Palliativmedizin

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Palliativpflege bei trockenem und schmerzhaftem Mund

 

Durch pflegerische Maßnahmen ist es möglich, unterschiedliche Beschwerden von Palliativpatienten zu lindern. Diese pflegerischen Maßnahmen können alleine zur Anwendung kommen oder als Ergänzung zu anderen Therapien eingesetzt werden, beispielsweise als Ergänzung zu einer medikamentösen Behandlung.

 

Mundpflege gehört zur täglichen Hygiene

Eine regelmäßige sorgfältige Mundpflege ist schon allein aus hygienischen Gründen wichtig. Sie umfasst unter anderem die Reinigung der Zähne, die Befeuchtung und Reinigung der Mundschleimhaut sowie die Pflege herausnehmbarer Zahnteile oder eines gesamten Gebisses. Zudem trägt eine regelmäßige Mundpflege mit Befeuchtung der Schleimhäute und Erfrischung der Mundhöhle erheblich zum Wohlbefinden der Palliativpatienten bei, denn viele Palliativpatienten leiden unter einer trockenen Mundschleimhaut. Das kann unter Umständen äußerst quälend und belastend sein.

 

Mundregion ist sehr sensibel

Die regelmäßige Mundpflege dient jedoch nicht nur der Reinigung, Erfrischung und Befeuchtung der Mundschleimhäute. Die Mundregion gehört mit zu den sensibelsten Bereichen des Körpers. Das wird unter anderem dadurch deutlich, dass der Mund für so angenehme Dinge wie Küssen verwendet wird. Er ist zum Essen notwendig und spielt auch beim Sprechen eine wesentliche Rolle.

 

Sinne des Patienten positiv ansprechen

Dies erfordert von den palliativmedizinisch tätigen Krankenschwestern und Krankenpflegern zum einen ein hohes Maß an Sensibilität und Behutsamkeit bei der Durchführung der Mundpflege. Zum anderen bietet sich die Möglichkeit, die Sinne des Patienten im Rahmen der Mundpflege bewusst positiv anzusprechen, beispielsweise durch Verwendung von Mundspüllösungen mit einem Lieblingsgeschmack des Patienten. Auch das sachte Betupfen und Bestreichen der berührungsempfindlichen Mundschleimhaut und der Lippen kann gerade für Palliativpatienten mit beeinträchtigter Wahrnehmung sehr angenehm sein.

 

Öffnen des Mundes anregen

Bei schwer kranken Palliativpatienten, insbesondere in den letzten Lebenstagen, kann es durch Wahrnehmungsstörungen eventuell dazu kommen, dass die Patienten den Mund nicht öffnen möchten, um die Mundpflege durchführen zu lassen. Hier sind vonseiten der Pflegenden viel Geduld und Fantasie erforderlich, um diese wichtige Maßnahme dennoch durchführen zu können, ohne den Patienten dadurch zu belasten. Beispielsweise lässt sich das Öffnen des Mundes anregen, indem man die Lippen sanft kreisförmig bestreicht. Auch das Betupfen der Lippen mit gut schmeckenden Mundpflegelösungen ist häufig hilfreich. Hier kann man oft die Angehörigen sinnvoll einbeziehen und diese beispielsweise nach den Lieblingsgeschmäckern des Patienten sowie seinen bisherigen Mundpflegegewohnheiten fragen. Unter Umständen lässt der Palliativpatient die Mundpflege lieber durchführen, wenn sie mit einer vertrauten, im bisherigen Leben gerne verwendeten Zahncreme durchgeführt wird oder wenn man zur Spülung des Mundes und zur Befeuchtung der Mundschleimhäute das Lieblingsgetränk des Patienten verwendet.

 

Borken und Beläge

Bei starker Mundtrockenheit bilden sich gelegentlich fest haftende Borken und Beläge auf der Zunge, was für den betroffenen Patienten in der Regel sehr unangenehm ist. Begleitend zur Mundpflege kann man die Lösung dieser Borken und Beläge unterstützen, indem man ein Viertel einer Vitaminbrausetablette auf die Zunge legt. Die Tablette löst sich auf und bildet dabei einen angenehm schmeckenden Schaum, welcher die Borken und Beläge ablöst, sodass sie sich von der Zunge entfernen lassen.

 

Ursachen von Mundtrockenheit in der Palliativmedizin

Eine quälende Mundtrockenheit kann bei Palliativpatienten zahlreiche verschiedene Ursachen haben, beispielsweise:

  • Verringerung der Speichelbildung
  • Erkrankungen der Mundschleimhaut (zum Beispiel eine Pilzinfektion)
  • ausgeprägte Verdunstung des Speichels, wenn der Mund häufig offen steht
  • ungenügend behandelte Zuckerkrankheit, die den Flüssigkeitshaushalt des Körpers beeinträchtigt
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • Erkrankungen, die mit einer Regulationsstörung des Immunsystems verbunden sind (Autoimmunerkrankungen)
  • Ursachen, welche auf eine bösartige Tumorerkrankung zurückzuführen sind, unter anderem:
    • Erhöhung des Kalziumspiegels im Blut (durch eine tumorbedingte Beeinträchtigung des Kalziumstoffwechsel, beispielsweise durch Kalziumfreisetzung aus den Knochen infolge des Wachstums von Tochtergeschwülsten in den Knochen)
    • Zerstörung von Speicheldrüsengewebe durch das Wachstum eines Tumors in dieser Region
    • allgemeine Schwäche
    • verstärkte Atmung über den Mund, beispielsweise bei einer Behinderung der Nasenatmung aufgrund eines Tumorwachstums im Bereich der Nasenhöhle
    • allgemeine Austrocknung
    • Infektionen (zum Beispiel Speicheldrüsenentzündung oder Entzündung der Mundschleimhaut)
    • Fieber
    • Ängste und Depressionen
  • Ursachen, die durch die Therapie der Tumorerkrankung entstehen, unter anderem:
    • Bestrahlung der Kopf-Hals-Region und damit auch der Mundhöhle
    • chirurgische Eingriffe im Bereich des Mundes oder der Speicheldrüsen
    • Entzündung der Mundschleimhaut als Therapienebenwirkung
    • Einsatz von Medikamenten, die eine Mundtrockenheit begünstigen (z. B. Medikamente zur Förderung der Flüssigkeitsausscheidung aus dem Körper, starke Schmerzmittel aus der Gruppe der Opioide, Medikamente gegen Depressionen und Wirkstoffe zur Linderung anderer seelischer Beschwerden)

 

Ursache beheben

Lässt sich bei einem Palliativpatienten eine konkrete Ursache der Mundtrockenheit feststellen, sollte diese Ursache - sofern möglich - beseitigt werden, beispielsweise durch Austausch von Medikamenten oder durch angemessene Behandlung einer Zuckerkrankheit. Ist dies nicht möglich ist es häufig hilfreich, den Speichelfluss des Patienten anzuregen und seine Mundschleimhäute regelmäßig zu befeuchten. Diese Maßnahmen können auch als Ergänzung zu einer ursächlichen Behandlung der Mundtrockenheit durchgeführt werden.

 

Speichelfluss anregen durch gefrorene Fruchtstückchen

Eine Anregung des Speichelflusses kann erreicht werden, durch Anbieten kleiner gefrorener Fruchtstücken zum Lutschen. Besonders gut geeignet sind kleine Ananas-, Orangen- und Zitronenstückchen. Das Fruchtfleisch der Ananas enthält das Enzym Ananase, das die Speichelproduktion anregt. Durch das Lutschen der gefrorenen Fruchtstückchen wird neben der Anregung des Speichelflusses zudem die Zunge von eventuellen Belägen gereinigt.

 

Speichelfluss anregen durch Getränke, Wassereis, saure Drops etc.

Weitere Möglichkeiten der Anregung des Speichelflusses bestehen im Trinken von saurem Tee (unter anderem die Sorten Malve und Hagebutte) sowie im Lutschen von Wassereis oder sauren Drops. Das Wassereis kann entsprechend der Vorlieben des einzelnen Patienten individuell zubereitet werden und zum Beispiel aus gefrorenem Fruchtsaft, aber auch aus anderen gefrorenen Getränken wie Cola, Bier oder Sekt bestehen. Diese individuellen Eiszubereitungen lassen sich in nahezu unbegrenzter Vielfalt anfertigen, da man fast alle Getränke gut einfrieren kann und diese beim Schmelzen im Mund wieder ihren ursprünglichen Geschmack entfalten. Das Lutschen von sauren Drops regt durch den Gedanken an die sauren Früchte, beispielsweise Zitronen, und durch den sauren Geschmack selbst den Speichelfluss an. Außerdem wird die Zunge durch die Lutschbewegungen von eventuellen Belägen gereinigt.

 

Kaugummi

Aber auch das Kauen von Kaugummi, insbesondere mit der Geschmacksrichtung "Spearmint", fördert den Speichelfluss. Dies ist zum einen durch die Kaubewegung an sich bedingt, zum anderen wird dieser Effekt durch die Spearmint-Minze angeregt.

 

Aromalampe mit Zitronenöl

Einige Palliativpatienten leiden unter Übelkeit oder Geschmacksveränderungen und nehmen daher nur ungern gefrorene Fruchtstückchen, Eis oder Drops in den Mund. In diesem Fall kann es hilfreich sein, eine Aromalampe im Zimmer des Patienten aufzustellen, beispielsweise mit Zitronenöl. Auf diese Weise entsteht im Zimmer ein leichter, angenehmer Zitronenduft, welcher die Speichelproduktion ebenfalls anregen kann.

 

Befeuchtung der Schleimhaut

Neben der Anregung des Speichelflusses ist es bei Mundtrockenheit für den Patienten meist sehr angenehm, wenn die Mundschleimhäute regelmäßig befeuchtet werden. Dies geschieht im Rahmen der normalen Mundpflege, wobei zur Erfrischung der Mundschleimhäute unbedingt auf eine gewisse Regelmäßigkeit zu achten ist. Insbesondere bei Palliativpatienten in der Sterbephase, die nur noch wenig Flüssigkeit zu sich nehmen und daher häufig unter einem trockenen Mund leiden, sollte die Mundpflege mit Befeuchtung der Mundschleimhäute alle 2 bis 4 Stunden erfolgen, damit eine quälende Mundtrockenheit erst gar nicht entstehen kann.

 

Zerstäuben von Flüssigkeit kann leicht durchgeführt werden

Die Art der Befeuchtung der Mundschleimhaut sollte sich dabei nach den Vorlieben des einzelnen Patienten richten. Beispielsweise ist es möglich, die Mundhöhle mit Flüssigkeiten auszuwischen, die der Patient als angenehm empfindet, wie Tee, spezielle Mundspüllösungen, Wasser, Eiswasser oder Mineralwasser. Eine weitere Möglichkeit besteht im Zerstäuben von Flüssigkeiten, um sie auf diese Weise in den Mund des Patienten gelangen zu lassen, wo sie sich gleichmäßig auf der Mundschleimhaut und der Zunge verteilen und die Mundhöhle auf diese Weise befeuchten. Dieses Vorgehen wird von den meisten Palliativpatienten als sehr angenehm empfunden. Durch das Zerstäuben der Flüssigkeit zu einem feinen Nebel ist zudem die Gefahr des Verschluckens von Flüssigkeit sehr gering. Diese Art der "Munderfrischung" kann auch sehr gut von pflegenden Angehörigen durchgeführt werden, die ihrem sterbenden Familienmitglied etwas Gutes tun möchten.

 

Schmerzhafter Mund

Bei einigen Palliativpatienten kann es zu einem sogenannten Painful Mouth kommen. Dies bedeutet "schmerzhafter Mund" und beschreibt unangenehme Schmerzempfindungen im Mundbereich, die unter anderem auf schmerzhafte Schleimhautveränderungen zurückzuführen sind, beispielsweise durch Entzündungen. Ein solcher "schmerzhafter Mund" stellt in der Regel eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität dar, weil jeglicher Kontakt mit der betroffenen Mundschleimhaut schmerzhaft und unangenehm ist. Dadurch sind sowohl Essen und Trinken als auch hygienische Maßnahmen wie die regelmäßige Mundpflege nur eingeschränkt oder gar nicht möglich. Gerade eine sorgfältige Mundpflege, eventuell in Verbindung mit der Verabreichung von Medikamenten, wäre jedoch häufig erforderlich, um die Schleimhautveränderungen zu bessern.

 

Teufelskreis

Dadurch entsteht nicht selten ein Teufelskreis: Mangelnder Mundhygiene bei Schleimhautschäden verstärkt diese, dadurch kommt es zu Schmerzen und Schmerzen führen zu Schwierigkeiten, die notwendige Mundpflege in ausreichender Weise durchzuführen.

 

Lokale Betäubungsmittel helfen

Dieser Teufelskreis lässt sich allerdings durch die Verwendung lokaler Betäubungsmittel durchbrechen, welche man direkt in die Mundhöhle verabreichen kann (beispielsweise als Gel, Lutschtablette oder Lösung oder auch als Eis, was für die Patienten aufgrund der zusätzlichen Kühlung meist besonders angenehm ist). Durch die lokalen Betäubungsmittel werden die Schmerzen kurzfristig gelindert, sodass die Mundpflege durchführbar ist. Durch die Mundpflege und die eventuell notwendige Gabe von Medikamenten zur Linderung von Schleimhautschäden nehmen auch die Schmerzen ab, sodass die Mundpflege in der Folge für den Patienten wieder angenehmer und dadurch für das Pflegepersonal leichter durchführbar ist. Außerdem können die lokalen Betäubungsmittel ganz gezielt vor schmerzhaften oder unangenehmen Situationen wie Mundpflege oder Essen eingesetzt werden, um die Belastung für den Patienten zu verringern.

 

Sprechen kann beeinträchtigt sein

Weiterhin ist durch einen "schmerzhaften Mund" häufig auch das Sprechen beeinträchtigt, sodass für den schwer kranken Palliativpatienten Kommunikationseinschränkungen entstehen. Gerade in der letzten Lebensphase bedeutet eine Einschränkung der Kommunikation mit den Angehörigen und den engen Freunden eine weitere Beeinträchtigung und unter Umständen eine erhebliche Minderung der Lebensqualität.

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