3.0 Qualitätssicherung3.1 Grundlegende ZusammenhängeZu den frühesten Ansätzen, grundlegende Zusammenhänge des
modernen medizinischen Versorgungswesens unter erkenntnistheoretischen Gesichtspunkten
aufzuarbeiten und einer Systematik zuzuführen, zählen die Arbeiten des Amerikaners Avedis
Donabedian in den 50er und 60er Jahren. In einer ersten Analyse lokalisierte der Autor als die drei wesentlichen Ansatzpunkte für die Qualitätsbeurteilung der medizinischer Versorgung
Die technische Ausführung beinhaltet die Anwendung medizinischen Wissens unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten. Eine zufriedenstellende technische Ausführung führt zu einer Zunahme des "Gesundheitsgewinns", sie interagiert mit dem Ressourceneinsatz und der Risikoabschätzung. Das interpersonelle Verhältnis Arzt-Patient berücksichtigt
beispielsweise die Übereinstimmung von Behandlung und Pflege mit ethischen oder sozialen
Konventionen, und ist im wesentlichen bestimmt durch die Bedürfnisse des Patienten. Kritik an dieser frühen Systematik ist sicherlich berechtigt, da
Donabedian nur eine lückenhafte Aufzählung qualitätsbestimmender Kriterien in
horizontaler Ebene vornimmt und beispielsweise die Patientenzufriedenheit mit dem
Behandlungserfolg nicht berücksichtigt. In einem weiteren Ansatz versucht der gleiche Autor daher, die
Qualität auch in einer zweiten Dimension zu systematisieren. International anerkannt ist
sein Konzept der begrifflichen Unterscheidung in Struktur- Prozeß- und Ergebnisqualität,
welches inhaltlich als Grundlage für die Qualitätssicherung der ärztlichen
Berufsausübung auf dem 96. Deutschen Ärztetag im Mai 1993 übernommen wurde: 1) Die Strukturqualität (Appraisal of structure) entspricht der
Qualität der Leistungserstellung und bezieht sich auf die Qualität der eingesetzten
Produktivfaktoren und der Qualität von Aufbau- und Ablauforganisation. Als Beispiele der
eingesetzten Mittel seien genannt: Personal, medizinische Einrichtung, technische
Ausstattung, Medikamente, medizinischer Sachbedarf und Arbeitsablauforganisation. Die
zugrundeliegende Arbeitshypothese besagt, daß eine positive Korrelation zwischen
Qualität der eingesetzten Mittel einerseits und Qualität der medizinischen Versorgung
andererseits anzunehmen ist. Anders ausgedrückt: Qualifiziertes Personal und hochwertige
technische Ausstattung und gute Organisation bewirken gute medizinische Ergebnisse. 2) Die Prozeßqualität (Assessment of process) ist gegeben durch die Qualität des Behandlungsprozesses. Sie setzt dabei voraus, daß Umfang und Ablauf der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen den anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft und den Erfahrungen der ärztlichen Berufspraxis entsprechen. Die Arbeitshypothese lautet: Ein qualitativ hochwertiger Behandlungsprozeß bewirkt ein gutes Behandlungsergebnis. 3) Die Ergebnisqualität (Assessment of outcomes) bezieht sich auf
die Qualität der Zielerreichung, i.e. des Behandlungsergebnisses. Die Beurteilung des
Behandlungsergebnisses erfolgt im Hinblick auf Gesundheits- und Zufriedenheitszustand des
Patienten. Die Ergebnisqualität ist der primäre Beurteilungsmaßstab für eine
medizinische Leistung. Da Veränderungen im Gesundheitszustand der Patienten bislang selten
operationalen Definitionen unterliegen, sind Qualitätsbeurteilungen anhand des
Behandlungsergebnisses schwierig zu bewerkstelligen. Wirksame
Qualitätssicherungsprogramme erfordern eindeutige Behandlungsziele und exakte Vorgaben
für den einzelnen Behandlungsfall, damit der Grad der Zielerreichung und die
Versorgungsqualität evaluiert werden können. Ein Hauptaugenmerk künftiger Entwicklungen
wird daher der Definition aussagefähiger Referenzpunkte in Form von Qualitätsindikatoren
und Qualitätskriterien gelten müssen. Hinsichtlich der Arbeitshypothesen zu 1) und 2) sei ferner
angemerkt, daß die zu erwartenden positiven Korrelationen zwischen Ressourcen, Prozeß
und Behandlungsergebnis keinen naturwissenschaftlichen, mechanistischen
Gesetzmässigkeiten unterliegen und folglich nur bedingt zur Qualitätsbeurteilung
herangezogen werden können. (taugen, befähigen,geeignet ) Die Schwierigkeiten der Qualitätsbeurteilung anhand des
Behandlungsergebnisses bilden derzeit in der Gesundheitsversorgung genau jene Hürde, die
es für die Leistungserbringer zu nehmen gilt, da bislang Veränderungen im
Gesundheitszustand des Patienten nicht exakt und operational definiert werden und somit
also auch nicht gemessen werden können. Dies liegt vor allem daran, daß für den Einzelfall häufig kein
Behandlungsziel vorgegeben wird, an welchem der Grad der Zielerreichung und die
Versorgungsqualität zu messen wären. Kritisch angemerkt sei ferner, daß die
stillschweigende Voraussetzung der positiven Korrelation zwischen Leistungserstellung und
medizinischer Versorgung nicht naturwissenschaftlichen, mechanistischen
Gesetzmäßigkeiten unterliegt und daher zur Qualitätsbeurteilung nur unter
differenzierter Betrachtung verwendet werden darf. 3.2 DefinitionenWie bereits aufgezeigt unterliegt Qualität keinesfalls
unabänderbaren, rigiden Festlegungen und Gesetzmäßigkeiten. Zur Aufrechterhaltung eines
Qualitätsniveaus unter geänderten Rahmenbedingungen wie auch zur Verbesserung der
Qualität bei generellen Mängeln bedarf es daher eines geeigneten Instrumentariums. Hierzu zählen jene regelmäßigen Kontrollen und Überprüfungen,
wie sie beispielsweise im Rahmen von Fertigungsprozessen in der Industrie seit vier
Jahrzehnten bekannt und neuerdings auch vermehrt im Dienstleistungsbereich anzutreffen
sind. Qualitätskontrollen und Qualitätsüberprüfungen dienen der
berwachung der Qualität von in Massen produzierten Gütern und in Massen erbrachten
Dienstleistungen mittels statistischer Methoden. Anhand der Qualitätskontrolle wird
ermittelt, in wieweit gegebenenfalls aufgefallene Abweichungen der Güter- oder
Leistungsqualität von der Norm zufällig entstanden sind oder einem (systematischen)
Fehler zugeschrieben werden können. Bei letzterem Verhalten muß den Ursachen für das
Fehlverhalten nachgegangen werden und in einem weiteren Schritt eine Fehlerbeseitigung
erfolgen. Dem öffentlichen Begriffsverständnis folgend bezeichnet man
dagegen mit der Vokabel "Qualitätssicherung" alle Instrumente im Fertigungs-
oder Dienstleistungsprozeß, die geeignet sind, die Beschaffenheit von Gütern und
Dienstleistungen zur Erfüllung der in sie gesetzten funktionalen Erwartungen zu
stabilisieren oder zu verbessern (Deneke). Die DIN-ISO-Normenreihe 9000ff. erweitert
diese Definition dahingehend, daß alle qualitätssichernden Tätigkeiten einem geplanten,
systematischen Ansatz unterliegen müssen. Qualitätskontrollen, Qualitätsüberwachung und
Qualitätsüberprüfung, gemeinsam mit Qualitätsplanung und Qualitätslenkung, sind
mithin als Methoden eines übergeordneten Qualitätssicherungssystems im Rahmen eines
Qualitätsmanagements zu verstehen. Die vielfach anzutreffende Ansicht, Qualitätssicherung sei ein
Synonym für eine vertiefte Dokumentation, ist demnach irrig. Vielmehr ist die
Dokumentation Voraussetzung für eine Qualitätssicherung, ebensolches gilt im brigen auch
für die auf die Resultate angewandten statistischen Methoden. Aber selbst Datenerfassung
und Auswertung allein bilden immer noch kein Qualitätssicherungsprogramm.
Ausschlaggebende Elemente einer tatsächlichen Qualitätssicherung sind über die beiden
bereits erwähnten Punkte hinaus Zielsetzung, Analyse, Rückschluss und Lösungsumsetzung,
Qualitätssicherung impliziert mithin Beurteilung und Intervention. Beginnend mit einer ersten Idee, gefolgt von einem schriftlich
fixierten Konzept bis hin zur Institutionalisierung durchläuft die Entwicklung eines
Qualitätssicherungsprogrammes nach Selbmann drei
wesentliche Stadien: I Modell-Phase (Wissenschaftliche Studie) II Studien-Phase (Breitenstudie) III Programm-Phase (Routine) Grundlage der Modell-Phase bildet die Idee eines
'Innovators', wo Qualitätssicherung erforderlich ist und wie man diese
messen könnte. Alsdann müssen adäquate Werkzeuge und Methoden entwickelt oder
zusammengetragen werden. Hierunter fallen beispielsweise auch Standards und Normen. In der Studien-Phase beteiligen sich neben dem Innovator
sogenannte frühe Anwender an ersten Umsetzungen in die Praxis. Machbarkeit und
Konsensfähigkeit des Programmes werden geprüft, erste Hinweise auf Effektivität sind zu
erwarten. Diese Phase ist typischerweise Domäne der Fachgesellschaften,
Berufsverbände und kleinerer Arbeitsgruppen, nicht zuletzt auch im universitären
Bereich. Bei Eintritt in die Programm-Phase - oder Phase der
Institutionalisierung - muss sich das Programm für die sogenannten späten Anwender als
praktikabel erweisen und im Routine-Einsatz bewähren. Fragen der Dauerfinanzierung und
des Effektivitätsnachweises erfahren zu diesem Zeitpunkt endgültige Klärung. 3.3 Paradigma der Qualitätssicherung
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1.0 Einleitung | 2.0 Qualität | 3.0 Qualitätssicherung |
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4.0 Ursachen und Gründe | 5.0 Systemaufbau | 6.0 Europäische Ansätze |
7.0 Perspektiven | 8.0 Einführung eines QS-Systems | 9.0 Historischer Abriß |
10.0 Literatur |
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