Arzneimittel
mit pflanzlichen Wirkstoffen werden Phytopharmaka oder auch Pflanzenmittel oder
Pflanzenheilmittel genannt. Sie werden aus Pflanzen, Pflanzenteilen und aus deren
Zubereitungen zusammengestellt und sind häufig ein Vielstoffgemisch. Sie besitzen ein
therapeutisches und pharmakologisches Wirkprofil und müssen den Anforderungen des
Arzneimittelgesetzes entsprechen.
Positive
Eigenschaften führen zu einer deutlich stärkeren Akzeptanz von Phytopharmaka
Jahrhundertelang
waren das Wissen um die Gewinnung von Kräutern und ihren Anwendungsmöglichkeiten die
Grundlage jeder Medizin. Erst in der modernen Zeit, als zunehmend synthetische
Arzneimittel hergestellt wurden, wurde die Phytotherapie verdrängt. Wegen der
unübersehbaren Zahl von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der synthetischen
Arzneimitteln gewinnt die Phytotherapie heute wieder an Bedeutung. Diese Bedeutung liegt
nicht nur im Bereich der "Alternativen Medizin". Die Schulmedizin arbeitet heute
schon zu einem großen Teil mit pflanzlichen Arzneimitteln. Ungefähr 60 Prozent aller
Ärzte verschreiben hin und wieder pflanzliche Arzneimittel. Über 80 Prozent der
Patienten haben ein positives Bild von Phytopharmaka.
Ob
Inhaltsstoffe und Wirkstoffe identisch sind, kann nicht sicher gesagt werden
Aus
Pflanzen und Pflanzenteilen werden verschiedenste Inhaltsstoffe isoliert, die zur
Herstellung von Phytopharmaka weiterverwendet werden. Nicht für alle Inhaltsstoffe ist
bisher eindeutig eine therapeutische Wirkung belegt. Deshalb werden diese Stoffe auch
nicht als Wirkstoffe, sondern als Inhaltsstoffe bezeichnet. Auch wenn die Wirkung nicht
eindeutig einem einzigen Inhaltsstoff zugewiesen werden kann, so ist die Wirkung der
Pflanze dennoch vielfach deutlich.
Für
den "Chemiker" unter den Interessierten sind hier die wichtigsten Inhaltsstoffe
von Heilpflanzen kurz dargestellt:
Ätherische
Öle:
Ätherische
Öle verdunsten ohne Rückstände. Mit Wasserdampf angereichert verflüchtigen sie sich
besonders gut. Ätherische Öle sind verantwortlich häufig für den Geruch und den
Geschmack von Pflanzen. Mögliche Wirkungen verschiedener ätherischen Öle:
appetitanregend, weil sie die Ausschüttung von
Verdauungssäften fördern,
durchblutungsfördernd, weshalb sie bei rheumatischen
Erkrankungen und bei Erkältungen
Anwendung finden,
desinfizierend und
wassertreibend, weil sie die Nierentätigkeit anregen.
Alkaloide:
Alkaloide
bestehen aus stickstoffhaltigen Verbindungen. Sie haben häufig eine sehr starke Wirkung
auf das Nervensystem und können teilweise sehr giftig sein. Die bekanntesten Pflanzen,
die Alkaloide enthalten, sind Tollkirsche und Eisenhut.
Bitterstoffe:
Bitterstoffe
schmecken, wie der Name sagt, bitter. Sie bestehen aus verschiedenen chemischen
Verbindungen, die bei oraler Einnahme die Ausschüttung von Verdauungssäften wie Speichel, Magensaft, Galle und
Bauchspeicheldrüse fördern. Eingesetzt werden sie bei Verdauungsschwächen und
Appetitlosigkeit.
Gerbstoffe:
Gerbstoffe
binden Eiweiße. Durch diese Eigenschaft
wandeln sie, wenn sie in hoher Konzentration eingesetzt werden, tierische Haut in Leder
um. Auf dieser Eigenschaft beruht auch ihre medizinische Einsetzbarkeit, denn sie
entziehen der Haut auch den Nährboden für Krankheitserreger. Angewandt werden sie als
Medikament gegen Entzündungen, z. B.
im Mund und Rachenbereich, oder gegen Durchfall. Entzündete Schleimhäute werden durch
Gerbstoffe weniger empfindlich.
Glykoside:
Glykoside
sind sehr häufige vorkommende Verbindungen, die in einen Zucker und einen Nicht-Zucker
gespalten werden können. Viele Glykoside sind gebräuchliche Arzneistoffe und
werden z. B. in Abführmitteln
und Herzmitteln verwendet.
Harze:
Harze
sind verwandt mit den ätherischen Ölen. Im Unterschied zu ihren verflüchtigen sich
Harze aber nicht. Harze können die Haut reizen.
Mineralstoffe:
Mineralstoffe
kommen in Pflanzen nicht häufig vor, z. B. Kaliumsalze, Calciumverbindungen und
Kieselsäure. Da Mineralstoffe notwendige Nahrungsbestandteile
sind, haben sie bei Mangelerscheinungen therapeutischen Wert.
Saponine:
Saponine
sind eine spezielle Form pflanzlicher Glykoside, die in Verbindung mit Wasser eine stark
schäumende Lösung ergeben. Eingesetzt werden sie in Hustenmitteln. Direkt in der Blutbahn sind
Saponine giftig.
Schleime:
Schleime
aus Pflanzen quellen im Wasser auf und es entstehen dickflüssige Lösungen. Eingesetzt
werden sie als schützende Substanzen für Mund, Rachen und Magen. Sie wirken
reizmindernd. Schleimhaltige Pflanzenteile wirken abführend, weil sie größere Mengen
Wasser binden können. Diese Fähigkeit kann auch bei warmen Umschlägen genutzt werden.
Trotz
Wirkung auf Psyche und Nervensystem keine Suchtgefahr
Als
psychotrope Phytopharmaka werden diejenigen Pflanzenheilmittel verstanden, die eine
Wirkung auf Psyche und Nervensystem haben. Pflanzliche Beruhigungsmittel sind schon lange
bekannt und werden immer häufiger angewandt, weil sie kein Suchtpotential bergen. Immer
häufiger kommen jetzt aber auch antidepressiv und angstlösend wirkende pflanzliche
Arzneimittel in den Gebrauch, die besonders bei leichten und mittelschweren Depressionen,
leichten Angstzuständen und Schlafstörungen eingesetzt werden.
Grenzen
erkennen
Warnung:
Gerade bei den Phytopharmaka sollten die Grenzen erkannt werden. Schwere Angstzustände
und schwere Depressionen sowie Psychosen müssen in
der Regel weiterhin mit synthetischen Mitteln behandelt werden. Hier können pflanzliche
Arzneimittel lediglich als begleitende Medikation eingesetzt werden.
Die
wichtigsten Heilpflanzen und ihre Wirkung
Nachfolgend
werden die fünf wichtigsten Heilpflanzen und ihre Einsatzmöglichkeiten dargestellt:
Johanniskraut
oder Hyperici
herba ist ein Phytopharmakon mit einer leichten stimmungsaufhellenden und stabilisierenden
Wirkung. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen die Wirksamkeit von Johanniskraut.
Eingesetzt wird es bei leichten Depressionen und psychovegetativen Störungen, bei innerer
Unruhe und Angst.
Aussagen, nach denen
Johanniskraut unwirksam sei, beruhen auf einer amerikanischen
Untersuchung, deren Ergebnisse 2001 veröffentlicht wurden. Dabei wurde die Wirksamkeit
bei schweren Depressionen untersucht. Diese sind aber sowieso kein Anwendungsgebiet für
Johanniskraut, dessen Wirksamkeit bei leichten und mittelschweren Depressionen durch viele
placebokontrollierte Studien belegt wurde. Die stimmungsaufhellende Wirkung beginnt nach
ein bis zwei Wochen, manchmal auch erst drei Wochen. Da die Dosierung der auf dem Markt
erhältlichen Präparate sehr unterschiedlich ist, sollten Sie die Einnahme mit Ihrem Arzt
besprechen.
Lupuli strobulus oder Hopfenzapfen
haben eine schlaffördernde und beruhigende Wirkung. Hopfenzapfen werden bei
Schlafstörungen, Angstzuständen und Unruhe angewandt.
Melisse
(Melissae folium) wirkt
dämpfend. Die beruhigende Wirkung wird z. B. bei nervös begründeten Einschlafstörungen genutzt.
Die
Passionsblume oder Passiflorae herba hat ebenfalls eine dämpfende Wirkung. Sie wird eingesetzt gegen
Unruhezustände. Auch als Begleittherapie bei Schilddrüsenüberfunktion kann sie
Anwendung finden. Immer sollte der Einsatz aber auf ärztlichen Rat erfolgen.
Baldrian
wird in der Fachsprache Valerianae radix genannt. Es wirkt beruhigend, schlaffördernd und ausgleichend.
Eingesetzt wird es z. B. bei nervös bedingten Einschlafstörungen und Unruhezuständen.
Da
Phytopharmaka aus natürlichen Bestandteilen hergestellt werden haben sie in der Regel
wenige oder gar keine Nebenwirkungen. Insbesondere ernstere Nebenwirkungen sind meistens
nicht bekannt. Die Verträglichkeit ist bei den meisten Menschen sehr gut.
Das
Reaktionsvermögen bleibt erhalten
Psychotrope
Phytopharmaka, die bei der Behandlung von Depressionen zum Einsatz kommen, haben ebenfalls
keine oder nur geringe Nebenwirkungen. Vom Johanniskraut weiß man, dass es bei besonders
hellhäutigen Menschen zu einer erhöhten Empfindlichkeit bei Lichteinstrahlung kommen
kann. Die bei synthetischen Antidepressiva gefürchtete Herabsetzung des
Reaktionsvermögens tritt bei psychotropen Phytopharmaka nicht auf. Das ist insbesondere
für ältere Menschen, die schnell stürzen, im Berufsleben und im Straßenverkehr von
Bedeutung.
Phytopharmaka
in der Schwangerschaft und bei alten Menschen besonders sinnvoll
Während
einer Schwangerschaft haben Phytopharmaka (außer Kava-Kava, dass inzwischen seine
Zulassung als Arzneimittel/-Bestandteil verloren hat) ) ihre Verträglichkeit häufig
unter Beweis gestellt. Ihre therapeutische Breite ist besonders in dieser Zeit von
Vorteil. Auch bei älteren Menschen ist der Einsatz von
psychotropen Phytopharmaka besonders sinnvoll.
Keine
Suchtgefahr
Eine
Suchtgefahr, wie sie bei synthetischen Psychopharmaka, insbesondere bei unsachgemäßer
Anwendung, vorkommen kann, ist bei Phytopharmaka nicht gegeben.
Wechselwirkungen
Es können vereinzelt Wechselwirkungen mit
anderen Medikamenten auftreten. Das ist zumindestens für
Johanniskraut
bekannt. Nähere Informationen dazu finden sie bei den einzelnen
Heilpflanzenprofilen.
Vor
der Selbstbehandlung sollte man sich genauestens informieren
Eine
Selbstbehandlung mit Heilpflanzen ist, insbesondere im Rahmen von Tees und Bädern,
durchaus häufig anzutreffen. Wichtig ist dabei vor allem, dass man sich über die
korrekte Zubereitung genauestens informiert. Nur die richtige Zusammensetzung und Stärke
der Zubereitung hat die gewünschte Wirkung. Viele Apotheken erteilen hier fachkundigen
Rat.
Phytopharmaka
sind Medikamente und müssen auch so behandelt werden
Sie
sollten außerdem daran denken, dass pflanzliche Heilstoffe nicht unbedacht eingesetzt
werden dürfen. Auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift. Ein zuviel mit dem
Hintergedanken, dass pflanzliche Stoffe ja nicht schaden können, kann schwerwiegende
Folgen haben. Denken Sie daran, dass auch die stärksten bekannten Gifte pflanzlichen
Ursprungs sind. Deshalb: Am besten fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker um Rat.
Phytopharmaka unterliegen nicht nur dem Arzneimittelrecht, sie sind auch genau so
sorgfältig zu behandeln, wie ein Medikament synthetischer Herstellung.