Das
Übel wird an der Wurzel gepackt: Die Insulinresistenz geht zurück |
Insulinsensitizer
oder Glitazone sind Medikamente, die am Entstehungsmechanismus für den Typ-2-Diabetes ansetzen, der
Insulinresistenz. Beim Typ-2-Diabetes
ist viel zu viel Insulin im Blutkreislauf. Insulin wird benötigt, um die Glukose aus dem
Blut in die Zellen zu leiten. Das geschieht durch die Bindung von Insulin an bestimmte
Rezeptoren der Zelle. Durch diese Anbindung wird die Zelle für die Glukose
"aufgeschlossen". Beim Typ-2-Diabetes
bzw. bei der
Insulinresistenz funktionieren die Rezeptoren der Zellen für Insulin nicht
mehr richtig. Die Glukose zirkuliert dann verstärkt mit dem Blut, weil das Insulin nicht
wirksam arbeitet. Der Körper interpretiert das als "Insulinmangel" (obwohl
eigentlich genug da ist) und gibt das Signal, noch mehr Insulin zu produzieren. Durch die
gesteigerte Produktion steigt der Insulinspiegel im Blut weiter an. |
Körpereigenes Insulin kann wieder wirken |
Insulinsensitizer
bewirken, dass die Rezeptoren der Zelle wieder empfindlich werden für das Insulin. Die
Glukose kann so wieder in die Zellen gelangen, und der Blutzuckerspiegel wird gesenkt.
Insbesondere die Zellen der Leber sowie die Muskel- und Fettzellen werden durch die
Insulinsensitizer sensibel für das vorhandene Insulin gemacht. Daher stammt auch der
Name. Ist es bei einem Betroffenen aber bereits zu einem
völligen Stillstand der Insulinproduktion gekommen, wie das bei Typ 2 Diabetes
in einem späten Stadium der Fall sein kann, so wirken Glitazone nicht mehr. Eine
einmal versiegte Insulinproduktion kann nicht wieder angefacht werden. |
Wirkstoff Glitazon |
Die Wirkstoffgruppe der Insulinsensitizer sind die Glitazone, z. B. Rosiglitazon
oder Pioglitazon. Der erste bekannte Wirkstoff dieser Gruppe, das Troglitazon, hat häufig
zu Leberschäden geführt. Der Wirkstoff, der in Deutschland niemals zugelassen war, wurde
deshalb in mehreren Ländern vom Markt genommen. Für die anderen Glitazone, die heute in
Deutschland zugelassen sind, konnte bisher keine leberschädigende Wirkung nachgewiesen
werden. Dennoch wird aus Vorsicht bei der Einnahme von Glitazonen immer regelmäßig die
Leberfunktion überprüft. |
Später Wirkeintritt |
Insulinsensitizer
sind die ersten Medikamente, die dort ansetzen, wo Diabetes entsteht. Sie senken
wirkungsvoll den Blutzuckerspiegel, sowohl im nüchternen Zustand als auch nach den
Mahlzeiten. Allerdings setzt die Wirkung erst mehr als 2 Wochen nach
Therapiebeginn ein. |
Nebenwirkungen
Verordnung von Glitazonen nur, wenn andere Therapieoptionen versagen. |
In Abhängigkeit von der Dosierung kann es zu einer leichten Gewichtszunahme sowie zu
Ödemen (Wassereinlagerungen im Gewebe) und einer Anämie (Blutarmut) kommen.
Glitazone können außerdem unter Umständen die Entstehung einer
Herzschwäche begünstigen.
Eine schon bestehende Herzschwäche verschlechtert sich. Das Risiko für Knochenbrüche - insbesondere bei Frauen
- steigt ebenfalls. Aus diesem Grunde ist die Verordnung von Glitazonen nur dann
sinnvoll, wenn andere Therapieoptionen versagen. Der Nutzen muss gegen die
Risiken abgewogen werden. Menschen mit
Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und
Leberschäden dürfen Insulinsensitizer nicht verordnet bekommen.
Glitazone werden
entweder als alleiniges Medikament oder in Kombination mit
Sulfonylharnstoffen
oder Biguaniden / Metformin eingesetzt. |
Pioglitazon nur noch auf Privatrezept |
Nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 17.06.2010
entschieden hatte, den Wirkstoff Pioglitazon von der Verordnungsfähigkeit
auszuschließen, übernehmen die gesetzlichen Krankenversicherungen seit
01.04.2011 die Kosten für Pioglitazon nur noch in medizinisch begründeten
Einzelfällen. Als Begründung wurde das erhöhte Risiko für Knochenbrüche und
Herzerkrankungen aufgeführt. Auch besteht der Verdacht, dass durch Pioglitazon
das Risiko auf Blasenkrebs leicht erhöht würde. Bereits im Oktober 2010 wurde
der Wirkstoff Rosiglitazon europaweit vom Markt genommen wegen des Verdachts,
das Risiko auf einen Herzinfarkt zu erhöhen. |
Untersuchung des Instituts für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen |
Die Begründung für diese
Maßnahme lieferte eine Untersuchung des Instituts für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), die eine Nutzenbewertung der
Glitazone zur Behandlung von Diabetes Typ 2 durchführte. Der
Abschlussbericht vom 26.11.2008 fasst die Ergebnisse von 7 Studien zu
Pioglitazon und 16 Studien zu Rosiglitazon zusammen. Danach
haben diese Wirkstoffe keinen vermehrten Nutzen gegenüber anderen Substanzen
zur Behandlung von Diabetes Typ 2. Die Sterblichkeitsrate wird nicht gesenkt.
Die Risiken zur Entstehung von Folgeschäden durch die Zuckerkrankheit verringern
sich ebenfalls nicht stärker, als bei anderen Medikamenten.
Langzeituntersuchungen zu den Glitazonen stehen noch aus. Als positiven Effekt
beschreibt der Bericht aber auch die Anwendung von Glitazonen bei Menschen mit
Diabetes Typ 2, die einen Schlaganfall
hatten. Bei diesen Betroffenen kommt es unter der Medikation mit Glitazonen
seltener zu einem zweiten Schlaganfall. Außerdem treten bei Betroffenen, die
Glitazone in Kombination mit Metformin einnehmen, seltener
Unterzuckerungen auf.
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Kritik der Deutschen Diabetes Gesellschaft |
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hat in einer
Stellungnahme den Ausschluss von Pioglitazon aus
der Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen bedauert. Sie verweist in einer
Erklärung darauf, dass es "sehr wohl Patienten gibt, die von Pioglitazon
profitieren und für die es derzeit keine gleichwertigen medikamentösen
Alternativen gibt.
(Quelle: Stellungnahme der Deutschen Diabetes Gesellschaft zum
Verordnungsausschluss von Pioglitazon zu Lasten der GKV) Top |