Palliativmedizin

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Palliativpflege als ganzheitliche Pflege

 

Inhaltsübersicht:
Bedeutung der Ganzheitlichkeit
Grundeinstellung in der Palliativpflege
Intimität und Würde des Patienten
Kommunikative Kompetenz

Bedeutung der Ganzheitlichkeit

Geist und Seele leiden mit

Die Pflege von Palliativpatienten erfolgt grundsätzlich mit einem ganzheitlichen Ansatz. Damit ist gemeint, dass die Pflege nicht ausschließlich auf die rein körperliche Versorgung des Kranken ausgerichtet ist, sondern auch alle anderen Aspekte des Patienten Berücksichtigung finden, beispielsweise seine seelische Verfassung, seine religiösen beziehungsweise spirituellen Bedürfnisse wie auch die Beziehung zu seinen Angehörigen und Freunden. Dies ist in der Palliativmedizin von großer Wichtigkeit, da viele Palliativpatienten in dieser schwierigen Lebensphase verständlicherweise von vielen Ängsten, Sorgen und Nöten geplagt werden, beispielsweise Angst vor Abhängigkeit von anderen, Sorgen um soziale Ausgrenzung sowie Angst vor Sterben und Tod.

 

Besondere Rolle

Die besondere Rolle, die Krankenschwestern und Krankenpfleger in der Palliativmedizin einnehmen, wird durch folgendes Zitat des palliativmedizinischen Autors Aurnhammer deutlich: "Pflegende haben täglich hautnahen physischen Kontakt zu den Patienten. Sie werden, gerade weil sie dem Patienten so nahe sind, von vielen als Vertraute angesehen, denen man sein Herz ausschütten kann. So lernen sie die psychische Seite des Patienten kennen. Ähnliches gilt für die spirituelle Dimension. Hoffnung und Verzweiflung, die Frage nach dem Lebenssinn, das sind Themen, die oft in Anwesenheit Pflegender angesprochen werden. Und schließlich sind Pflegende diejenigen, die als Gesprächspartner von Angehörigen und Freunden gewählt werden und ihrerseits die Angehörigen in pflegerische Tätigkeiten einbeziehen können." (Quelle: Aurnhammer K (1996) Krankenpflege in der Palliativmedizin. In: Klaschik E, Nauck F (Hrsg.) Palliativmedizin - Bestandteil interdisziplinären Handelns. pmi Verlagsgruppe, Frankfurt/Main)

 

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Grundeinstellung in der Palliativpflege

Ziel ist die Linderung von Symptomen

Pflegende, die schwer kranke und sterbende Palliativpatienten betreuen, benötigen eine grundsätzlich andere "Grundeinstellung" als dies für andere pflegerische Bereiche erforderlich ist. Weil in der Palliativmedizin unheilbar kranke Menschen betreut werden, ist das Ziel der Behandlung nicht mehr die Heilung einer Erkrankung. Vielmehr geht es um die bestmögliche Linderung belastender Symptome.

 

Gute Pflege ist von herausragender Bedeutung für Patienten und Angehörige

Dies gilt in hohem Maße auch für die Pflege: Aus der Tatsache, keine Heilung für den Patienten erreichen zu können, darf sich nicht die Einstellung ableiten, nichts mehr tun zu können. Das Gegenteil ist der Fall: Den palliativmedizinisch tätigen Krankenschwestern und Krankenpflegern muss bewusst sein, dass gerade sie in dieser letzten Lebensphase sehr viel für ihre Patienten tun können. Sie können beispielsweise Schmerzen und andere belastende Symptome lindern. Oft kann sich ein Patient nicht mehr mitteilen. Hier gilt es durch Beobachtung und Erfahrung belastende Symptome zu erkennen und zu beheben. Ganz wesentlich im täglichen Kontakt ist auch, Nähe und Menschlichkeit zu vermitteln sowie für Gespräche zur Verfügung zu stehen.

 

Sich den eigenen Ängsten stellen fördert die aufgeschlossene Kommunikation

Gerade dieser Bereich stellt eine hohe Anforderung dar. Es ist in der Regel erforderlich, dass sich die Pflegenden selbst intensiv mit dem Thema "Sterben und Tod" auseinandersetzen, auch mit dem eigenen Sterben und dem eigenen Tod sowie mit den eigenen Ängsten und Unsicherheiten, die damit zwangsläufig verbunden sind. Nur nach einer solchen Auseinandersetzung ist eine offene und aufgeschlossene Kommunikation mit dem sterbenden Palliativpatienten sowie mit dessen Angehörigen und Freunden möglich.

 

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Intimität und Würde des Patienten

Nacktheit und Pflege des Intimbereichs sind sensible Bereiche

Die tägliche Pflege kranker Menschen bringt immer auch eine gewisse körperliche Nähe zwischen Patienten und Pflegenden mit sich. Dies gilt in besonderem Maße für die Palliativmedizin, da die schwer kranken Palliativpatienten häufig in besonders hohem Maße auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind. Bei diesem täglichen engen pflegerischen Kontakt gilt es daher auch, die Intimität und die Würde des Patienten zu schützen und zu wahren, gerade weil Krankenschwestern und Krankenpfleger den Patienten auch nackt und schutzlos erleben. Dies ist durch verschiedene, in der Regel notwendige pflegerische Maßnahmen unumgänglich, beispielsweise bei der Ganzkörperwaschung im Patientenbett, beim Duschen oder Baden, beim An- und Ausziehen, bei der Hilfe beim Toilettengang sowie bei einer eventuell erforderlichen Pflege im Intimbereich (beispielsweise Eincremen des Gesäßes als Schutz vor Wundliegen oder Auftragen einer pilzabtötenden Creme im Genitalbereich, wenn dieser von einer unangenehmen, Juckreiz auslösenden Pilzinfektion betroffen ist).

 

Tipps zur Wahrung der Intimität

Alle diese pflegerischen Hilfen sind vorab anzukündigen und mit dem Patienten gemeinsam durchzuführen (statt einfach "an dem Patienten etwas zu machen"). Bei allen diesen Maßnahmen ist zudem sehr bewusst auf die Wahrung der Intimität des Patienten zu achten und sehr behutsam vorzugehen, beispielsweise durch:

  • teilweises Abdecken des Körpers bei der Ganzkörperwaschung, sodass immer nur einzelne Körperteile unbedeckt sind
  • eigenständiges Waschen des Intimbereichs durch den Patienten selbst beim Duschen oder Baden, sofern er dazu in der Lage ist
  • rasches Einhüllen des Patienten in ein großes Badetuch oder in einen Bademantel unmittelbar nach Verlassen der Dusche oder der Badewanne
  • kein komplettes An- oder Ausziehen des Patienten beim An-, Aus- oder Umziehen, stattdessen separater Kleiderwechsel an den einzelnen Körperregionen, sodass der Patient nie vollständig unbekleidet ist
  • selbstständige Reinigung des Intimbereichs durch den Patienten selbst nach dem Toilettengang, sofern dies möglich ist (ansonsten behutsame Reinigung durch eine Pflegeperson)
  • geringstmögliches Entblößen des Intimbereichs, wenn dort pflegerische Maßnahmen wie beispielsweise das Auftragen von Creme erforderlich sind

 

Einbeziehen von Angehörigen

Das Einbeziehen der Angehörigen in die Pflege des Patienten muss gerade unter dem Gesichtspunkt der Intimität sorgfältig abgewogen und behutsam angesprochen werden - für einige Patienten und deren Angehörige kann die Pflege durch die Angehörigen eine für beide Seiten angenehme Nähe und Vertrautheit herstellen oder unterstützen und wird daher als angenehm empfunden. Allerdings ist es einigen Patienten auch unangenehm, von ihren eigenen Angehörigen gepflegt zu werden, insbesondere wenn es um die Pflege intimer Körperbereiche geht. Auch ist es umgekehrt nicht allen Angehörigen angenehm, ihr krankes Familienmitglied umfassend körperlich zu pflegen. Die jeweilige Situation beim einzelnen Palliativpatienten und dessen Angehörigen sollte durch einfühlsame Gespräche ermittelt werden, am besten durch Gespräche mit vertrauten Pflegepersonen. Wenn der Patient und seine Angehörigen eine Pflege durch einzelne Familienmitglieder wünschen, können die vertrauten Krankenschwestern und Krankenpflegern wertvolle Hilfestellung geben und die pflegenden Angehörigen in die Pflege des Palliativpatienten einweisen.

 

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Kommunikative Kompetenz

Antworten einfühlsam vermitteln

Für eine optimale ganzheitliche Palliativpflege ist auch ein hohes Maß an kommunikativer Kompetenz unerlässlich. Beispielsweise ist es äußerst wichtig, auf Fragen und Ängste von Patienten und deren Angehörigen offen und ehrlich einzugehen. Allerdings ist es natürlich häufig nicht ganz einfach, einen guten Mittelweg zwischen Ehrlichkeit und Behutsamkeit zu finden, zumal es häufig keine definitiv "richtigen" Antworten gibt. Auf die Frage nach der vermutlich noch verbleibenden Lebenszeit könnte man beispielsweise antworten: "Genau kann man dies nicht wissen. Aber bei anderen Patienten in einer ähnlichen Situation konnten wir beobachten, dass diese noch ungefähr zwei Wochen gelebt haben. In jedem Fall werden wir immer für Sie da sein, Sie begleiten und Sie dabei unterstützen, Ihr Leben so gut wie möglich zu leben." Hingegen wäre es falsch, einfach eine vermutete Lebenserwartung zu nennen ("zwei Wochen vielleicht"), die der Patient und seine Angehörigen dann unter Umständen als definitive Aussage bewerten (und die zudem unnötig direkt ist).

 

Beschwichtigen ist falsch

Auf der anderen Seite wäre es grundsätzlich falsch, die Ängste und Anliegen der Patienten und ihrer Angehörigen nicht ernst zu nehmen und sie stattdessen zu beschwichtigen. Aussagen wie "das wird schon wieder" oder "das sehen wir, wenn es so weit ist" tragen nur weiter zur Verunsicherung des Palliativpatienten und seiner Familie bei. Zudem entsteht auf diese Weise der Eindruck, dass sich das Pflegepersonal nicht intensiv mit dem einzelnen Patienten auseinandersetzen möchte und versucht, weitere Nachfragen durch Beschwichtigungen und Allgemeinplätze zu vermeiden.

 

Ehrliche Antworten helfen am meisten

Eine ehrliche Beantwortung von Fragen sowie das behutsame Eingehen auf Sorgen und Ängste tragen hingegen dazu bei, dem Patienten und seinen Angehörigen Sicherheit zu geben sowie unbegründete Ängste zu zerstreuen. Beispielsweise ist es für einen Patienten, der Angst vor dem Verbluten aus einer größeren Wunde hat, entlastend, wenn er erfährt, dass dies nur sehr selten vorkommt. Eine lapidare Antwort wie zum Beispiel "das wird schon nicht passieren" steigert die Verunsicherung und die Angst vor dem Verbluten eher noch. Zudem tragen das ehrliche Beantworten auch unangenehmer Fragen sowie das Eingehen auf Sorgen und Ängste dazu bei, dass sich der Patient und seine Angehörigen ernst genommen und verstanden fühlen.

 

Behutsame Aufklärung sind eine große Hilfe in gefürchteten Notsituationen

Im Rahmen von Gesprächen, in denen Patienten und Angehörige ihre Ängste ansprechen, kann auch der Tod des Patienten thematisiert werden. Auch hier besteht die Möglichkeit, verschiedene Ängste durch das behutsame Vermitteln ehrlicher Informationen zu lindern. Wenn beispielsweise zu erwarten ist, dass ein großer Tumor im Lungenbereich durch sein weiteres Wachstum ein Blutgefäß beschädigen wird, was wiederum eine starke Lungenblutung mit Ersticken an dem Blut auslösen könnte, ist dies sicherlich eine schlechte Nachricht. Durch das behutsame Erläutern dieser Situation, können sich der Patient und seine Angehörigen jedoch darauf vorbereiten. Ermutigend und angstmindernd wirkt in dieser Situation die Erklärung, dass es bei einer größeren Blutung in der Regel sehr schnell zu einem Bewusstseinsverlust kommt, sodass der Patient weder die Blutung noch das Ersticken bewusst bemerkt. Dies kann die Ängste vor einem langsamen, qualvollen Sterben mindern und dazu beitragen, dass sowohl der Patient als auch seine Angehörigen der Situation etwas ruhiger entgegentreten (obwohl die Situation natürlich immer noch schwer genug ist).

 

Angehörige brauchen Hilfe durch Aufklärung und Zuspruch

Insbesondere für Palliativpatienten, die zu Hause von ihren Angehörigen gepflegt werden, sind ehrliche Antworten sehr wichtig, denn häufig entstehen Probleme und Notfallsituationen in Zeiten, wenn der Angehörige mit dem Palliativpatienten allein ist. Nicht in allen Fällen wissen die Angehörigen, was zu tun ist. Oft fragen sie sich auch nach diesen Ereignissen, ob sie auch wirklich richtig gehandelt haben. Hier ist die einfühlsame Vorbereitung auf evt. Notfälle und der Umgang mit den Ängsten auch der Angehörigen sehr wichtig, da der Wunsch der meisten Patienten - zu Hause gepflegt zu werden und dort sterben zu können - so am ehesten erfüllt werden kann.

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