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Erster Weltkongress zur seelischen Gesundheit der Frau 27. - 31. März 2001 in Berlin |
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PRESSEMITTEILUNG Der kleine Unterschied" beginnt im Gehirn
Haben Frauen eine andere Psyche als Männer?
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Frauen leiden öfter an psychischen Störungen, gehen damit aber
zu selten zum Arzt und wenn, dann nicht zum Facharzt. Und sie nehmen oft die falschen
Medikamente dagegen ein: zu viele Beruhigungs- und Schlafmittel, zu wenig Antidepressiva.
Ursache dafür ist, dass der kleine Unterschied" im Gehirn in der ärztlichen
Praxis nicht ausreichend berücksichtigt wird. Die Psyche der Frau und ihre Besonderheiten
sind nun erstmals das Thema eines internationalen Spitzenkongresses vom 27. bis zum 31.
März in Berlin: der First World Congress on Womens Mental Health".
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Beim
Ersten Weltkongress zur psychischen Gesundheit der Frau" kommen rund 2000
internationale Kliniker und Forscher aus den Bereichen Psychiatrie, Psychosomatik,
Neurowissenschaften, Geburtshilfe und Gynäkologie zusammen, um frauenspezifische
Fragestellungen in Psychiatrie und Psychotherapie zu diskutieren. Eröffnet wird die
Veranstaltung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. |
Psychopharmaka
fast immer zu hoch dosiert. |
Der kleine Unterschied" kann dramatische Folgen haben.
Das weibliche Gehirn ist um zehn Prozent kleiner als das männliche, jedoch deutlich
besser durchblutet. Das bedeutet: Wenn Frauen Psychopharmaka, etwa Schlaf- und
Beruhigungsmittel, Antidepressiva
oder Stimulanzien, einnehmen, werden mehr Wirkstoffe ins Gehirn geschwemmt. Da solche
Medikamente bisher hauptsächlich an Männern getestet wurden, sind die Dosierungen auf
diese eingestellt. Erhält eine Frau eine auf Männer abgestimmte Dosis, erreichen zu
viele Wirkstoffe ihr Gehirn. Frauen werden zum Teil seit Jahrzehnten mit
Psychopharmaka überdosiert", kritisiert Kongresspräsident Dr. Mario Lanczik von der
Psychiatrischen Universitätsklinik Nürnberg-Erlangen. Blutspiegelbestimmungen der
Medikamente sind daher gerade bei Frauen hilfreich.
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Psychische
Erkrankungen bei Frauen häufiger. |
Einer der deutlichsten Unterschiede zum männlichen Geschlecht: Ob
Depression, Schizophrenie, Essstörungen, Demenz vom Alzheimer-Typ - alle Arten von
psychischen Erkrankungen treten bei Frauen häufiger auf als bei Männern. Nur bei
Alkohol- und Drogenabhängigkeit liegen sie zurück, holen aber inzwischen rasant auf.
Hauptursache für das höhere Erkrankungsrisiko sind Hormonschwankungen, insbesondere des Östrogens. Östrogen hat großen Einfluss auf
Botenstoffe wie Serotonin, die motivierend, belebend und aufheiternd wirken. In der
zweiten Hälfte des weiblichen Menstruationszyklus
fällt der Östrogenspiegel rapide ab. Mit der Folge, dass der Antriebsspender Serotonin
fast versiegt. Während dieser Phase sind Frauen anfälliger," so Dr. Lanczik.
Drei Viertel aller Frauen leiden dann mindestens unter einem psychischen Symptom wie
z.B. depressive Verstimmung, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, und das so stark, dass
eine ärztliche Behandlung erforderlich wäre. Doch nur sieben Prozent suchen deswegen
eine Praxis auf. Bei zwei Prozent aller Frauen ist die Symptomatik derart gravierend, dass
sie einmal monatlich völlig arbeitsunfähig sind."
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Schwangerschaft
und Wochenbett |
Generell hat Östrogen eine antidepressive Wirkung, da es den
Abbau von Serotonin bremst. Aus diesem Grund treten psychische Krankheiten wie Schizophrenie bei Frauen später auf als
bei Männern. Erste Schizophrenie- Vorboten zeigen sich bei Männern bereits im Alter von
15 bis 25 Jahren, bei Frauen dagegen von 25 bis 35. Während einer Schwangerschaft, wenn
der Hormonspiegel extrem ansteigt, ist das Risiko einer psychischen Erkrankung wiederum
geringer. Frauen, die unter psychischen Störungen leiden, erleben eine Scnwangerschaft
oft als beschwerdefrei. Nach der Geburt schnellt das Depressionsrisiko aufgrund der
radikalen Hormonumstellung allerdings rapide nach oben. Bei 11 bis 15 Prozent aller
Wöchnerinnen erreicht die Wochenbettdepression
krankhafte Ausmaße bis hin zur Gefahr des Kinds- und Selbstmordes, wird aber nicht immer
als Krankheit erkannt, geschweige denn behandelt. Auch in den Wechseljahren, wenn die
Hormonproduktion abnimmt, steigt für anfällige Frauen das Risiko einer Wiedererkrankung
nochmals an.
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Mehr Abstimmung zwischen Gynäkologen und Psychiatern |
Insgesamt werden psychische Störungen bei Frauen zu selten
fachgerecht behandelt. An die Stelle des Arztes treten oft Kräutergärtner, Heiler oder
Esoteriker aber auch Alkohol oder falsche Medikamente. Dr. Lanczik:
Frauen nehmen insgesamt zu viele
Beruhigungs- und Schlafmittel ein. Dabei wären Antidepressiva viel geeigneter." Sehr
gute Erfahrungen hat man zum Beispiel mit so genannten Selektiven
Serotonin-Wiederaufnahmehemmern" gemacht. Sie können gezielt eingesetzt werden,
nämlich nur im letzten Drittel des Zyklus, sind dadurch kostengünstig und außerdem sehr
wirksam. Sie werden jedoch noch zu wenig eingesetzt, da Frauen, wenn sie überhaupt einen
Arzt konsultieren, eher zum Gynäkologen und selten zum Psychiater gehen. Der First
World Congress on Womens Mental Health" soll auch in solchen Fragen die
Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen fördern.
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