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Therapie akuter Selbstmordtendenzen bei Palliativpatienten
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Selbstmordgedanken treten häufig auf
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Palliativpatienten befinden sich in einer schwierigen Lage. Sie sind
unheilbar krank und sehen sich häufig mit negativen Entwicklungen, starken
Schmerzen und den verschiedensten Ängsten konfrontiert. In einer solchen
Situation kann es zum Auftreten von Selbstmordtendenzen (Suizidalität) kommen. Meistens treten derartige Gedanken in
besonders schweren Situationen auf, beispielsweise bei starken Schmerzen oder
einer Verschlechterung des Krankheitsbildes. Nach Überwindung der schweren
Situation lassen in der Regel auch die Selbstmordgedanken nach. Dies kann
bereits nach wenigen Stunden, meist jedoch spätestens nach einigen Tagen der
Fall sein. Für die Überwindung der schweren Situation und das Abwenden von
Selbstmordgedanken in einer derartigen Krise ist häufig keine fachspezifische
Unterstützung durch einen Psychiater oder einen Psychotherapeuten erforderlich.
Vielmehr reichen in der Regel die Zuwendung, die Anteilnahme und die
Unterstützung der Mitglieder des palliativmedizinischen Teams und natürlich auch
der Angehörigen aus.
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Konkrete Hilfsangebote
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Wenn sich ein Palliativpatient aufgrund seiner schwierigen Situation in einer
suizidalen Krise mit akutem Auftreten von Selbstmordgedanken befindet, sind das
Eingehen auf die momentanen Schwierigkeiten und das konkrete Anbieten von Hilfe
von großer Bedeutung. Dabei sollte die Hilfe so konkret wie möglich sein, damit
der Patient darin auch eine Milderung seiner Schwierigkeiten erkennen kann.
Mögliche konkrete Hilfsangebote sind beispielsweise:
- Erläuterung der Möglichkeiten einer wirkungsvollen Schmerztherapie
bei Patienten mit großer Angst vor Schmerzen
- Organisation einer häuslichen Betreuung, wenn der Patient Angst davor
hat, im Krankenhaus sterben zu müssen
- Besprechung der Möglichkeit, dass Familienangehörige und Freunde rund
um die Uhr beim Patienten sein können, wenn dieser befürchtet, bei
Beschwerden oder auch während des Sterbens allein zu sein
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Vereinbarungen treffen
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Es ist nicht unbedingt erforderlich, einen suizidalen Palliativpatienten in
jedem Fall von seinen Selbstmordgedanken abzubringen. In vielen Fällen reicht es
bereits aus, eine Vereinbarung zwischen Behandler und Patient zu treffen. Dabei
kann sich beispielsweise der Behandler bereit erklären, jederzeit erreichbar zu
sein und bei Auftreten von Beschwerden sofort Hilfe zu leisten. Der Patient
könnte seinerseits zusagen, seine Selbstmordabsichten gedanklich zunächst
"zurückzustellen" oder das Vorhaben "aufzuschieben". Auf keinen Fall sollte man
das Thema "Selbstmord" bei einem selbstmordgefährdeten Patienten nicht
ansprechen, was aus Angst vor der Auslösung eines Selbstmordes gelegentlich
geschieht. Erst durch das Ansprechen der Selbstmordabsichten und das Eingehen
auf die Gründe des Patienten fühlt er sich ernst genommen und ist bereit, sich
helfen zu lassen.
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Einweisung und Überwachung
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Es gelingt nicht bei jedem suizidalen Palliativpatienten ihn von
seinen Selbstmordabsichten abzubringen. Dann sollte er in ein Krankenhaus aufgenommen und dort rund um die Uhr
betreut und überwacht werden. Diese Maßnahme muss unter Umständen auch gegen den
Willen des Patienten erfolgen. Rechtlich gesehen ist das bei einem begründetem Verdacht auf
ausgeprägte Selbsttötungsabsichten für einen begrenzten Zeitraum möglich.
Erst nach dem Abklingen der Selbstmordgedanken ist eine Lockerung der
engmaschigen Überwachung vertretbar. |
Medikamentöse Entlastung
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Gelegentlich kann es sinnvoll sein, einem Palliativpatienten mit
Selbstmordgedanken kurzfristig Medikamente zur Angstlösung zu geben. Diese
bewirken, dass beängstigende und bedrängende Gedanken nachlassen und dass der
Patient sich entlastet fühlt. Durch diese "medikamentöse Entlastung" wird der
Patient in die Lage versetzt, seine Gedanken von den Selbstmordabsichten
abzuwenden und sich über mögliche Hilfs- und Unterstützungsangebote beraten zu
lassen. Bei Betroffenen, die unter ausgeprägten
Schlafstörungen leiden, kann zusätzlich die Gabe eines Schlafmittels sinnvoll
sein. Auf diese Weise findet der Patient wieder einen geregelten Schlafrhythmus.
Das steigert das Wohlbefinden und verringert das Auftreten nächtlicher
"Grübelattacken".
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Medikamente gegen begleitende Beschwerden
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Bei Palliativpatienten, deren Selbstmordabsichten
wahrscheinlich auf einer Depression beruhen, ist zudem die medikamentöse
Behandlung der Depression zu empfehlen. Auch andere psychiatrische Erkrankungen,
die mit Selbstmordgedanken verbunden sein können, müssen selbstverständlich
adäquat behandelt werden, meisten ebenfalls unter Einsatz von Medikamenten. Die
Gabe von Medikamenten ist jedoch keine alleinige Therapieform,
sondern immer eine Ergänzung zur allgemeinen fürsorglichen Betreuung mit
unterstützenden Gesprächen (vgl. Psychotherapie seelischer und geistiger Beschwerden bei Palliativpatienten). Zudem ist bei der medikamentösen Behandlung von
Palliativpatienten mit Selbstmordgedanken sorgfältig darauf zu achten, dass die
Medikamente nicht für die Durchführung eines Selbstmordversuchs gesammelt
werden. |
Krisen klingen oft schnell ab
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Nach Abklingen der akuten Krise lassen die Selbstmordgedanken in der Regel
rasch nach. Um einer erneuten suizidalen Krise vorzubeugen, sollte der betreffende
Patient weiterhin engmaschig betreut werden. Unter Umständen
ist es auch sinnvoll, eine längerfristige Psychotherapie zu beginnen, um
belastende Probleme und Sorgen zu lindern und um eine eventuell bestehende
psychiatrische Erkrankung wirkungsvoll zu therapieren.
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