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Psychosoziale Anamnese / Ängste
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Die Schmerzanamnese bei Tumorpatienten gliedert sich in folgende Abschnitte:
- spezielle Schmerzanamnese, wobei die Schmerzen selbst im
Vordergrund stehen
ergänzende Anamnese:
- zur Tumorerkrankung (Erfassung aller wichtigen Aspekte des zugrunde
liegenden Krebsleidens)
- zur medizinischen Vorgeschichte
- zu weiteren Symptomen
- psychosoziale Anamnese, die sich mit dem seelischen Befinden und
der sozialen Situation des Patienten befasst
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Die Diagnose "Krebs" ist immer mit Angst verbunden
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Bei der psychosozialen Anamnese ist das Hauptaugenmerk auf das seelische
(psychische) und soziale Befinden des Krebskranken gerichtet. Bereits durch die
Mitteilung der Diagnose "Krebs" können erhebliche Ängste entstehen. Außerdem
sind die alltäglichen Abläufe, die gesamte Lebenssituation und die Zukunftspläne
häufig mit einem Schlag verändert oder gar infrage gestellt.
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Belastende Situationen im Verlauf einer Therapie
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Aber auch später, im Verlauf einer bösartigen Tumorerkrankung und ihrer
Behandlung ergeben sich häufig äußerst belastende Situationen, beispielsweise:
- unangenehme diagnostische Maßnahmen wie Punktionen
- Ungewissheit während des Wartens auf Untersuchungsergebnisse
- Enttäuschungen, wenn Befunde ungünstig ausfallen oder wenn eine
Therapie nicht den erhofften Erfolg hat
- körperliche Veränderungen wie Operationsnarben oder Hautveränderungen
nach einer Strahlentherapie
- Nachlassen der körperlichen Leistungsfähigkeit sowie der körperlichen
und seelischen Belastbarkeit bei Voranschreiten der Krebserkrankung
- Verringerung sozialer Kontakte durch körperliche Einschränkungen oder
häufige Krankenhausaufenthalte
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Auswirkungen auf die Lebenssituation
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Bei Tumorpatienten muss immer auch nach den Auswirkungen der Tumorerkrankung
auf die Lebenssituation gefragt werden. In der Regel ist hierfür die Klärung
folgender Fragen hilfreich:
- Welche persönlichen Bewältigungsstrategien stehen dem Patienten zur
Verfügung?
- Welche Einstellungen, Erwartungen und Ängste hat der Kranke in Bezug
auf die Tumorerkrankung?
- Welches Ausmaß von Kontrolle beziehungsweise von Kontrollverlust und
Ausgeliefertsein empfindet der Betroffene?
- In welchem Ausmaß erhält der Krebspatient Unterstützung,
beispielsweise durch Familienangehörige, Freunde, Vereinskameraden oder
Arbeitskollegen?
- Wie gehen Angehörige und Freunde mit der Erkrankung des Patienten um?
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Faktoren, die die seelischen Belastungen eines Tumorpatienten
beeinflussen
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Die Autoren Massi und Holland (vgl. Quellen) fanden heraus, dass insbesondere die im
Folgenden genannten Faktoren das Ausmaß der seelischen Belastung bei
Tumorpatienten beeinflussen können:
- medizinische Faktoren:
- Lokalisation des Tumors
- Stadium der Tumorerkrankung
- bisher durchgeführte Behandlungen
- Ausmaß von Schmerzen und Funktionseinschränkungen sowie
Beeinträchtigungen durch weitere Symptome
- psychologische Faktoren:
- Einstellung gegenüber der Tumorerkrankung
- Fähigkeit zur Krankheitsbewältigung (sogenanntes Coping)
- emotionale Stabilität
- Persönlichkeitsfaktoren
- Hinfälligkeit von Lebenszielen durch die Krebsdiagnose
- sogenannte Adaptabilität (die Fähigkeit, Ziele neu zu definieren)
- soziale Faktoren: Unterstützung durch Familienangehörige, Freunde und
Arbeitskollegen
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Ängste können in verschiedenen Formen auftreten
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Ein ganz besonders wichtiger Aspekt bei der psychosozialen Anamnese sind Ängsten,
unter denen nahezu alle Krebspatienten in der ein oder anderen Form leiden. Dabei
handelt es sich häufig um Ängste vor
- schwerwiegenden Folgen der Erkrankung wie Schmerzen, körperliche
Einschränkungen und nahender Tod,
- Abhängigkeit von anderen, wenn keine eigenständige Versorgung mehr
möglich ist,
- körperlichen Entstellungen durch Operationen (Narben), Bestrahlungen
(Hautveränderungen) oder eine Chemotherapie (Haarausfall),
- Einsamkeit sowie Entfremdung von Angehörigen und Freunden.
Ängste werden häufig durch ein Gefühl der Hilflosigkeit verstärkt – der
Krebskranke fühlt sich der Erkrankung hilflos ausgeliefert. Auch können akut auftretende Schmerzen bei den Betroffenen
Ängste auslösen, weil sie damit ein mögliches Voranschreiten der
Tumorerkrankung verbinden und sich dem Schmerzgeschehen ohne Vorwarnung
sehr plötzlich ausgesetzt sehen.
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Verleugnung und Depression
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Neben Ängsten und dem Empfinden von Hilflosigkeit durchleben Patienten mit
einer bösartigen, schmerzhaften Tumorerkrankung häufig eine Verleugnung
der Erkrankung. Es kann zu Depressionen kommen. Dabei sollte unterschieden
werden, ob
Ängste, Hilflosigkeit, Verleugnung und Depressionen als Reaktion auf die
Tumorerkrankung und die Schmerzen entstanden sind oder ob der Betroffene
beispielsweise schon vor der Krebsdiagnose zu Ängstlichkeit neigte oder unter
Depressionen litt.
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Auch Schmerzen verursachen Depression
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Insbesondere Depressionen entstehen häufig als Reaktion auf starke Schmerzen.
Der Autor Spiegel und seine Mitarbeiter (vgl. Quellen) stellten im Rahmen einer Studie fest,
dass 79 Prozent der befragten Patienten mit einer bösartigen Tumorerkrankung und
Absiedlung von Tochtergeschwülsten sowie starken Schmerzen auch unter einer
depressiven Störung litten. Bei vergleichbaren Krebskranken ohne starke
Schmerzen ließen sich hingegen nur bei 20 Prozent der Studienteilnehmer
depressive Störungen feststellen.
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