| |
|
Das Palliativmedizinische Team - Umgang mit den eigenen Gefühlen:
Übertragung der eigenen Gefühle, Meinungen und Überzeugungen
|
|
|
|
Gründe für eine Übertragung
|
Professionelle Neutralität
|
Bei der Arbeit in einem palliativmedizinischen Team (und auch in
anderen Bereichen der Medizin) besteht die Gefahr, die eigenen Gefühle,
Meinungen und Überzeugungen auf den Patienten und/oder dessen Angehörige zu
übertragen. Ein solches Verhalten geht zu Lasten der "professionellen Neutralität".
|
Widerspruch zwischen Fachwissen und Emotionen
|
Ein Beispiel: Ein Arzt oder eine Krankenschwester / Krankenpfleger wissen, dass
dem Patienten zur Verbesserung seiner Lebenserwartung eine Chemotherapie
empfohlen werden sollte. Auf der anderen Seite kann
die ganz persönliche Meinung und Empfindung sein, dass dem Patienten die
Nebenwirkungen der Chemotherapie nicht zugemutet werden sollten, auch wenn ein
Verzicht auf diese Behandlung vermutlich zu einer Verschlechterung der
Lebenserwartung führt. Zwischen diesen Standpunkten sollte die "professionelle
Neutralität" dazu führen, den Patienten bewertungsneutral zu informieren.
|
Entscheidungen den Patienten respektieren
|
Es kann auch schwierig sein, die Entscheidungen eines Patienten
zu respektieren, wenn sie den eigenen Überzeugungen zu deutlich widersprechen. In
diesem Fall ist es unter Umständen nur schwer möglich, den Willen und die
Entscheidungen des Patienten zu akzeptieren, wenn die eigenen professionellen
Erfahrungen, Überzeugungen und Meinungen sowie das eigene Fachwissen dagegen
sprechen.
|
Therapie trotzt Unwirksamkeit weiter führen
|
Ein Beispiel: Einem Patienten wird die Beendigung einer Chemotherapie oder
einer Bestrahlung vorschlagen, weil sich keine Therapieerfolge einstellen und
der Patient zudem unter ausgeprägten Nebenwirkungen leidet. Der Patient und seine Angehörigen möchten
aber eventuell nicht akzeptieren, dass die Behandlungen abgebrochen werden, weil
sich ihre letzten Hoffnungen auf diesen Therapien gründen und weil sie möchten,
dass alles medizinisch Mögliche getan wird. Nach gründlicher Aufklärung des
Patienten und seiner Angehörigen über die Situation, mehreren erläuternden
Gesprächen und Darlegung der eigenen professionellen Überzeugungen muss der Wille
des Patienten jedoch akzeptiert werden, auch wenn dieser der eigenen Überzeugung
zuwiderläuft. Auf keinen Fall dürfen die eigenen Überzeugungen, Meinungen und
Urteile aufgedrängt sie sollten lediglich neutral darlegt werden. Zudem
dürfen derartige unterschiedliche Meinungen nicht dazu führen, dass die
Patienten und deren Angehörige vom palliativmedizinischen Team als "schwierig"
beurteilt werden.
|
"Schwierige" Patienten
|
In der Praxis kommt es immer wieder dazu, dass Patienten und/oder
deren Angehörige vom palliativmedizinischen Team als "schwierig" angesehen
werden. Dies ist unter Umständen dann der Fall, wenn Patienten sich nicht öffnen
und nicht über ihre Gefühle, Sorgen, Ängste und Erwartungen sprechen möchten -
was natürlich ihr gutes Recht ist. Ein weiterer Grund für die Einstufung eines
Patienten als "schwierig" ergibt sich, wenn sich der Patient nicht an die
verordnete Therapie hält und beispielsweise die verordneten Tabletten überhaupt
nicht oder nur unregelmäßig einnimmt. Hier gilt es herauszufinden, warum der
Patient die Tabletteneinnahme meidet, und gemeinsam eine Lösung zu finden.
Beispielsweise kann der Patient Angst davor haben, durch ein starkes
Schmerzmedikament abhängig zu werden, ständig müde zu sein oder sein Leben zu
verkürzen. Wenn der Grund für die Abneigung gegenüber den Tabletten bekannt ist,
kann der Arzt eventuelle Bedenken ausräumen. Gelingt dies nicht, sollten Arzt
und Patient gemeinsam nach einer alternativen Lösung suchen, die beispielsweise
in der Verwendung schwächerer Schmerzmittel in höherer Dosierung bestehen kann.
|
|
Möglichkeiten, eine Übertragung zu verhindern
|
Maßnahmen gegen eine Übertragung
|
Die Übertragung eigener Gefühle, Meinungen und Überzeugungen auf
Patienten und/oder deren Angehörige lässt sich durch mehrere Maßnahmen
verhindern:
- Vergegenwärtigung der eigenen Gefühle, Meinungen und Überzeugungen und
klare Abgrenzung derselben gegenüber denen des Patienten und seiner
Angehörigen
- Akzeptanz des Willens und der Entscheidungen des Patienten sowie
Diskussion der eigenen, unterschiedlichen Vorstellungen mit dem Patienten
("Ich akzeptiere Ihre Entscheidung, die Chemotherapie nicht
weiter fortzuführen. Ich würde darüber aber gerne noch einmal mit Ihnen
sprechen, um Ihre Entscheidung besser zu verstehen. Außerdem würde ich
meinen Therapievorschlag gerne noch einmal erläutern, sodass Sie eventuell
doch noch einmal über eine Alternative nachdenken können.")
- Sicherstellung, dass der Wille des Patienten in vollem Umfang gewahrt
bleibt (keine "Überrumpelungen", beispielsweise Vereinbarung eines
Bestrahlungstermins in der Bestrahlungsabteilung, ohne dies mit dem
Patienten abzusprechen)
|
Syndrom des stolzen Helfers
|
In diesem Zusammenhang ist auch das vom Autor
Caplan beschrieben
"Syndrom des stolzen Helfers" zu nennen. Damit bezeichnet Caplan einen Menschen
mit einem medizinischen Beruf, der sein gesamtes Leben auf den Beruf und "seine"
Patienten ausrichtet. Durch die berufliche Tätigkeit erhält der "stolze Helfer"
Respekt, Bestätigung, Stolz und ein Gefühl der "noblen Selbstaufopferung" für andere. Dies führt unter Umständen dazu, dass die Patienten nur noch aus
der Sicht des professionellen medizinischen Helfers gesehen werden, was das
Verständnis für den Willen sowie die Wünsche, Vorstellungen und Ängste des
Patienten und seiner Angehörigen erschwert. Mediziner (Ärzte, Krankenschwestern
beziehungsweise Krankenpfleger) und andere Mitglieder des palliativmedizinischen
Teams, die an sich die Merkmale des "stolzen Helfers" wahrnehmen, sollten sich
ihre eigenen, professionellen Vorstellungen, Meinungen und Überzeugungen bewusst
machen und diese bewusst gegenüber dem Willen und den Wünschen des Patienten und
seiner Angehörigen abgrenzen (beispielsweise Akzeptanz der Entscheidung eines
Patienten, eine Therapie zu beenden, obwohl dies aus professioneller
medizinischer Sicht nicht ratsam erscheint).
|
|
|
| |
|