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Reizblase
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Ständiger Harndrang und häufiges Wasserlassen sind typisch
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Bei einer Reizblase leiden die Betroffenen unter ständigem Harndrang und
häufiger Harnentleerung. Typisch ist, dass dabei nur kleine Mengen Urin
abgegeben werden. Meistens besteht aber keine Inkontinenz oder Schmerzen beim
Wasserlassen. Bei einigen Betroffenen kann es gelegentlich am Ende des
Harnflusses durch die Betätigung des Schließmuskels zu brennenden oder ziehenden
Schmerzen in der Harnröhre kommen. Diese Schmerzen halten typischerweise 10 bis
15 Minuten an und vergehen dann von selbst wieder. Die Beschwerden bestehen
tagsüber, der Schlaf dagegen ist meist ungestört. Der Harndrang tritt besonders
in Situationen auf, wenn keine Toilette zur Verfügung steht. Aus Angst keine
Toilette erreichen zu können, werden Kino- Theater- oder Konzertbesuche häufig
deshalb gemieden. Die Bewegungsfreiheit und die Lebensqualität der Betroffenen
sinken dadurch erheblich. |
Zwei Formen der Reizblase
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Es werden zwei Formen der Reizblase unterschieden. Bei der sekundären Form
entsteht eine Reizblase als Folge einer Erkrankung z. B. bei neurologischen
Erkrankungen wie Parkinson, Multiple Sklerose, bei Blasentumoren oder nach
gehäuft auftretenden Blaseninfektionen. Bei der primären Form der Reizblase
entsteht das Krankheitsbild, ohne dass ein krankhafter Befund an der Harnblase
festgestellt werden kann. Die primäre Reizblase ist eine funktionelle Störung.
Sie kommt fast
ausschließlich bei Frauen vor. Männer sind nur gelegentlich betroffen. |
Arztgespräch und organische Untersuchung
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Die Diagnose wird über eine Ausschlussdiagnostik gestellt. Dazu werden
zunächst im Gespräch die Häufigkeit der Harnentleerung abgeklärt, ob Schmerzen
dabei bestehen und auch welche Trinkmenge zugeführt wird. Dann wird eine
Untersuchung des äußeren Genitales, des Damms, sowie auch eine Untersuchung des
Enddarms vorgenommen. Es folgt eine Urinuntersuchung um festzustellen, ob weiße
Blutkörperchen, ein erhöhter Proteinwert oder Bakterien im Urin vorhanden sind.
Ist dies nicht der Fall, spricht das gegen einen Harnwegsinfekt und für die
Diagnose einer Reizblase.
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Weiterführende Diagnostik
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Als weitere
Unterscheidung zu einer organischen Erkrankung der Harnwege wird eine
Ultraschalluntersuchung der Harnwege vorgenommen und gegebenenfalls eine urodynamische Untersuchung durchgeführt, mit der geprüft wird, welche
Füllungskapazität die Harnblase hat, wie die Blasenmuskulatur funktioniert und
ob der Verschluss der Harnröhre mithilfe der Beckenbodenmuskulatur intakt ist.
Bei einer Reizblase zeigt sich dabei meist eine überaktive Blasenmuskulatur mit
verminderter Blasenkapazität, wobei die Reizschwelle durch psychische
Beeinflussung des vegetativen Nervensystems herabgesetzt ist.
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Miktionstagebuch
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Ein so genanntes Miktionstagebuch kann wichtigen Aufschluss
darüber geben, welche Trinkmenge zugeführt wird, über die Häufigkeit der
Entleerungen, wann der Harndrang auftritt und ob evtl. unfreiwilliger Harnabgang
auftrat.
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Psychodynamik
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Aus psychosomatischer Sicht wird die Symptomatik einer
Reizblase neben der herabgesetzten Reizschwelle der Blasenmuskulatur als
emotional bedingte Anspannung des externen Schließmuskels gesehen. Oft besteht
eine Verspannung im gesamten Beckenbodenbereich. Die häufigsten Auslöser für die
typischen Harndrangsymptome sind emotionaler Stress, Partnerprobleme und andere
Belastungssituationen. Es werden tiefenpsychologisch auch sexuelle Konfliktsituationen mit dem Partner angeführt, der Zusammenhang ist aber keineswegs
zwingend. Es kann sich ein Teufelskreis aus einer erhöhten Fixierung der
Aufmerksamkeit auf die Harnblase bilden: Der betroffenen Frau ist bewusst, dass
sie in emotional belastenden Situationen mit einem verstärkten Harndrang
reagiert, weshalb sie ihre Aufmerksamkeit immer mehr auf die Blase lenkt. Als
Folge davon steigt die vegetative Erregung an, woraufhin tatsächlich ein
verstärkter Harndrang einsetzt.
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Allgemeine Therapie
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Die Behandlung einer Reizblase beginnt mit folgenden
Maßnahmen:
- Einhalten einer Trinkmenge von 1,5 bis 3 Litern. Aus
Angst vor Harndrang reduzieren viele Betroffene die Aufnahme von
Flüssigkeit. Dadurch wird aber das Gegenteil erreicht, da die Kapazität
der Harnblase geringer wird und der Harndrang eher ausgelöst wird.
- Verzicht auf Kaffee, Nikotin und Alkohol
- Behandlungsversuch mit Phytotherapeutika
- Bei stärkeren Beschwerden können Anticholinergika wie
Trospiumchlorid, Oxybutynin angewendet werden.
Führt die symptomatische Therapie nicht zu der
gewünschten Linderung der Beschwerden, ist das ein Hinweis, dass
psychosomatische Faktoren eine bedeutsame Rolle spielen. Häufig
akzeptieren die Betroffenen jedoch einen psychischen Zusammenhang nicht
sogleich, sondern beharren zunächst auf einer körperlichen Ursache der
Störung.
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Psychosomatische Therapie
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Die psychotherapeutische Behandlung kann sich individuell aus
folgenden Komponenten zusammensetzen:
- Die Erklärung und Erörterung des
biopsychosozialen Hintergrundes der funktionellen Störung ist sehr
wichtig, damit die Betroffenen das Geschehen verstehen lernen.
Andernfalls kann es passieren, dass ein auf eine körperliche Erkrankung
fixierter Patient nacheinander verschiedene Ärzte aufsucht, damit
diese ihn von seinen Beschwerden befreien. Da die Erkrankung aber
psychosomatisch bedingt ist, kann keine "Pille" weiterhelfen sondern
nur eine psychotherapeutische Therapie.
- Entspannungsübungen (Autogenes Training,
Atemtechniken, Biofeedback- Therapie)
- Stressbewältigungstraining
- Körperorientierte Therapie
- auf ständiges Beobachten der Harnblasenfunktion sollte bewusst
verzichtet und stattdessen die Aufmerksamkeit auf die Umwelt gelenkt
werden
- Ebenfalls sollten alle Strategien zur Vermeidung
einer gefürchteten Situation unterbleiben, d.h. Orte wie Kino sollten
gezielt aufgesucht werden, da eine Vermeidung zur Verschlechterung der
Situation führt. Ein gezieltes Kontinenztraining zuhause kann dabei
helfen. Hierbei wird der Harndrang zunächst für wenige Minuten
unterdrückt und ausgehalten, bevor die Toilette aufgesucht wird. Der
Zeitraum kann allmählich immer weiter hinausgeschoben werden. Ein
Miktionstagebuch dient dabei zur Kontrolle.
- Lösung von psychosozialen Konflikten wie
Partnerproblemen als Ursachen der Störung mittels Partnertherapie.
Insbesondere wenn psychiatrische Erkrankungen wie z.B.
Depression oder Angststörungen hinzukommen, ist eine fachärztliche Behandlung
erforderlich.
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