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Funikuläre Myelose

 
Inhaltsübersicht:
Definition und Vorkommen
Ursachen
Beschwerden
Diagnostik
Therapie

Definition und Vorkommen

Mangel an Vitamin B12

Die funikulären Myelose ist eine Erkrankung, bei der es zu einer Degeneration (Rückbildung) bestimmter Bereiche des Rückenmarks kommt. Ausgelöst wird sie durch einen chronischen Vitamin-B12-Mangel. Natürliche Quellen für Vitamin B12 sind unter anderem Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier.

 

Gangunsicherheit und Schwindelgefühle sind typische Beschwerden

Im Einzelnen besteht eine Entmarkung, das heißt ein Abbau der sogenannten Markscheiden, welche die einzelnen Nervenzellen umhüllen. Das ist vergleichbar mit der Ummantelung elektrischer Kabel. Fehlen sie, so kann das zu Fehlfunktionen und Kurzschlüssen führen. Bei der funikulären Myelose sind insbesondere die sogenannten Hinterstränge sowie die Pyramidenseitenstränge des Rückenmarks im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule betroffen. In den Hintersträngen werden Informationen aus der "Peripherie" des Körpers an das Gehirn weitergeleitet. Da es sich dabei auch um Informationen der Tiefensensibilität handelt, kommt es bei einer Degeneration der Hinterstränge zu einer Gangunsicherheit mit daraus resultierenden Schwindelgefühlen. Zu den Informationen der Tiefensensibilität gehören unter anderem Informationen über die Spannung einzelner Muskeln, über die Stellung der Gelenke und über die Position des Körpers sowie seiner einzelnen Glieder. Über die Pyramidenbahn und die zur Pyramidenbahn gehörenden Pyramidenseitenstränge werden "Befehle" des Gehirns an verschiedene Nerven und von diesen an die Muskeln weitergeleitet.

 

 

Eine funikuläre Myelose tritt hauptsächlich bei Patienten ab einem Alter von ungefähr 45 Jahren auf.

 

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Ursachen

Aufnahme von Vitamin B12 aus dem Darm ist gestört

Ursache der funikulären Myelose ist ein chronischer Vitamin B12 Mangel. Für die Aufnahme von Vitamin B12 aus dem Darm ist der sogenannte Intrinsic Factor erforderlich. Dieser wird im Magen gebildet. Entsprechend kann es bei Magenerkrankungen dazu kommen, dass der Intrinsic Factor nicht mehr oder nicht mehr in ausreichendem Maße gebildet wird. Dies hat zur Folge, dass die Aufnahme von Vitamin B12 aus dem Darm erheblich beeinträchtigt ist. Eine weitere Folge des Vitamin-B12-Mangels ist die perniziöse Anämie, die bei Patienten mit funikulärer Myelose ebenfalls häufig zu beobachten ist.

 

Primäre Erkrankungen als Ursache

Zu einer schwerwiegenden Schädigung der Magenschleimhaut kann es unter anderem bei Alkoholismus, chronischer Magenschleimhautentzündung (chronische atrophische Gastritis mit Rückbildung/Atrophie der Magenschleimhaut) oder einem bösartigen Magentumor (Magenkarzinom) kommen. Nach einer operativen Magenentfernung, beispielsweise aufgrund eines bösartigen Magentumors, fehlt die Magenschleimhaut vollständig. Dann wird auch kein Intrinsic Factor mehr gebildet.

 

Fischbandwurm verbraucht viel Vitamin B12

Zudem kann es bei einem Befall mit dem Fischbandwurm zu einem hohen Vitamin-B12-Verbrauch durch diesen Parasiten kommen, sodass das Vitamin dem Körper nicht mehr in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht. Ein erhöhter Vitamin-B12-Bedarf besteht außerdem während der Schwangerschaft sowie bei verschiedenen Krebserkrankungen (Leukämie, Myelom) und bei einer krankhaften Bakterienbesiedlung des Darmes. Auch eine einseitige Ernährung sowie Hungern sind mögliche Ursachen für einen Vitamin-B12-Mangel.

 

Chronische Darmerkrankungen

Zudem kann die Aufnahme von Vitamin B12 durch verschiedene Darmerkrankungen beeinträchtigt sein, unter anderem Morbus Crohn und Sprue (bei Erwachsenen) beziehungsweise Zöliakie (bei Kindern), außerdem durch eine chronische Funktionseinschränkung der Bauchspeicheldrüse (chronische Pankreasinsuffizienz, zum Beispiel als Folge einer chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung). Auch nach der Entfernung von Teilen des Darmes, beispielsweise bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, ist die die Aufnahme von Vitamin B12 unter Umständen eingeschränkt. Weiterhin können sich einige Medikamente negativ auf den Vitmain-B12-Stoffwechsel auswirken, darunter Antiepileptika (Wirkstoffe gegen epileptische Anfälle) und Zytostatika (Krebsmedikamente, die im Rahmen einer Chemotherapie zur Anwendung kommen).

 

Erste Beschwerden erst 3 Jahre nach Beginn der Erkrankung

Allerdings steht in der Leber ein großer Vorrat an Vitamin B12 zur Verfügung. Daher stellen sich erste Mangelerscheinungen erst ungefähr 3 Jahre nach Beginn der Beeinträchtigung der Vitamin-B12-Aufnahme ein.

 

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Beschwerden

Gangunsicherheit

Durch die Degeneration der Hinterstränge kommt es zu einer Gangunsicherheit mit daraus resultierenden Schwindelgefühlen.

 

Beschwerden in den Beinen

Außerdem leiden Patienten mit funikulärer Myelose unter anderem auch unter Missempfindungen und Schmerzen, insbesondere in den Beinen. Weitere Krankheitszeichen sind eine rasche Ermüdbarkeit beim Gehen, Zungenbrennen, Impotenz und Harnverhalt.

 

Sehstörungen

Bei einer zusätzlichen Schädigung des Sehnervs oder der Nervenbahn, welche die Informationen des Sehnervs bis in das Sehzentrum des Gehirns weiterleitet, kann es außerdem zu Sehstörungen kommen.

 

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Diagnostik

Eine Vielzahl körperlicher Test können Auffälligkeiten ergeben

Bei der körperlichen Untersuchung können einige Auffälligkeiten bemerkt werden, die auf eine funikuläre Myelose hinweisen. Dies sind:

  • blass-gelbe Haut
  • Gelbfärbung des Weißen der Augen (Skleren)
  • Rückbildung der Zungenschleimhaut (sogenannte Hunter-Glossitis), was zur Folge hat, dass die Zunge rot erscheint und zudem brennt
  • Sensibilitätsstörungen an Füßen und Beinen
  • Muskelschwäche an Füßen und Beinen
  • Gangunsicherheit
  • positives Romberg-Zeichen (Romberg-Test: Der Patient stellt die Füße eng nebeneinander und schließt die Augen. Ein leichtes Schwanken ist normal, wohingegen größere Schwankungen auf eine Rückenmarkschädigung hinweisen: positives Romberg-Zeichen. Bei geöffneten Augen verschwindet das Schwanken in der Regel wieder, da der Patient dann zur ergänzenden Kontrolle seine Augen zur Verfügung hat und sich zur "Lagekontrolle" nicht nur auf seine Tiefensensibilität verlassen muss.)
  • sogenannte pathologische Reflexe (die bei Gesunden nicht auslösbar sind) als Hinweise auf eine Schädigung der Pyramidenbahn:
    • Babinski-Reflex: Streckung der Großzehe bei kräftigem Bestreichen des seitlichen Fußrandes mit einem Reflexhammer
    • Oppenheim-Reflex: Streckung der Großzehe bei kräftigem Bestreichen der Schienbeinkante, beispielsweise mit den Fingerknöcheln
    • Gordon-Reflex: Streckung der Großzehe bei Fingerdruck auf die Wadenmuskulatur
    • Bechterew-Mendel-Reflex: Beugung oder Spreizung der Zehen bei Schlag auf den fersennahen Teil des seitlichen Fußrückens
    • Rossolimo-Reflex: kurze Beugung der Zehen bei Schlag auf die Zehenballen
    • Trömner-Reflex: Beugung der Finger bei Schlag gegen die Unterseite des Mittelfingerendglieds
    • Wartenberg-Reflex: Einwärtsbewegung des Daumens bei aktiver Beugung der 4 langen Finger gegen Widerstand (in der Regel gegen die eingehakte Hand des Untersuchers)
  • abgeschwächte oder fehlende Eigenreflexe an Beinen und Füßen
  • stark beeinträchtiges Vibrationsempfinden
  • deutlich herabgesetzte Lageempfindung
  • Anzeichen einer Demenz
  • depressive Verstimmung
  • Wahnvorstellungen

 

Labortests

Bei der Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) fällt bei zwei Drittel der Patienten eine leichte Erhöhung der Eiweißkonzentration auf. Bei der Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Elektroneuropgrahie) ist bei ungefähr 75 Prozent der Patienten eine Verlangsamung zu verzeichnen. Zum Teil beruht diese Verminderung der Nervenleitgeschwindigkeit auf einer parallel bestehenden Polyneuropathie. Im Rahmen einer Blutuntersuchung lassen sich unter Umständen eine bestimmte Form der Blutarmut (megalozytäre hyperchrome Anämie), eine schwach ausgeprägte Zerstörung der roten Blutkörperchen (Hämolyse) sowie eine Konzentrationsverminderung der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und der Blutplättchen (Thrombozyten) feststellen. Außerdem ist im Blut eine verminderte Vitamin-B12-Konzentration messbar. Informationen zum Schilling-Test, mit dessen Hilfe sich eine Aufnahmestörung von Vitamin B12 im Dünndarm nachweisen lässt, finden Sie hier.

 

Therapie

Substitution von Vitamin B12

Die Therapie einer funikulären Myelose besteht in der Gabe von Vitamin B12 in Form von Spritzen oder Infusionen. Diese Vitamingaben können unter Umständen jahrelang erforderlich sein.

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