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Ernährung bei Anorexie-Kachexie-Syndrom
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Allgemeine Maßnahmen
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Beratung ist entscheidend
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Zu den allgemeinen Maßnahmen zur Therapie des
Anorexie-Kachexie-Syndroms
gehören eine intensive Beratung des Patienten und seiner Angehörigen sowie die
Anpassung des Essverhaltens. Beispielsweise sollten der Patient und seine
pflegenden Angehörigen über den Kaloriengehalt verschiedener Nahrungsmittel
informiert werden. Eine Anpassung des Essverhaltens könnte dann darin bestehen,
entsprechend dem Geschmack des Patienten solche Nahrungsmittel und Getränke
auszuwählen, die sehr kalorienreich sind. Auf diese Weise muss der Patient keine
großen Mengen an Nahrung und Flüssigkeit zu sich nehmen, um eine ausreichende
Kalorienaufnahme zu gewährleisten.
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Kalorienreiche Nahrungsmittel
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Beispiele für kalorienreiche Nahrungsmittel
und Getränke sind Cola, Malzbier, süße Säfte, Eiscreme, Nüsse, Schokolade und
Milchmixgetränke. Zur Steigerung der Kalorienzufuhr können dem Essen außerdem
eiweiß- und kohlenhydrathaltige Zusätze beigemischt werden, welche den Geschmack
nicht beeinflussen und die Versorgung des Körpers mit Nährstoffen verbessern.
Bei Patienten mit Schluckstörungen kann pürierte Kost das Essen erleichtern.
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Essen was schmeckt
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Für Palliativpatienten, deren Lebenserwartung begrenzt ist, steht nicht mehr
eine möglichst gesunde Ernährung im Mittelpunkt. Vielmehr soll der Patient
einerseits ausreichend Kalorien aufnehmen, andererseits aber vor allem Freude am
Essen haben und die Nahrungsaufnahme nicht als Last ansehen. Dafür sind unter
anderem folgende Empfehlungen hilfreich:
- Essen bei jeder Gelegenheit, zu der man Appetit verspürt, also auch
nachts oder als Nachschlag unmittelbar nach einer Mahlzeit
- Planung der größten Mahlzeit des Tages für den Zeitpunkt, zu dem
erfahrungsgemäß der größte Appetit besteht
- Essen in angenehmer, ruhiger und freundlicher Atmosphäre sowie
gemeinsam mit anderen
- Beibehaltung lieb gewonnener Essensrituale, beispielsweise
Kerzenbeleuchtung des Esstisches
- häufiger Verzehr kleiner Mahlzeiten, die nicht schwer im Magen liegen
und leichter verdaulich sind als große Hauptmahlzeiten
- Bereithalten von Snacks entsprechend dem Geschmack des Patienten,
sodass bei Aufkommen von Appetit ohne großen Aufwand beispielsweise ein
Joghurt oder ein Schokoladenriegel verzehrt werden kann
- leichte körperliche Aktivität vor dem Essen, um den Appetit zu
steigern
- reichliches Trinken zwischen den Mahlzeiten, um einer Verstopfung
vorzubeugen
- Vermeidung großer Trinkmengen während der Mahlzeiten, da diese zu
einer raschen Sättigung beitragen
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Medikamentöse Therapie
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Megestrol
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Es besteht die Möglichkeit, den Appetit durch verschiedene Medikamente zu
fördern. Jedoch ist dies nur in begrenztem Umfang erfolgreich. Hier kommt
insbesondere der Wirkstoff Megestrol zur Anwendung. Er wird in einer Dosis von
täglich 160 bis 800 Milligramm verabreicht und führt zu einer Steigerung des
Appetits. Allerdings besteht das Risiko der Flüssigkeitseinlagerung sowie des
Auftretens von Thrombosen oder Embolien. Zudem ist diese Behandlung sehr teuer.
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Kortison
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Versuchsweise können auch Kortisonpräparate zum Einsatz kommen,
beispielsweise der Wirkstoff Prednison in einer Dosierung von 15 bis
30 Milligramm pro Tag oder der Wirkstoff Dexamethason in einer Dosierung von 3
bis 4 Milligramm pro Tag. Allerdings ist die Wirkung von Patient zu Patient
recht unterschiedlich. Zudem müssen die möglichen Nebenwirkungen des Kortisons
in Betracht gezogen werden, unter anderem Magenschleimhautschäden und erhöhte
Infektanfälligkeit. Ist nach einwöchiger Kortisontherapie keine
Appetitsteigerung zu verzeichnen, sollte dieser Therapieversuch wieder
abgebrochen werden.
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Prokinetika
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Bei einigen Patienten ist es zudem hilfreich, die Magenentleerung und die
Darmtätigkeit durch sogenannten Prokinetika anzuregen. Hier kommen
beispielsweise die Wirkstoffe Metoclopramid und Domperidon in Betracht. |
Cannabis
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Der Einsatz von Cannabisprodukten zur Appetitsteigerung ist umstritten. Dabei
sind auch die Nebenwirkungen dieser Substanzen zu bedenken, unter anderem
Müdigkeit und Darmträgheit, wobei sich Letztere negativ auf die Verdauung und
damit auch auf den Appetit auswirken kann.
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Sondenernährung
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Magensonde wird oft bei Schluckstörungen verwendet
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Die Ernährung über eine Magensonde kommt vor allem für Palliativpatienten mit
einer Schluckstörung in Betracht. Durch die Sonde ist es möglich, Nahrung in
flüssiger Form direkt in den Magen zu verabreichen, sodass die normale Verdauung
weiterhin erhalten bleibt. Die Anlage einer Magensonde kann für einen
Palliativpatienten eine deutliche Erleichterung darstellen, wenn der Betroffene
sich dadurch beispielsweise nicht mehr selbst um die Nahrungsaufnahme kümmern
oder sich nicht mehr mit Schluckschwierigkeiten belasten muss. Andererseits
stellt eine Magensonde natürlich einen Fremdkörper dar, der von einigen
Patienten oder deren Angehörigen als Belastung empfunden wird. Der Einsatz einer
Magensonde mit all ihren Vor- und Nachteilen sollte mit dem Patienten und seinen
Angehörigen daher genau besprochen und abgewogen werden, bevor man sich zu
diesem Schritt entschließt.
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Vorteile
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Ein weiterer Vorteil einer Magensonde besteht darin, dass auf diese Weise
auch Medikamente in Tabletten- oder Kapselform oder auch als Saft verabreicht
werden können. Derart ist es zu umgehen, die erforderlichen Medikamente als
Spritze oder Infusion mit dem dafür erforderlichen Venenzugang zu verabreichen.
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Kontraindikationen
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Folgende Umstände sprechen gegen die Anlage einer Magensonde zur Therapie
eines Anorexie-Kachexie-Syndroms bei Palliativpatienten:
- Verdauungsstörungen
- Bauchfellentzündung (Peritonitis)
- Absiedlung von Tochtergeschwülsten am Bauchfell (Peritonealkarzinose)
- Bauchwassersucht (Aszites)
- Blutgerinnungsstörungen
- Speiseröhrenverengung (Ösophagusstenose)
- ausgeprägte Auszehrung
- Einsetzen der Sterbephase
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Parenterale Ernährung
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Ernährung über die Vene
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Unter parenteraler Ernährung versteht man die Verabreichung von Nährstoffen
direkt in eine Vene mittels Infusionen. Dieses Vorgehen kommt dann in Betracht,
wenn ein Palliativpatient mit Anorexie-Kachexie-Syndrom nicht mehr ausreichend
essen kann und die Anlage einer Magensonde nicht möglich oder nicht sinnvoll
ist. Auch eine parenterale Ernährung mit all ihren Vor- und Nachteilen ist
natürlich ausführlich mit dem Patienten und seinen Angehörigen zu besprechen.
Entscheidet sich ein Patient dagegen, ist dies sein gutes Recht, gegen das man
nicht verstoßen darf - die behandelnden Ärzte müssen den Willen des Patienten
auf den Verzicht einer parenteralen Ernährung akzeptieren, auch wenn sich dessen
Leben durch den Verzicht sehr wahrscheinlich verkürzt. Selbstverständlich kann
eine bereits begonnene parenterale Ernährung auf Wunsch des Patienten auch
abgebrochen werden.
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Pro und Kontra
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Eine parenterale Ernährung kann sowohl für den betroffenen Palliativpatienten
als auch für seine Angehörigen eine Entlastung darstellen, da die ausreichende
Ernährung des Patienten auf diese Weise gesichert ist. Dadurch nimmt die Sorge
ab, der Betroffene könnte verhungern, weil er selbst nicht mehr ausreichend
isst. Auf der anderen Seite stellt diese "künstliche Ernährung" einen Eingriff
in den Körper des Patienten dar, und einige Betroffene empfinden dies als
unangenehm oder unnatürlich. Zudem kann es durch die parenterale Ernährung zu
Komplikationen kommen, unter anderem:
- Entzündungen im Bereich des Infusionskatheters
- Thrombosen
- Embolien
- Überlastung der Leber wie auch des gesamten Organismus durch die
zugeführten Nährstoffe
- Flüssigkeitsüberlastung des Körpers durch die verabreichte
Flüssigkeit mit Entwicklung von Wassereinlagerungen (Ödeme)
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Eingeschränkte Beweglichkeit
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Außerdem sind die Patienten während der Gabe der Infusionen in ihrer
Beweglichkeit eingeschränkt, was mobile Palliativpatienten unter Umständen als
erhebliche Belastung empfinden. Bei einer häuslichen parenteralen Ernährung
können sich zudem die Angehörigen eventuell überlastet oder durch die Apparate
gestört fühlen.
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Gründe für eine parenterale Ernährung
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Insbesondere Palliativpatienten mit Verdauungsstörungen oder dauerhafter
Schluckunfähigkeit profitieren jedoch von einer parenteralen Ernährung. Bei
ihnen lässt sich auf diese Weise unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts eine
ausgewogene und ausreichende Versorgung mit allen Nährstoffen sicherstellen, was
auf "normalem" Wege nicht mehr möglich ist. Gleiches gilt für kurzfristige
Verdauungsstörungen, die sich beispielsweise als Folge einer Bestrahlung oder
einer Chemotherapie entwickelt haben. Durch die parenterale Ernährung ist bei
diesen Patienten eine möglichst lange Lebenserwartung bei guter Lebensqualität
zu erreichen. In jedem Fall muss die Entscheidung für eine parenterale Ernährung
für jeden einzelnen Patienten unter Berücksichtigung seiner Wünsche individuell
getroffen werden.
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