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Arzneimittelsicherheit:
Der Weg eines Arzneimittels von der Forschung bis zur Zulassung

Inhaltsübersicht:
Entwicklung neuer Substanzen
Präklinische Prüfung
Klinische Prüfung
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4

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Entwicklung neuer Substanzen

Die Entwicklung neuer Substanzen ist ein fortlaufender Prozess.

Laufend wird in der medizinischen Forschung an neuen Entwicklungen und Erkenntnissen gearbeitet. Dabei gibt es verschiedene mögliche Gründe für die Entwicklung eines neuen Arzneimittels.
  • Mit einem neuen Arzneimittel wird die Hoffnung auf eine Verbesserung der bisherigen medikamentösen Therapie verbunden.
  • Ein neues Arzneimittel soll das Verhältnis von Wirkung und Nebenwirkung optimieren, indem es die Risiken für das Auftreten möglicher Nebenwirkungen senkt oder einige Nebenwirkungen gar nicht auftreten lässt. Erreicht wird das häufig, wenn es gelingt, einen Arzneistoff so gezielt wie nur möglich an seinen Wirkort im menschlichen Körper zu bringen. Dieses Verfahren nennt man auch "Drug Targeting".
  • Größtmögliche Hoffnungen bestehen bei der Entwicklung eines neuen Arzneimittels, das gegen eine bisher nicht behandelbare Krankheit wirksam eingesetzt werden könnte.

 

Natürlich haben Unternehmen der Pharmaindustrie - genau wie jedes andere Unternehmen - das Recht und das Interesse, mit ihrer Arbeit Gewinne zu erzielen. Die Pharmaunternehmen unterliegen dabei allerdings einer besonderen Verantwortung, denn sie arbeiten in dem äußerst sensiblen Bereich der Gesundheit bzw. Krankheit des Menschen.

 

Es werden laufend neue chemische Verbindungen gesucht.

Am Anfang der Forschung und Entwicklung steht die Suche nach einer neuen chemischen Verbindung. Diese Suche kann auf verschiedene Art und Weise erfolgen. Eine chemische Abwandlung eines bereits existierenden Wirkstoffes oder einer Wirkstoffgruppe ist genauso möglich wie die Neusynthese eines bisher unbekannten Stoffes. Z. B. könnten chemische Verbindungen mit Hilfe einer computergesteuerten Simulation optimiert werden, die man dann versucht, im Labor nachzubauen. Oft orientiert man sich auch an Substanzen aus der Natur. Naturstoffe können als Extrakt naturbelassen bleiben oder es können einzelne wirksame Bestandteile herausgezogen werden.

 

Substanzen müssen vorgeschriebene Prüfverfahren durchlaufen.

Sind die gewünschten Substanzen hergestellt, gilt es, sie auf ihre Wirksamkeit hin zu prüfen. Diese Prüfverfahren laufen nach einem vorgeschriebenen Muster ab. Jeder Arzneistoff muss diese Prüfungen vor seiner Zulassung durchlaufen haben. Zunächst wird die Substanz im Labor getestet und evt. in Tierversuchen auf ihre Eigenschaften hin untersucht. Diese Phase nennt sich "präklinische Prüfung". Erst danach kommt es zu einer Prüfung am Menschen ("klinische Prüfung"), die in verschiedenen Phasen vollzogen wird.

 

Stellt sich eine Substanz als ungeeignet heraus, so wird die weitere Prüfung abgebrochen. Im Laufe dieser vorgeschriebenen Prüfungen stellt sich für die meisten der untersuchten Substanzen nicht das gewünschte Ergebnis ein. Die sorgfältige Suche und Prüfung von Substanzen für neue Arzneimittel ist ein unaufhörlicher Prozess von vielen Fehlversuchen und einigen Erfolgen.

 

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Präklinische Prüfung

Labor- und tierversuche stehen am Anfang.

Die präklinische Prüfung besteht aus einer vielfältigen Reihe von biochemisch-pharmakologischen Versuchen. Diese können sowohl am Tier erfolgen, als auch an Zellkulturen, isolierten Zellen oder Organen. Diese so genannten alternativen Testverfahren erlauben es aber nicht, das biologische Geschehen in einem Lebewesen vollständig nachzuvollziehen. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, gänzlich auf Tierversuche zu verzichten.

 

Nachdem der neue Arzneistoff dem Tier verabreicht wurde, werden sämtliche Reaktionen darauf genauestens beobachtet. Wichtig ist zunächst die Feststellung, ob der erwartete und erwünschte Effekt auch tatsächlich einsetzt oder ob eventuell giftige Wirkungen auftreten. Verläuft die Reaktion positiv gemäß den Erwartungen der Forscher, wird mit detaillierter Untersuchungen begonnen.

 

Detaillierte Untersuchungen schließen sich an.

Zuerst wird die Verträglichkeit und eventuelle Nebenwirkungen genauestens getestet. Daran schließt sich die Prüfung auf Giftigkeit (Toxizität) bei akuter und chronischer Anwendung der Substanz an. Ebenso wird jetzt auf das Risiko der Erbgutschädigung (Mutagenität), Missbildungsauslösung (Teratogenität) sowie Krebserzeugung (Kanzerogenität) hin untersucht.

 

Tierversuche lassen sich nicht immer vermeiden.

Es stellt sich oft die Frage, ob die Übertragbarkeit der Ergebnisse vom Tierversuch auf den Menschen ohne weiteres gegeben ist. Das ist natürlich nicht absolut möglich. Sind aber z.B. bestimmte Organfunktionen betroffen, ist die Übertragbarkeit besser als allgemein angenommen. Wirkt eine Substanz im Tierversuch krampflösend (spasmolytisch), ist eine gleiche Wirkung beim Menschen ziemlich sicher. Oder wenn ein Stoff blutdrucksenkend wirkt beim Tier, tut er dies gewöhnlich auch beim Menschen. Schwierig wird es allerdings dann, wenn die Wirkung auf den Zustand der Psyche Einfluss nehmen soll.

 

Von 10.000 Substanzen bleiben 10 übrig.

Von allen untersuchten Substanzen, in der Regel ca. 10.000, bleibt nur ein winziger Bruchteil, etwa 10 Substanzen, übrig. Diese übriggebliebenen Stoffe sind bei der präklinischen Prüfung für geeignet befunden worden, eine eventuelle spätere Bereicherung für die Medikamentenwelt darzustellen. Sie werden im nächsten Schritt, der klinischen Prüfung, zum ersten Mal am Menschen getestet.

 

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Klinische Prüfung

Ist der Nutzen gesichert, wird die Substanz an Menschen getestet.

Die klinische Prüfung beinhaltet nur Testverfahren, die sich am Menschen orientieren. Die Prüfung am Menschen ist aber erst erlaubt, wenn der Nutzen des neuen Arzneistoffes erwiesen ist, wenn die positiven Aspekte für den Einzelnen oder die Allgemeinheit gesichert sind und die mit dem Experiment verbundenen Risiken übersteigen. Zusätzlich zum grundlegenden Nutzen gibt es noch formale Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um die Erlaubnis für diese Prüfphase zu erlangen. Diese Anforderungen richten sich nach den GCP-Richtlinien (Good Clinical Practice for Trials on Medical Products in the European Community). Dazu gehören z.B. die Einholung einer Stellungnahme einer unabhängigen Ethikkommission vor Versuchsbeginn und die Einwilligung des Probanden, der Person, an der getestet werden soll. Die Probanden werden umfassend über die mit ihm durchgeführten Experimente aufgeklärt. Auch muss ein Prüfplan erstellt sein und die Ergebnisse müssen dokumentiert werden. Eine Kontrolle der Prüfärzte ist ebenfalls Voraussetzung für den Beginn der Testreihe.

 

Man unterscheidet 3 Phasen der klinischen Prüfung, die vor der Zulassung eines neuen Arzneimittels erfolgreich durchlaufen werden müssen, und eine sich daran anschließende 4. Phase.

 

Phase 1: Grundlagentests

In Phase 1 wird nur an gesunden Menschen, meist mittleren Alters, getestet. Nur bei bestimmten Arzneistoffen, wie z.B. Zytostatika - das sind Substanzen, die das Zellwachstum, besonders die Zellteilung verhindern oder verzögern - kann es aus wissenschaftlichen und ethischen Gründen nötig sein, direkt an Kranken zu testen.

 

Es wird zunächst festgestellt, ob der Arzneistoff beim Menschen die gleiche Wirkung zeigt wie vorher beim Tierversuch. Phase 1 beinhaltet ebenfalls die Findung der richtigen Beziehung zwischen Dosis und Wirkung. Ab welcher Dosis erreicht man den gewünschten Effekt und ab wann stellen sich zu viele Nebenwirkungen ein. Die Untersuchung auf Verträglichkeit ist ein weiterer wichtiger Aspekt dieser Prüfphase. Sind die Befunde alle positiv, geht man in die nächste Phase über.

 

Phase 2: Kleine Testgruppen

Zum ersten Mal wird das zukünftige Medikament an etwa 50 bis 300 Patienten getestet. Es handelt sich dabei meistens um Patienten in einem Krankenhaus (stationär), die an der Krankheit leiden, gegen die das neue Arzneimittel eingesetzt werden soll.

 

Die endgültige, optimale Dosierung wird in dieser Phase ermittelt. Zeigt sich eine erwartungsgemäße Wirkung und ein Maß an Nebenwirkungen, das aus medizinischer Sicht gut zu vertreten ist, schließt sich die nächste Phase an.

 

Phase 3: Große Testgruppen

In dieser Phase wird an einem größeren Patientenkreis getestet. Meistens handelt es sich um mehr als1000 Probanden. An verschiedenen Orten wird unabhängig voneinander nach dem gleichen Prüfplan verfahren. In der Phase 3 untersucht man den Wirkstoff nochmals hinsichtlich seiner Wirksamkeit und daneben zusätzlich auf seine Unbedenklichkeit. Dazu werden die akuten, aber auch chronischen Wirkungen und Nebenwirkungen in den verschiedenen Probandengruppen beobachtet. Ebenfalls wird der therapeutische Erfolg des neuen Stoffes mit schon vorhandenen Arzneimitteln der Standardtherapie verglichen.

 

Nach diesem Verfahren bleibt von den ca. 10 Substanzen, die die präklinische Prüfung überstanden haben, nur noch ein einziger übrig, der sich als brauchbar gezeigt hat. Am Ende der 3. Phase steht der Antrag auf  Zulassung des neuen Arzneistoffes. Die Arzneimittelzulassung ist festgelegt durch das Arzneimittelgesetz (AMG). Der Antrag wird vom Hersteller an eine staatliche Gesundheitsbehörde eingereicht. Dabei muss er aufgrund der durchgeführten Untersuchungen und deren Ergebnisse nachweisen, dass alle Anforderungen z.B. hinsichtlich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfüllt sind. Ebenfalls muss er darlegen, dass die gewählte Arzneiform (z.B. Tablette oder Zäpfchen), den gesetzlichen Qualitätsnormen entspricht.

 

Antrag auf Zulassung.

Die Zulassungsbehörde für Arzneimittel in Deutschland ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Sitz in Bonn. Das Paul-Ehrlich-Institut ist zuständig für die Zulassung von Impfstoffen und Sera. Für Tierarzneimittel ist das "Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin" verantwortlich. Daneben gibt es noch die Zulassungsbehörde der Europäischen Union (EMEA = European Agency for the Evaluation of Medical Products), die in London ansässig ist. Alle diese Behörden entscheiden darüber, ob ein neuer Arzneistoff letztendlich in den Verkehr gebracht.

 

Verwehrt wird eine Zulassung, wenn die gesetzlich geforderten Anforderungen nicht erfüllt sind hinsichtlich Wirkung und Unbedenklichkeit. Aber auch die pharmazeutische Qualität, wie Reinheit des Stoffes, ist ausschlaggebend, und kann bei nicht zufriedenstellendem Ergebnis, die Zulassung verhindern.

 

Nebenwirkungen sind normal, weil kein Stoff nur eine einzige isolierte Wirkung besitzt.

Eine gesetzliche Forderung nach absoluter Nebenwirkungsfreiheit besteht nicht, weil dies auch nicht realisierbar wäre. Jeder Arzneistoff, der eine Wirkung besitzt, ruft in der Regel auch Nebenwirkungen hervor: "Wenn behauptet wird, dass eine Substanz keine Nebenwirkungen zeigt, so besteht der dringende Verdacht, dass sie auch keine Hauptwirkung hat." (Prof. Gustav Kuschinsky, Lehrbuchautor von Bücher über Pharmakologie, Arzneibehandlung). Es gibt fast keinen Stoff, der ausschließlich nur einen einzigen, nämlich den gewünschten, Effekt mit sich bringt. Weder eine in der Natur vorkommende noch eine chemisch hergestellte Substanz können so spezifisch wirken. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass nur die eine gewünschte, nämlich die heilende oder lindernde Wirkung, in Erscheinung tritt.

 

Die Nebenwirkung kann zur Hauptwirkung werden.

Diese Vielfältigkeit des Wirkungsspektrums kann auch Nutzen bringen. Es gibt Fälle, in denen die Nebenwirkung eines Arzneimittels auf einmal interessanter wurde, als die eigentliche Hauptwirkung. So wurde man z.B. aufmerksam auf die eigentlich unerwünschte harntreibende (diuretische) Wirkung von Sulfanilamid, einem Antibiotikum. Diese Substanz wurde daraufhin chemisch so umgewandelt, dass sie ihre ursprünglich wachstumshemmende Wirkung auf Bakterien verlor. Statt eines Antibiotikums entstand ein neues Arzneimittel mit harntreibender Hauptwirkung. Das tatsächliche Auftreten von Nebenwirkungen ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Der individuelle Gesundheitszustand des Einzelnen ist genauso ausschlaggebend, wie z.B. die Dosis. "Jeder Stoff wird zum Gift, wenn er nur hoch genug dosiert ist." (Paracelsus, Arzt 16. Jhd.)

 

Diese Faktoren bezieht man in der Arzneimittelentwicklung mit ein, indem genaueste Untersuchungen stattfinden, die zeigen, wann die Häufigkeit und Schwere des Auftretens von Nebenwirkungen den Nutzen des Arzneimittels überwiegen würde. Um dies weiter herauszufinden, dient auch die 5-jährige Beobachtungsphase nach der Zulassung eines neuen Medikamentes. Nutzen und Risiko müssen gegeneinander abgewogen und es muss genauestens überprüft werden, ob die nicht erwünschten Wirkungen in einem akzeptablen Verhältnis zur gewünschten Wirksamkeit stehen.

 

Phase 4: Drug Monitoring

Ist der Arzneistoff zugelassen, wird er mit einem eigenen Handelsnamen auf den Markt gebracht werden. Ab diesem Zeitpunkt darf er von Ärzten verordnet und von Apothekern abgegeben werden. Abgeschlossen ist die Prüfung des Arzneimittels damit aber noch nicht. Während der Anwendung in der Praxis wird beobachtet, wie sich das neue Medikament langzeitlich gesehen bewährt. Eine Beobachtung erfolgt weiter hinsichtlich Wirkung und Nebenwirkung. Zudem ist gesetzlich vorgeschrieben, dass das neue Medikament die ersten 5 Jahre nach der Zulassung der Verschreibungspflicht des Arztes unterliegt.

 

 

Vom Wirkstoff zum zugelassenen Medikament

 

5 Jahre Beobachtung

Oft werden erst in dieser 4. Phase der klinischen Prüfung, die man auch "Drug Monitoring" nennt, seltene auftretende Nebenwirkungen entdeckt. Betroffene, die unerwünschte Nebenwirkungen an sich entdecken, die nicht im Beipackzettel beschrieben sind, sollten dies unbedingt ihrem behandelnden Arzt oder Apotheker mitteilen. Diese Informationen werden dann umgehend dem BfArM in Bonn mitgeteilt. Ein Arzneimittel-Schnellinformationsdienst des BfArM sorgt für eine rasche und offene Berichterstattung über Arzneimittelrisiken. Dies ist die Voraussetzung für Ärzte und andere medizinische oder pharmazeutische Fachkräfte, die fachliche Diskussion und Aufmerksamkeit zu optimieren.

 

Die Zulassung kann widerrufen werden.

Erhärtet sich während der 4. Phase ein Verdacht auf schwerwiegende Nebenwirkungen, wird ein Stufenplanverfahren eingeleitet. In diesem erörtert die Zulassungsbehörde mit dem Hersteller zusammen die Befunde. Gemeinsam wird dann über die zu ergreifenden Maßnahmen nachgedacht. Sie können unter Umständen einen Widerruf der Zulassung zur Folge haben.

 

Nach den 5 Jahren der Beobachtung ("Drug Monitoring"), wird entschieden, ob ein Medikament, nachdem es unter neuesten wissenschaftlichen Gesichtspunkten geprüft wurde, eine Verlängerung der Zulassung erhält. Wird die Zulassung verlängert, entscheidet sich auch, ob die Verschreibungspflicht bestehen bleibt, oder ob das Medikament in Apotheken ohne Vorlage eines Rezeptes gekauft werden kann.

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