Palliativmedizin

Bücher zum Thema aussuchen Bücherliste: Palliativmedizin

Allgemeine Aspekte der Palliativmedizin
Das palliativmedizinische Team
Spezial:
Alte Menschen in der Palliativmedizin
Kinder in der Palliativmedizin

Die Sterbephase
Sterbehilfe, Sterbebegleitung, Patientenverfügung
Krankenpflege in der letzten Lebensphase

Beschwerdenkomplexe:
Dermatologische Beschwerden
Ernährung und Flüssigkeitsversorgung
Magen-Darm Beschwerden

Lungen- und Atemwegsbeschwerden
Neurologische Beschwerden
Seelische und geistige Beschwerden
Urologische Beschwerden

 

Allgemeine und pflegerische Maßnahmen zur Therapie der Luftnot

 

Inhaltsübersicht:
Bedeutung
Vermeidung von Überlastungen
Mund- und Nasenpflege
Thrombosevorbeugung
Vorbeugung von Lungenentzündung und Atelektasen
Abwägung von Nutzen und Risiken
Zuwendung an den Patienten
Planung
Umgebungsgestaltung

 

Bedeutung

Pflege ist ein Teil der Therapie

Neben der Gabe von Medikamenten sind bei Palliativpatienten mit Luftnot allgemeine und pflegerische Maßnahmen hilfreich, um die Luftnot zu lindern. Diese sind mindestens ebenso wichtig wie die Verabreichung von Medikamenten.

 

Angst ist ein Teufelskreis

Es ist für Krankenschwestern und -pfleger von großer Bedeutung, sich zu vergegenwärtigen, dass Angst und Luftnot in einem engen Zusammenhang stehen: Ein Anfall von Luftnot löst verständlicherweise Angst aus, bis hin zur Todesangst. Auf der anderen Seite kann das Auftreten von Angst die Entwicklung von Luftnot begünstigen. Dies ist unter anderem auf die raschere Atmung bei Angst zurückzuführen: Durch die verstärkte Atemtätigkeit hat der Patient schnell den Eindruck, nicht genügend Luft zu bekommen und empfindet Luftnot. Bei ruhiger Atmung und allgemeinem Wohlbefinden des Patienten tritt Luftnot dagegen nicht so rasch auf.

 

Patienten kennen

Krankenschwestern und -pfleger sollten daher von "ihrem" Patienten wissen, wovor er Angst hat, z. B. vor einer mühevollen und als anstrengend empfundenen Umlagerung im Krankenbett oder vor einer als schmerzhaft und unangenehm wahrgenommenen Blutentnahme.

 

Angstauslösende Maßnahmen vermeiden

Derartige angstauslösende Maßnahmen sollten - sofern möglich - vermieden werden. Untersuchungen bei einem sterbenden Patienten ziehen nicht immer therapeutische Maßnahmen nach sich. Wenn das absehbar ist, kann auch auf die Untersuchung verzichtet werden. Dennoch sind einige angstauslösende Situationen nicht zu umgehen, beispielsweise die regelmäßige Umlagerung des Patienten im Krankenbett, um der Entstehung von Druckgeschwüren entgegenzuwirken. Hier können sinnvolle Alternativen helfen. Denkbar ist zum Beispiel die Verwendung spezieller Betten, in denen der Patient auf einer luftgefüllten Matratze "schwebt" oder in denen er mit dem gesamten Bett vom Rücken auf den Bauch und umgekehrt gedreht werden kann, ohne dass sein Körper innerhalb des Bettes bewegt werden muss. Außerdem ist es selbstverständlich wichtig, in allen für den Patienten mit Angst verbundenen Situationen besonders einfühlsam vorzugehen. Der Patient darf auf keinen Fall das Gefühl erhalten, den Handlungen des Pflegepersonals hilflos ausgeliefert zu sein.

 

Top

Vermeidung von Überlastungen

Körperliche Belastungen können Luftnot verstärken

Bei Palliativpatienten mit Luftnot ist es wichtig, bei allen allgemeinen und pflegerischen Maßnahmen darauf zu achten, dass diese die Atemtätigkeit nicht beeinträchtigen. Körperliche Belastungen, die den Patienten überfordern, sollten vermieden werden, weil diese eine vermehrte Atmung mit sich bringen und so unter Umständen die Luftnot des Patienten noch verstärken. Hier können häufig alternative Vorgehensweisen in der Pflege gewählt werden. Beispielsweise ist es möglich, das Bettzeug "um den Patienten herum" zu wechseln, sodass er das Bett nicht verlassen muss.

 

A-Lagerung lindert Atemnot

Die Körperhaltung spielt bei der Atmung eine wichtige Rolle. Bei einem zusammengesunken im Bett sitzenden Patienten beispielsweise kann sich der Brustkorb bei der Einatmung nicht vollständig entfalten. Ein Aufrichten des Patienten und das Sichern einer optimalen Körperhaltung durch stützende Kissen können hier Abhilfe schaffen. Empfehlenswert ist die sogenannte A-Lagerung. Dabei wird der Oberkörper des Patienten so gelagert, dass er sich oberhalb der unteren Körperhälfte befindet, z. B. in aufrecht sitzender Position. Damit sich der Patient in der sitzenden Position gut bewegen kann, sollten die Schultern frei beweglich bleiben. So kommt kein Gefühl der Enge und Behinderung auf. Außerdem ermöglicht die freie Beweglichkeit der Schultern auch eine leichtere Atemtätigkeit.

 

Lagerung auf der "schlechten" Seite

Bevorzugt ein Patient eine liegende Position, beispielsweise für die Nachtruhe, sollte er auf seine "schlechtere" Seite gedreht werden. Als "schlechtere" Seite zeichnet sich diejenige Seite des Körpers aus, auf der die Atmung stärker beeinträchtig ist, beispielsweise durch
  • einen Atemwegsinfekt, der in einer Lungenhälfte stärker ausgeprägt ist als in der anderen,
  • eine einseitig eingeschränkte Beweglichkeit des Brustkorbs, unter anderem durch Muskelverspannungen, vorangegangene Verletzungen oder Wirbelsäulenprobleme
  • Schmerzen auf einer Seite des Brustkorbs, zum Beispiel durch Verletzungen, Blutergüsse oder Muskelverspannungen,
  • Verengungen der Bronchien auf einer Seite der Lunge, beispielsweise durch Schleimansammlungen, oder
  • Wachstum eines bösartigen Lungentumors auf einer Seite der Lunge.

 

Lagerungshilfen

Eine für den Patienten günstige Position lässt sich durch eine Lagerung mit Kissen und speziellen Lagerungshilfen (wie Keile oder Rollen) gut beibehalten. Dabei ist es zudem hilfreich, die Arme durch Unterlegen von Kissen oder Ballons abzustützen. Auf diese Weise wird die sogenannte Atemhilfsmuskulatur bereits etwas "vorgespannt", was dem Patienten die Atemarbeit erleichtert.

 

Top

Mund- und Nasenpflege

Reinigung und Pflege von Mund und Nase sind sehr bedeutsam

Eine besondere wichtige Rolle bei der allgemeinen und pflegerischen Betreuung von Palliativpatienten spielt eine sorgfältige Mund- und Nasenpflege. Dazu gehören unter anderem Zähneputzen, Gebissreinigung, Reinigung der Mundhöhle mit Mundspüllösung, Eincremen der Lippen, Befreiung des Naseneingangs von Nasenschleim sowie Eincremen des Naseneingangs und der äußeren Nasenhaut. Alle diese Maßnahmen beugen der Entwicklung von Komplikationen vor, die für den Patienten nicht nur sehr unangenehm sind, sie begünstigen auch das Auftreten von Luftnot. Zu diesen Komplikationen gehören unter anderem:
  • Mundtrockenheit
  • Entzündung der Mund- und/oder Nasenschleimhaut durch eine Infektion mit Bakterien oder Pilzen
  • Bildung schmerzhafter Aphthen im Bereich der Mundschleimhaut
  • Bildung von Krusten (sogenannte Borken) an den Schleimhäuten von Mund- und Nasenhöhle
  • Blutungen im Bereich der Mund- und/oder Nasenschleimhaut
  • Karies und andere Zahnerkrankungen

 

Gegenseitige Beförderung von Komplikationen

Diese Komplikationen im Bereich von Mund- und Nasenhöhle können die Entstehung von Infektionen in den tiefer gelegenen Abschnitten der Atemwege begünstigen, beispielsweise in den Bronchien. Solche Infektionen können von Luftnot begleitet werden. Umgekehrt treten bei einer Infektion der unteren Abschnitte der Atemwege sehr leicht auch die beschriebenen Infektionen im Bereich der Mund- und Nasenschleimhaut auf.

 

Krankheitserreger haben leichtes Spiel

Grund dieser gegenseitigen Verstärkung ist die direkte Verbindung der beiden Regionen. Bei der Ein- und Ausatmung werden mit der Atemluft ständig kleinste Partikel, darunter auch Krankheitserreger, hin und her transportiert. Zudem stellt eine bestehende Infektion der Nasen- oder Mundschleimhaut beziehungsweise der tieferen Atemwege eine Art Reservoir dar, aus dem Krankheitserreger relativ leicht in die jeweils andere Region gelangen können.

 

Förderung von Frische und Wohlbefinden

Eine regelmäßige, sorgfältige Mund- und Nasenpflege gibt dem Patienten ein Gefühl von persönlicher Reinheit und Frische und verstärkt so das Wohlbefinden. Wenn der Patienten bei schlechter Pflege der Mund- und Nasenregion hingegen befürchten muss, dass er Mundgeruch hat oder dass seine Mund- und Nasenregion mit Krusten belegt ist, beeinträchtigt dies den Kontakt zu den Familienangehörigen sowie zu Freunden und anderen Mitmenschen.

 

Top

Thrombosevorbeugung

Lungenembolien vermeiden durch Vorbeugung von Thrombosen

Ein wichtiger Aspekt der allgemeinen und pflegerischen Betreuung von palliativmedizinischen Patienten mit Luftnot besteht in der Vorbeugung von Zuständen, die eine Luftnot auslösen oder bestehende Atemschwierigkeiten verstärken können. Dazu gehört unter anderem die Vorbeugung von Thrombosen. Thrombosen können zu einer Lungenembolie mit erheblicher Luftnot führen. Einer Thrombose lässt sich unter anderem durch folgende Maßnahmen entgegenwirken:

  • regelmäßiges Spritzen des Blutgerinnungshemmers ("Blutverdünner") Heparin nach ärztlicher Verordnung
  • Wickeln der Beine mit straffen Bandagen oder Anziehen von Kompressionsstrümpfen um den Blutfluss in den Beinvenen zu fördern
  • Durchführung regelmäßiger Bewegungsübungen, um den Abtransport des Blutes aus den Beinvenen zu fördern. Derartige Übungen werden jedoch meistens nicht vom Pflegepersonal durchgeführt, sondern von Physiotherapeuten beziehungsweise Krankengymnasten. Allerdings lassen sich Bewegungsübungen sehr gut in pflegerische Maßnahmen integrieren, beispielsweise bei der Hilfe zum Toilettengang, bei der Körperpflege oder beim An- und Umziehen.

 

Top

Vorbeugung von Lungenentzündung und Atelektasen

Atelektasen

Unter Atelektasen versteht man Lungenabschnitte, die zusammengefallen oder verklebt sind und daher nicht mehr von Atemluft durchströmt werden. In den Atelektasen sammelt sich Schleim an, der ein idealer Nährboden für Krankheitserreger ist. Diese Krankheitserreger können eine Lungenentzündung mit daraus resultierender Luftnot auslösen. Um Antelektasen vorzubeugen sind die gleichen Maßnahmen sinnvoll, die auch zur Vorbeugung einer Lungenentzündung angewandt werden.

 

Flache Atmung fördert die Entwicklung einer Lungenentzündung

Eine Lungenentzündung, die auf einer mangelnden Belüftung der Lunge beruht, kann häufig durch vorbeugende Maßnahmen verhindert werden. Eine derartige Lungenentzündung entwickelt sich, wenn ein Patient nicht mehr tief genug atmet. Häufig geschieht dies bei sehr schwerer Krankheit, körperlicher Schwäche oder Bettlägerigkeit. Bei einer flachen Atmung werden die tiefer gelegenen Lungenabschnitte nicht mehr ausreichend von Atemluft durchströmt und dabei gleichzeitig von Krankheitserregern und Schleimresten befreit. Diese Schleimreste sind ein guter Nährboden für Krankheitserreger, wodurch leicht eine Lungenentzündung ausgelöst werden kann.

 

Vorbeugende Maßnahmen

Die Vorbeugung einer solchen Lungenentzündung beruht darauf, die Atmung und die Atemtiefe zu verbessern. Dies ist unter anderem durch folgende Maßnahmen möglich:
  • Lagerung des Patienten in einer Weise, die eine möglichst freie und tiefe Atmung ermöglicht, z. B. die A-Lagerung oder im Liegen auf der "schlechteren" Seite
  • Einreibungen mit Mitteln, die die Atmung stimulieren
  • Durchführung von Atemübungen
  • Linderung von Schmerzen, die eine tiefe Atmung verhindern

 

Top

Abwägung von Nutzen und Risiken

Das Wohlbefinden des Patienten ist entscheidend

Bei Palliativpatienten mit Luftnot sollten vor der Durchführung pflegerischer Maßnahmen der erwartete Nutzen gegen die möglichen Risiken und Belastungen abgewogen werden. Für einen schwer kranken und eventuell sterbenden Palliativpatienten stellt die Durchführung von Atem- oder Bewegungsübungen zur Vorbeugung von Atelektasen und Thrombosen unter Umständen eine zu starke Belastung dar. Diese Übungen könnten den Patienten so sehr anstrengen, dass er allein aufgrund dieser Anstrengung unter Luftnot leidet. Eine in Zusammenhang mit diesen vorbeugenden Übungen erlebte Luftnot könnte zudem dazu führen, dass der Patient Angst vor weiteren Übungen hat. Die Angst wiederum ist ein Auslöser für die Entstehung von Luftnot.

 

Top

Zuwendung an den Patienten

Persönliche Maßnahmen angenehmer, als Medikamente

Wichtig ist bei allen diesen Maßnahmen auch die Zuwendung, die der Patient erfährt. Beispielsweise ist die Durchführung von Atemübungen zur Verbesserung der Atmung gemeinsam mit einer Krankenschwester oder mit einer Krankengymnastin angenehmer als die Verabreichung eines Schmerzmedikaments zur Reduzierung von Schmerzen, welche einer tiefen Atmung entgegenstehen. Zudem lassen sich durch die individuelle Zuwendung häufig eine Angstlinderung und eine Beruhigung erreichen. Dies beugt zum einen der Entstehung von Atemnot vor und ist zum anderen für den Patienten sehr angenehm. Unterstützt werden Angstlinderung und Beruhigung unter anderem durch die Durchführung von Entspannungsübungen zusammen mit einer Krankenschwester, einer Krankengymnastin oder einer Ergotherapeutin sowie durch die Anwendung beruhigender Massagen, beispielsweise Fußmassagen.

 

Top

Planung

Kriterien bei der Pflegeplanung

In die Planung vorbeugender allgemeiner und pflegerischer Maßnahmen bei Palliativpatienten mit Luftnot sollten alle beteiligten Mitglieder des palliativmedizinischen Teams einbezogen werden. Auf diese Weise gelingt es, unter anderem die rein pflegerischen Aspekte der geplanten vorbeugenden Maßnahmen, sowie die die ärztlichen, physiotherapeutischen und die seelischen Aspekte in ausreichender Weise zu berücksichtigen. Außerdem müssen für jeden einzelnen Patienten bei der Planung der vorbeugenden allgemeinen und pflegerischen Maßnahmen folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • momentane körperliche Verfassung
  • Erkrankung sowie deren Stadium
  • zu erwartender Krankheitsverlauf
  • mögliche Therapieziele
  • Wünsche des Patienten

 

Top

Umgebungsgestaltung

Positive Atmosphäre schaffen

Die Umgebung, in der ein Palliativpatient mit Luftnot betreut wird, kann positive Auswirkungen auf dessen Beschwerden haben. So wirkt beispielsweise eine helle, friedliche und ruhige Atmosphäre beruhigend und angstlösend, was wiederum das Auftreten von Luftnot vermindert. Zu einer solch positiven Atmosphäre trägt unter anderem Folgendes bei:

  • warme Farben der Wände, der Decken und der Einrichtungsgegenstände
  • große Fenster
  • geringe Lärmbelastung
  • ruhiges, freundliches und ausgeglichenes Personal (das nicht gehetzt wirkt)
  • fröhliche Bilder oder Blumen im Patientenzimmer

 

Luft sollte immer sauber und frisch sein

Selbstverständliche sollte die räumliche Umgebung, in der Palliativpatienten mit Luftnot betreut werden, sauber sein. Ungünstig wäre beispielsweise reichlich Staub, der in die Atemwege gelangen und die Atmung beeinträchtigen könnte. Außerdem stellt eine unhygienische Umgebung eine Bruststätte für Krankheitserreger dar, die wiederum eventuell eine Lungenentzündung auslösen können. Dies ist besonders bei Palliativpatienten wichtig, die sich häufig in einem weit fortgeschrittenen Stadium einer schweren Erkrankung befinden. Bei diesen Patienten reagieren die Bronchien oft sehr empfindlich auf Fremdstoffe in der Atemluft (sogenanntes hyperreagibles Bronchialsystem). Dies führt unter Umständen zu einer Verengung der Bronchien und damit zu Luftnot. Infrage kommende Fremdstoffe sind unter anderem:

  • Medikamente (deren Bestandteile beispielsweise im Rahmen einer Vernebelung in die Luft gelangen oder die als Spray direkt in die Atemwege gesprüht werden)
  • Stäube
  • Allergene z. B. Pollen
  • Tabakrauch
  • Stoffe, die in Parfums und anderen Duftstoffen enthalten sind

 

Keine Aromatherapie bei Luftnot

Aus diesem Grund sollte auch von der Anwendung einer Aromatherapie bei diesen Patienten Abstand genommen werden.

Top

weiter mit: Luftnot /Dyspnoe   -   Therapie: Beta-2-Rezeptor-Agonisten  -  Anticholinergika  -  Metyhlxanthine/Theophyllin  -  Glukokortikoide  -  Opioide  -  Antibiotika  -  Pflegerische Maßnahmen  -  Physiotherapie  -  Psychosoziale Begleitung

Zur Übersicht
Lungen- und Atemwegsbeschwerden in der Palliativmedizin

 


MedizInfo®Homepage
zur Startseite

zur Übersicht
des Unterthemas
zur Übersicht
des Oberthemas