen
- Vorhandensein mehrerer Probleme. Das ist bei schwer kranken und
sterbenden Patienten häufig der Fall - beispielsweise kann ein Patient
sehr stark unter einer komplexen Situation leiden, die sich durch seine
schwere Erkrankung und den nahenden Tod sowie durch gleichzeitig bestehende
Streitigkeiten innerhalb der Familie und zusätzliche finanzielle Probleme
ergibt.
- Stressgefühle: Bei den Teammitglieder beispielsweise durch die
hohen beruflichen Anforderungen. Beim Patienten und seinen
Angehörigen durch die schwierige Situation, in der sich der schwer kranke
Patient und seine Familie befinden.
- unzureichendes gegenseitiges Verständnis: beispielsweise kann einem
Teammitglied das Verständnis für die individuellen Belastungen eines
einzelnen Patienten fehlen oder ein Patient bringt kein Verständnis für die
therapeutischen Bemühungen des Teams auf
- mangelndes Befolgen therapeutischer Anweisungen durch den Patienten. Ein
Betroffener kann z. B. die Einnahme eines Medikamentes zur Vermeidung bzw.
Linderung starker Tumorschmerzen ablehnen.
- fordernder Patient beziehungsweise Patient, der sehr stark die Kontrolle
über die Situation übernehmen möchte: Es kann zum Beispiel zu schwierigen
Situationen kommen, wenn ein Patient ohne medizinische Kenntnisse die
Dosierung seiner Medikamente ändert, woraus sich unter Umständen
schwerwiegende gesundheitliche Probleme ergeben.
- spezielle Probleme, die aufgrund der individuellen Situation des
Patienten entstehen - zum Beispiel Sprachschwierigkeiten, Hörprobleme,
ausgeprägte Schläfrigkeit, eine Demenzerkrankung oder starke
Konzentrationsprobleme, die das Zuhören beeinträchtigen
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Verlegung des Patienten in seinem Sinne entscheiden
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Eine weitere Quelle für mögliche Konflikte ergibt sich, wenn
Patienten verlegt werden, beispielsweise von einem Krankenhaus in ein anderes,
in ein Pflegeheim oder in ein Hospiz. Auch die Entlassung eines Patienten in die
häusliche Betreuung, um im eigenen Heim zu sterben, kann Probleme bereiten. Dies
gilt ebenso für den umgekehrten Fall einer Krankenhausaufnahme nach
vorangegangener häuslicher Betreuung oder aus einem Hospiz oder einem
Pflegeheim. Dabei sollten die Wünsche des Patienten, wo er sich aufhalten und wo
er sterben möchte, bei allen Überlegungen an erster Stelle stehen.
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Konflikte zwischen Teammitgliedern und Angehörigen
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Risikofaktoren für Konflikte zwischen Team und Angehörigen
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Im Rahmen einer Studie stellte sich heraus, dass nahezu die
Hälfte der Angehörigen von Patienten, die palliativmedizinisch betreut werden,
mit einem oder mehreren Aspekten der Patientenbetreuung unzufrieden sind. Jedoch
wurde nur bei 5 Prozent der Angehörigen ein echter Konflikt mit einem oder
mehreren Teammitgliedern beobachtet. Konflikte zwischen
Teammitgliedern und Angehörigen sind ein gewichtiger Stressfaktor für das Team, sodass dieser Aspekt besondere Beachtung erfordert. Den Studienautoren
gelang es, einige Risikofaktoren für Konflikte zwischen Angehörigen und
Teammitgliedern auszumachen. Dies können Schwierigkeiten von Seiten des
Patienten sein (z.B. Delirium und ausgeprägter
Bewegungsdrang oder problematische Linderung von Symptomen wie Schmerzen oder
Luftnot sowie vorangegangene psychiatrische Erkrankungen oder Suchtprobleme). Aber auch familiäre Faktoren können die Entstehung von
Konflikten begünstigen, unter anderem intensive Betreuung des Patienten durch
Familienmitglieder vor dem Krankenhausaufenthalt, vorangegangene schwere
Konflikte innerhalb der Familie, Vorkommen von psychiatrischen Erkrankungen oder
Abhängigkeitsproblemen bei einzelnen Familienmitgliedern, soziale Isolation der
Familie, Arbeitslosigkeit oder Probleme zwischen Familienmitgliedern und
beispielsweise Krankenschwestern oder Ärzten in der Vergangenheit.
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Mögliche Quellen für Konflikte sind vielfältig
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Weitere wichtige Quellen für Konflikte zwischen Angehörigen und
Teammitgliedern sind:
- unterschiedliche Ansichten bezüglich der Bedürfnisse des Patienten -
beispielsweise könnten die Angehörigen der Meinung sein, dass ein Patient
essen sollte, während Ärzte und Krankenschwestern die Erfahrung gemacht
haben, dass sterbende Patienten das Essen als Belastung empfinden, die man
ihnen nicht mehr zumuten sollte
- verschiedene Vorstellungen über die Erreichbarkeit therapeutischer Ziele
- so ist es für nahe Angehörige unter Umständen nur schwer oder gar nicht zu
akzeptieren, dass der Patient unheilbar krank ist und dass durch die
therapeutischen Maßnahmen keine Heilung mehr zu erreichen ist, sondern
ausschließlich eine Besserung belastender Beschwerden
- familiäre Stressfaktoren, unter anderem:
- Art der Erkrankung des Patienten (beispielsweise könnte es nahe
stehenden Familienmitgliedern schwer fallen, über eine Tumorerkrankung im
Bereich der Geschlechtsorgane zu sprechen)
- Verlauf der Erkrankung des Patienten, beispielsweise rapide
Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder häufige Phasen mit
belastenden Beschwerden wie starke Schmerzen oder Luftnot
- Schuldgefühle, zum Beispiel wenn ungelöste Konflikte zwischen dem
Patienten und einzelnen Familienmitgliedern bestehen, die im Angesicht der
schweren Erkrankung des Patienten eventuell nicht mehr geklärt werden können
- "äußere" Stressfaktoren wie finanzielle Schwierigkeiten innerhalb der
Familie oder Erbstreitigkeiten
- Misstrauen gegenüber dem Gesundheitssystem als Ganzem, zum Beispiel die
Überzeugung, dass der Patient als Mitglied einer Gesetzlichen Krankenkasse
nicht so gut versorgt wird wie ein Privatpatient
- allgemeine Probleme beim Umgang mit schwierigen Situationen,
beispielsweise das Meiden klärender Gespräche nach einem Streit oder das
Verdrängen unangenehmer Gefühle
- Stressfaktoren auf Seiten des Teams, unter anderem:
- zersplittertes Team, deren Mitglieder sich nicht ausreichend über die
Patienten austauschen und nicht gut zusammenarbeiten
- unangemessener Umgang der Teammitglieder untereinander, beispielsweise
rüder Gesprächston einer vorgesetzten Krankenschwester gegenüber einer
Schwesternschülerin
- persönliche Probleme einzelner Teammitglieder, z. B. durch
finanzielle Schwierigkeiten, Spannungen in der Partnerschaft oder Probleme
mit den eigenen Kindern
- Probleme einzelner Teammitglieder im Umgang mit schwierigen Situationen,
beispielsweise schwere Selbstvorwürfe statt konstruktiver Problemlösung oder
Verdrängung belastender Gefühle
- schwierige Umstände wie schlechte Organisation innerhalb des
Krankenhauses oder ausgeprägte kulturelle Unterschiede zwischen dem
Patienten und seinen Angehörigen einerseits und den Teammitgliedern
andererseits
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Konfliktlösungsstrategien
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Manche Konflikte lassen sich leicht aus der Welt schaffen
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Die Autoren Jenkins und Bruera, die sich unter anderem mit
Konflikten zwischen palliativmedizinischen Teams und Patienten sowie deren
Angehörigen befasst haben, schlagen folgendes Vorgehen für die Lösung von
Konflikten zwischen dem palliativmedizinischen Team und den Angehörigen von
Patienten vor:
- Wenn Kritik von Angehörigen gerechtfertigt und der Grund für die
Unzufriedenheit relativ leicht aus der Welt zu schaffen ist, lässt sich ein
konkretes Problem in der Regel leicht lösen, womit auch der Konflikt beendet
ist.
- Für den Fall, dass die von den Angehörigen vorgetragene Kritik nach Ansicht
des Teams nicht gerechtfertigt ist oder wenn sich für ein Problem keine
unmittelbare Lösung abzeichnet, kann die Unzufriedenheit der Angehörigen durch
ein klärendes Gespräch eventuell beseitigt oder zumindest gemindert werden.
- Ist
dies nicht möglich, sodass die Unzufriedenheit weiterhin besteht, sind
Kommunikationsschwierigkeiten (s. oben) als tiefer liegende Ursache ergänzend in
Betracht zu ziehen. In diesem Fall kann es hilfreich sein, auf beiden Seiten
nach Stressfaktoren (s. oben) zu suchen und diese zu beseitigen, sofern dies
möglich ist.
- Gleiches gilt für den Fall, dass eine psychiatrische Erkrankung
eines Angehörigen oder eines Teammitglieds, das in den Konflikt einbezogen ist,
die Kommunikation erschwert.
- Für die Beseitigung von Stressfaktoren ist es unter
Umständen hilfreich, die Unterstützung eines Mediators (Streitschlichter) oder
eines Psychologen in Anspruch zu nehmen. Dabei sollte es sich um eine Person
handeln, der beide Seiten vertrauen und die sowohl fachlich als auch persönlich
allgemein akzeptiert wird.
- Falls keine Stressfaktoren auszumachen sind oder
diese nicht beseitigt werden können, ist in Betracht zu ziehen, dass allgemeine
Schwierigkeiten bei der Konfliktbewältigung bestehen, die eine Entspannung der
Situation behindern. Auch in diesem Fall kann die Unterstützung eines
Psychologen hilfreich sein.
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