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Das Palliativmedizinische Team - Umgang mit den eigenen Gefühlen:
Entstehung und Auswirkungen von Gefühlen, Meinungen und
Überzeugungen
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Selbsterkenntnis
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Jeder Mensch hat Gefühle
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Jeder Mensch trägt Gefühle, Meinungen und Überzeugungen in sich.
Deren Entstehung wird durch verschiedene individuelle Faktoren beeinflusst,
unter anderem Charaktereigenschaften, bisherige Lebenserfahrungen, persönliche
Wertvorstellungen und Haltungen sowie eigene Vorlieben.
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Selbsterkenntnis erleichtert die Arbeit
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Die Vergegenwärtigung
dieser individuellen Faktoren trägt viel dazu bei, sich selbst besser zu
erkennen. Selbsterkenntnis erleichtert den Umgang mit den Patienten und deren
Angehörigen. Beispielsweise kann sich ein Arzt bewusst machen, dass er die
Lebensweise eines Patienten ablehnt, dass diese Ablehnung jedoch nicht die
Betreuung des Patienten beeinträchtigen darf.
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Untersuchung zum Thema
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Die Autoren Bruera und Protenoy haben sich intensiv mit der
Entstehung und den Auswirkungen von Meinungen und Überzeugungen befasst. Sie
kamen zu dem Schluss, dass hier im Wesentlichen drei verschiedene Aspekte zum
Tragen kommen, und zwar
- demographische Variablen
- die eigene
Persönlichkeit und Spiritualität
- berufliche Belastungen, die das Auftreten negativer Gedanken und Gefühle
begünstigen
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Demographische Variablen
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Alter beeinflusst Überzeugungen
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Zu den demographischen Variablen mit Beeinflussung der
Entstehung und der Auswirkungen von Meinungen und Überzeugungen gehört unter
anderem das Alter. So sind jüngere Mitglieder des palliativmedizinischen Teams
in der Regel anfälliger gegenüber den spezifischen Belastungen, die die
Arbeit in der Palliativmedizin mit sich bringt. Außerdem fühlen sich jüngere
Teammitglieder aufgrund ihrer Unerfahrenheit im Umgang mit sterbenden Menschen
häufig unsicher. Das kann dazu führen, dass diese Patienten als "schwierig"
eingestuft und entsprechend gemieden werden.
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Persönlichkeit kann entscheidend sein
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Auf der anderen Seite hat sich
gezeigt, dass insbesondere ältere männliche Ärzte mit einer sogenannten Typ-A-Persönlichkeit gefährdet sind, unter berufsbedingtem Stress zu leiden und
dadurch negative Gedanken und Gefühle zu entwickeln. Die von Psychologen als
solche bezeichnete Typ-A-Persönlichkeit zeichnet sich durch folgende Merkmale
aus:
- deutliches Wettbewerbs- und Konkurrenzempfinden (beispielsweise der
Drang, mehr erreichen zu wollen als die Kollegen)
- Probleme mit der Zeiteinteilung (ständiges Gehetztsein einerseits und
Gefühl der Unruhe bei fehlender Hetze andererseits)
- sehr hohe Anforderungen an sich selbst (beispielsweise in kurzer Zeit
sehr viel zu erreichen)
- Neigung zu (versteckter) Feindseligkeit und Aggressivität gegenüber den
Mitmenschen
- Kontrollzwang (Schwierigkeiten, den Dingen ihren Lauf zu lassen, und
stattdessen ausgeprägtes Bedürfnis, alles selbst in die Hand zu nehmen und
zu regeln)
- "Versachlichung" der eigenen Gefühle, sodass sich diese sich unter
Umständen in Form körperlicher Beschwerden äußern (beispielsweise
Herzprobleme, Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen)
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Familienstand
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Auch der Familienstand gehört zu den demographischen Faktoren, welche die
Entstehung und die Auswirkungen von Meinungen und Überzeugungen beeinflussen. So
wurde festgestellt, dass verheiratete Menschen besser mit Belastungen umgehen
können als unverheiratete. Umgekehrt haben Alleinstehende unter 55Jahren ein
erhöhtes Risiko, ein
Burnout-Syndrom zu entwickeln, was wiederum die Entstehung negativer
Gedanken und Gefühle begünstigt.
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Geschlecht
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Als letzter demographischer Faktor ist das Geschlecht zu nennen.
So kamen die Autoren einer Untersuchung an fast 2000 britischen Hausärzten zu
dem Schluss, dass Ärztinnen mit ihrem Beruf zufriedener waren als ihre
männlichen Kollegen und sich insgesamt wohler fühlten. Die Männer hingegen
litten unter einer stärker ausgeprägten Besorgnis sowie unter einer geringeren
Zufriedenheit mit ihrem Beruf, und sie tranken zudem mehr Alkohol als ihre
Kolleginnen.
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Persönlichkeit und Spiritualität
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Arbeit als Berufung
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Bezüglich der individuellen Persönlichkeit und Spiritualität
wurde festgestellt, dass insbesondere introvertierte Menschen, die außerdem eine
gute Wahrnehmung für ihre Mitmenschen haben (empfindsame Persönlichkeit), gut mit der Arbeit mit schwer
kranken Menschen zurechtkommen und dass sie ihre Arbeit sowohl als Berufung als
auch als Bereicherung empfinden. Mitglieder des palliativmedizinischen Teams mit
derartigen Persönlichkeitseigenschaften legen meist viel Wert auf
zwischenmenschliche Beziehungen und können sich gut in ihre Mitmenschen
einfühlen. Dies trägt dazu bei, dass sie ihre Patienten und ihre Arbeit ganz
allgemein als positiv bewerten.
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Zähe Persönlichkeit
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Auch Mitglieder des palliativmedizinischen Teams mit einer
sogenannten "zähen" Persönlichkeit fühlen sich beruflich häufig wohl und hegen
positive Gedanken und Gefühle für ihre Patienten sowie deren Angehörige.
Außerdem fühlen sie sich durch berufliche Belastungen weniger gestresst als
Menschen mit einer weniger "zähen" Persönlichkeit. Dabei wird eine "zähe"
Persönlichkeit durch folgende Eigenschaften charakterisiert:
- Neugierde bezüglich des eigenen Lebens
- Gefühl, ein sinnvolles Leben zu führen
- Überzeugung, den Verlauf der Dinge beeinflussen zu können
- Überzeugung, dass es zum normalen Verlauf des Lebens gehört, dass sich
die Dinge ändern
- Empfindung, dass die Veränderungen, die das Leben mit sich bringt, eine
(positive) Herausforderung darstellen
- Überzeugung, dass man Entwicklungen durch eigene Aktivitäten in Gang
setzen kann
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Religion
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Religiöse und/oder spirituelle Überzeugungen tragen ebenfalls
dazu bei, positive Gedanken und Gefühle zu hegen und zu positiven Urteilen zu
kommen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass religiöse Menschen
aufgrund ihrer Religiosität einen gewissen Schutz vor der Entwicklung eines
Burnout-Syndroms aufweisen und dass sie weniger zu Besorgnis neigen.
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Berufliche Belastungen
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Schwierige Persönlichkeit von Patienten und Angehörigen
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Berufliche Belastungen, die mit der Entwicklung negativer
Gedanken und Gefühle in Zusammenhang stehen, sind unter anderem individuelle
Eigenschaften der Patienten und ihrer Angehörigen. Als belastend werden
beispielsweise Patienten und Familienangehörige mit schwieriger Persönlichkeit
oder Anpassungsschwierigkeiten empfunden (zum Beispiel sehr dominante Patienten
oder Angehörige, welche die schwierige Situation und die Handlungsweise des
palliativmedizinischen Teams nicht akzeptieren und alles auf eigene Art und
Weise kontrollieren möchten).
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Probleme mit der Kommunikation
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Auch Kommunikationsprobleme zwischen den
Mitgliedern des palliativmedizinischen Teams auf der einen Seite und dem
Patienten sowie dessen Angehörigen auf der anderen Seite tragen zur beruflichen
Belastung bei. Kommunikationsschwierigkeiten können sich durch Sprachprobleme
ergeben, aber auch dann, wenn zwei Menschen nicht "dieselbe Sprache sprechen",
weil sie beispielsweise einen unterschiedlichen Wortschatz haben oder weil sie
einzelnen Begriffen oder Formulierungen unterschiedliche Bedeutungen beimessen
(beispielsweise unterschiedliche Auffassung der Formulierung "ich werde mich bei
Ihnen melden" als bloße Floskel oder als ernst gemeinte Ankündigung).
Kommunikationsprobleme
entstehen häufig auch dann, wenn sich einzelne Mitglieder des
palliativmedizinischen Teams mit dem Patienten selbst oder mit Angehörigen
seiner Familie identifizieren, unter anderem aufgrund ähnlicher
Charaktereigenschaften oder einer ausgeprägten Sympathie.
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Rollenverhalten und Erwartungen können große Belastungen mit sich
bringen
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Zu den beruflichen Belastungen zählt auch das Ausfüllen der beruflichen
Rolle, beispielsweise als Arzt, Krankenschwester oder Sozialarbeiter. So können
sich einzelne Mitglieder des palliativmedizinischen Teams durch die
Anforderungen an die berufliche Rolle
überfordert fühlen (wenn von einem Arzt zum Beispiel erwartet wird, dass er die
Patienten optimal betreut, sich ständig medizinisch weiterbildet, die
Erwartungen seiner Vorgesetzten erfüllt, gut mit den anderen Teammitgliedern
zusammenarbeitet, die Angehörigen der Patienten in Entscheidungen und in die
Betreuung der Patienten mit einbezieht und zudem darauf achtet, dass sein
Handeln wirtschaftlich ist). Eine Überforderung kann sich auch bei einer
Zwiespältigkeit der Rollenanforderungen ergeben, beispielsweise der Erwartung
einer optimalen Patientenbetreuung auf der einen Seite und dem Erfordernis
wirtschaftlicher Entscheidungen auf der anderen Seite. Auch Rollenkonflikte
können die berufliche Belastung steigern. So ist es für einen einzelnen Menschen
unter Umständen schwer, den Anforderungen verschiedener Rollen gerecht zu
werden, zum Beispiel der Rolle als fürsorglicher und engagierter Arzt sowie der
Rolle als Familienvater. Eine weitere berufliche Belastung ergibt sich, wenn man
das Gefühl hat, nur geringe Kontrolle über die eigene berufliche Situation zu
haben (zum Beispiel aufgrund zahlreicher Vorgaben, die einzuhalten sind, wie
Arbeitszeiten, durchzuführende medizinische Maßnahmen, einzuhaltende Termine und
wirtschaftliche Vorgaben).
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Probleme mit anderen
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Ein weiterer Bereich beruflicher Belastungen mit unter Umständen
negativen Auswirkungen auf Gedanken und Gefühle sind sogenannte äußere
Belastungen. Dazu zählen
Kommunikationsschwierigkeiten der Teammitglieder untereinander, ungenügende
Ausstattung der Abteilung zur bestmöglichen Versorgung der Patienten,
Kommunikationsschwierigkeiten mit anderen beruflichen Partnern wie Verwaltungs-
oder Krankenkassenmitarbeiter oder überhöhte Erwartungen an die Mitglieder des
palliativmedizinischen Teams.
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