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Flüssigkeitsversorgung bei Palliativpatienten
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Flüssigkeitshaushalt und Flüssigkeitsmangel bei Palliativpatienten
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Ursachen
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Viele schwer kranke und sterbende Palliativpatienten trinken nicht
ausreichend. Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Häufig ursächlich
sind:
- Schluckstörungen
- allgemeine
Schwäche
- Verwirrtheit
- Bewusstseinsstörungen
- nachlassendes Durstempfinden
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1,5 Liter Grundmenge
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Normalerweise ist zur Aufrechterhaltung der
Körperfunktionen eine tägliche Flüssigkeitsaufnahme von mindestens 1,5 Litern
erforderlich, in bestimmten Situationen - z. B. hohe Umgebungstemperaturen oder
Flüssigkeitsverluste durch Schwitzen, Fieber, Durchfall oder Erbrechen - auch
mehr. Allerdings wurde beobachtet, dass sterbende Menschen häufig über Tage und
Wochen mit erheblich geringeren Flüssigkeitsmengen auskommen, ohne dabei unter
Durstgefühlen zu leiden.
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Folgen mangelnder Flüssigkeit
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Die Folgen einer unzureichenden Flüssigkeitsaufnahme sind bei gesunden und bei kranken Menschen unter anderem:
- Empfinden von Durst
- Mundtrockenheit
- Nierenfunktionsstörungen bis hin zum Nierenversagen
- Konzentrationsstörungen
- Sprachstörungen
- Verwirrtheit (wobei diese bei sterbenden Patienten auch unabhängig
von einer unzureichenden Flüssigkeitsaufnahme auftreten kann)
- Fieber
- Unruhe
- Muskelkrämpfe
- niedriger Blutdruck mit Neigung zur "Kreislaufschwäche", insbesondere
beim Aufrichten oder Aufstehen
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Weitere Risiken
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Zusätzlich besteht bei kranken Menschen die Gefahr, dass ein eventuell
bereits drohendes Organversagen durch eine unzureichende Flüssigkeitsaufnahme
begünstigt wird. Zudem ist es möglich, dass die Wirkstoffe verschiedener
Medikamente und deren Abbauprodukte aufgrund der geringeren Flüssigkeitsaufnahme
in erhöhter Konzentration im Körper vorliegen, was wiederum das
Risiko für Nebenwirkungen steigert.
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Diagnostik
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Beobachtung und Trinkprotokoll
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Die Tatsache einer unzureichenden Flüssigkeitsaufnahme lässt sich einfach
durch die Beobachtung feststellen, dass ein Palliativpatient nur wenig oder gar
nicht trinkt. Dies kann man durch das Führen von Trinkprotokollen objektivieren,
in denen beispielsweise die Pflegekräfte jedes getrunkene Getränk und dessen
Menge eintragen. Zudem sind unter Umständen Zeichen einer Austrocknung zu
beobachten, beispielsweise:
- "stehende" Hautfalten, das heißt das aufrechte Stehenbleiben einer
Hautfalte, die man vorab durch vorsichtiges Zusammenschieben mit den
Fingern erzeugt hat
- verringerter Flüssigkeitsgehalt der Haut, was sich in Form einer
verringerten Hautstraffheit äußert
- trockene Schleimhäute, zum Beispiel im Bereich des Mundes
- Verringerung der Urinausscheidung
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Nebenwirkung von Medikamenten
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Allerdings können diese Zeichen einer Austrocknung bei Palliativpatienten
auch auf anderen Ursachen beruhen, insbesondere auf einem
Anorexie-Kachexie-Syndrom. Zudem können ein trockener Mund und ein
ausgeprägtes Durstgefühl auch in Form einer Medikamentennebenwirkung auftreten
und sind dann nicht die Folge einer unzureichenden Flüssigkeitsversorgung.
Infrage kommende Medikamente sind unter anderem:
- Morphin, welches zur Linderung starker Schmerzen eingesetzt wird
- krampflösende Medikamente (Spasmolytika)
- Neuroleptika, welche unter anderem bei verschiedenen seelischen und
geistigen Beschwerden zur Anwendung kommen
- Medikamente zur Linderung von Depressionen (Antidepressiva)
- Sauerstoff
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Psychische Aspekte
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Auch eine innere Anspannung, wie sie bei schwer kranken und unter Umständen
sterbenden Palliativpatienten verständlicherweise recht häufig auftritt, kann
das Gefühl von Mundtrockenheit und Durst entstehen lassen. Auch dies ist bei der
Einschätzung der Flüssigkeitsaufnahme zu berücksichtigen.
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Therapie
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Keine festen Regeln
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Es gibt keine festen Maßgaben, wann und in welchem Ausmaß bei
Palliativpatienten mit unzureichender Flüssigkeitsaufnahme eine therapeutische
Flüssigkeitsergänzung erfolgen sollte, beispielsweise in Form von Infusionen
oder über eine Magensonde. Viele Palliativpatienten mit unzureichender
Flüssigkeitsaufnahme leiden insbesondere unter einer Mundtrockenheit.
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Mundtrockenheit
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Mundtrockenheit
kann durch eine sorgfältige Mundhygiene und eine Anfeuchtung der
Mundschleimhäute z. B. mit speziellen Gels, entgegengewirkt werden, ohne dass man dem Patienten gezielt Flüssigkeit
geben müsste.
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Befürchtungen von Patienten
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Manche Palliativpatienten empfinden eine Flüssigkeitsgabe als Belastung
und haben Angst vor möglicherweise unangenehmen Begleiterscheinungen,
beispielsweise:
- Begünstigung von Wassereinlagerungen (Ödemen), zum Beispiel im
Gewebe, in der Bauchhöhle (Bauchwassersucht / Aszites) oder
in der Lunge (Lungenödem)
- Verstärkung der Bronchialverschleimung, was beim Atmen sehr
unangenehm als "Todesrasseln" hörbar ist
- Verursachung von Übelkeit und Erbrechen
- Steigerung eines bereits erhöhten Hirndrucks mit Verstärkung der
entsprechenden Symptome wie Übelkeit, Erbrechen,
Bewusstseinseinschränkungen und Kopfschmerzen
- Notwendigkeit häufiger Toilettengänge, was bei Palliativpatienten mit
allgemeiner Schwäche oder Schmerzen am Bewegungsapparat eine zusätzliche
Belastung darstellen kann
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Positive Aspekte
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Durch eine therapeutische Flüssigkeitsgabe lassen sich jedoch viele der
negativen Auswirkungen des Flüssigkeitsmangels lindern, beispielsweise niedriger
Blutdruck, Muskelkrämpfe, Verwirrtheit und Durstempfinden. Dies hat wiederum
positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität des Patienten.
Zudem sind starke Schmerzmittel aus der Substanzgruppe der Opioide häufig besser verträglich,
wenn kein Flüssigkeitsmangel besteht. Insbesondere kommt es seltener zu
Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Benommenheit oder Schwindelgefühlen.
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Nicht gegen den Willen des Patienten handeln
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Die Entscheidung für oder gegen eine Flüssigkeitsgabe muss in jedem Fall im
Einvernehmen mit dem Patienten getroffen werden, nachdem dieser ausführlich über die
möglichen Vor- und Nachteile informiert wurde. Dabei ist insbesondere die von
einigen Patienten geäußerte Befürchtung zu verdursten anzusprechen.
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Versuchsphase von 2 bis 3 Tagen
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Der Beginn einer therapeutischen Flüssigkeitsgabe besteht in der Regel in
einer 2- bis 3-tägigen Versuchsphase. In Abhängigkeit von der
Natriumkonzentration des Blutes erfolgt die Gabe von Flüssigkeit, die einen
höheren, identischen oder niedrigeren Natriumgehalt hat als das Blut des
Patienten. Auch die Zugabe von Glukose (Traubenzucker) zur Infusionslösung ist
möglich. Normalerweise wird insbesondere bei sterbenden Palliativpatienten nicht
mehr als ein Liter Flüssigkeit pro Tag zugeführt. Eine Mengenbegrenzung ist
zudem bei Palliativpatienten mit Herzschwäche, Eiweißmangel oder
Nierenfunktionsstörung erforderlich, da es sonst zu einer
Flüssigkeitsüberlastung des Körpers kommen könnte.
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Gabe von Flüssigkeit über Infusionen
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Die Infusionen können über eine Vene, aber auch direkt in das
Unterhautfettgewebe verabreicht werden. Die Verwendung eines Venenzugangs ist
insbesondere dann sinnvoll, wenn dieser schon vorhanden ist, beispielsweise in
Form eines sogenannten Ports, über den im Rahmen einer Chemotherapie Medikamente
verabreicht werden. Bei Patienten ohne vorhandenen Venenzugang empfiehlt sich
eher eine Flüssigkeitsverabreichung in das Unterhautfettgewebe (sogenannte
Hypodermoklyse), was in der Regel als angenehmer empfunden wird. Zu diesem Zweck
wird eine normalerweise für Blutabnahmen verwendete "Butterfly-Kanüle" oder auch
eine speziell für diesen Zweck vorhandene Hydrierungskanüle in das
Unterhautfettgewebe eingeführt und mit einer transparenten Folie fixiert. Dies
erfolgt meist am Bauch oder an den Oberschenkeln, wo die meisten Menschen eine
ausreichend dicke Fettschicht aufweisen. Aber auch an den Oberarmen sowie im
Brustbereich ist das Einbringen der Kanüle möglich. Die Kanüle kann über einen
Zeitraum von 5 bis 10 Tagen belassen werden. Dieses Verfahren ist auch im Rahmen
der häuslichen Palliativbetreuung anwendbar. Zudem ist es möglich, zusammen mit
der zugeführten Flüssigkeit Medikamente zu verabreichen, sodass diese nicht
separat gespritzt, als Infusion verabreicht oder in Tablettenform eingenommen
werden müssen. Dies empfinden viele Palliativpatienten und deren Angehörige als
Erleichterung.
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