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Das Palliativmedizinische Team - Umgang mit den eigenen Gefühlen:
Umgang mit Schuldgefühlen
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Der Tod ist unausweichlich
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Die palliativmedizinische Betreuung schwer kranker und
sterbender Menschen bringt es mit sich, dass die Patienten zwar im Rahmen des
medizinisch Möglichen eine optimale Betreuung erhalten, dass jedoch in der Regel
keine Heilung und damit keine "Rettung" der Patienten möglich ist. Nicht selten
führt dies bei Mitgliedern des palliativmedizinischen Teams zu Schuldgefühlen.
Beispielsweise wird der Tod eines Patienten als medizinisches oder persönliches
Versagen empfunden, was unter Umständen Schuldgefühle auslöst. Diese gehen nicht
selten mit quälenden Zweifeln einher ("Habe ich alles, was möglich war, getan,
um den Patienten zu retten?").
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Reaktion je nach Typ unterschiedlich
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Die Entwicklung von Schuldgefühlen ist
in hohem Maße von der Persönlichkeit des Einzelnen abhängig. Mitglieder des
palliativmedizinischen Teams mit eher
"zäher" Persönlichkeit können
den Verlust eines Patienten häufig besser verkraften als solche mit
"empfindsamerer" Persönlichkeit. Dies liegt am ehesten daran, dass Menschen mit
"zäher" Persönlichkeit Belastungen als Herausforderungen und als normalen
Bestandteil des Lebens ansehen und zudem der Ansicht sind, dass sich Belastungen
in der Regel bewältigen lassen. Sie fühlen sich den Belastungen daher weniger
stark ausgeliefert als andere Menschen.
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Fehler bewusst machen und analysieren
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Wenn Schuldgefühle auftreten, gibt es verschiedene
Möglichkeiten, sinnvoll damit umzugehen. Zunächst sollte objektiv festgestellt
werden, ob es bei der Betreuung eines verstorbenen Patienten zu Fehlern gekommen
ist (beispielsweise zu spätes Stellen einer Krebsdiagnose oder Wahl einer
unzureichend wirksamen Therapie). Lassen sich tatsächlich Fehler ausmachen,
sollten diese mit dem gesamten Team offen besprochen werden: Das hilft,
ähnliche Fehler zukünftig zu vermeiden. Bei diesen Gesprächen ist es allerdings
wichtig, konkrete Schuldzuweisungen zu vermeiden, da dies die Bereitschaft,
Fehler zuzugeben und zu besprechen, erheblich mindert. Stattdessen sollte
allgemein akzeptiert sein, dass jeder Mensch Fehler macht und dass sich
zukünftige Fehler durch eine offene Diskussion am besten vermeiden lassen. Wurde
hingegen kein Fehler bei der Betreuung des Patienten festgestellt, hat dies in
der Regel bereits einen entlastenden Effekt auf die eigenen Schuldgefühle.
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Regelmäßige Diskussion mit Kollegen
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Ist ein Teammitglied unsicher, ob es einen Fehler begangen hat oder
nicht, sollte es sich mit Kollegen austauschen. Beispielsweise kann das
gewählte therapeutische Vorgehen im Kollegenkreis zur Diskussion gestellt und auf
diese Weise alternative Vorgehensweisen aufgezeigt werden, die zukünftig
mit in Erwägung gezogen werden können. Einen ähnlichen positiven Effekt hat ein
regelmäßiger kollegialer Austausch während der alltäglichen Arbeit. Dies können
tägliche gemeinsame Stationsvisiten sein oder zu festen Terminen stattfindende
Konferenzen zu einzelnen Patienten. Auch die regelmäßige Besprechung des
Krankheitsverlaufs aller Patienten (sowie aller auftretenden Todesfälle)
innerhalb des palliativmedizinischen Teams beugt der Entstehung von Fehlern und
damit auch der Entwicklung von Schuldgefühlen vor. Außerdem sind solche
Teambesprechungen hilfreich, um sich nicht nur über die Betreuung der einzelnen
Patienten, sondern auch über die eigenen Gefühle auszutauschen.
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Risikofaktoren für Schuldgefühle
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Die Mitglieder des palliativmedizinischen Teams sollten sich bewusst sein,
dass Schuldgefühle und das
Burnout-Syndrom häufig in engem Zusammenhang stehen. Daher ist es
ratsam, aktiv nach Belastungen zu suchen, welche die Entstehung eines
Burnout-Syndroms und die Entwicklung von Schuldgefühlen begünstigen. Wenn
möglich, sollten diese Belastungen beseitigen oder zumindest abgemildert werden.
Entsprechende Belastungen sind unter anderem:
- überhöhte Rollenanforderungen (beispielsweise die
Vorstellung, dass Ärzte für jedes medizinische Problem eine Lösung haben
müssen oder dass Krankenschwestern und Krankenpfleger für jedes Anliegen
ihrer Patienten Verständnis aufbringen müssen)
- Arbeitsüberlastung (unter anderem durch zu lange Arbeitszeiten, zu kurze
Pausen und zu geringe Personalausstattung einer Abteilung)
- Rollenkonflikte (zum Beispiel Unvereinbarkeit der Aufgabe als Arzt, das
Leben eines Patienten zu erhalten, mit dem Empfinden als Mensch, mit dem
Erhalt des Lebens das Leiden des Patienten und seiner Angehörigen zu
verlängern)
- Konflikte innerhalb des palliativmedizinischen Teams
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Hilfe beanspruchen
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Gelingt es nicht, entsprechende Belastungen innerhalb des
palliativmedizinischen Teams aus eigener Kraft zu beseitigen oder zumindest
abzumildern, ist auch die Inanspruchnahme professioneller Hilfe in Erwägung zu
ziehen. Dies kann die Teilnahme an
Balint-Gruppen oder die
Hinzuziehung eines Psychologen sein.
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Der Tod ist kein Behandlungsfehler
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Eine große Hilfe besteht auch darin, sich zu vergegenwärtigen,
dass Sterben und Tod unausweichlich zum Leben gehören. Jeder Mensch
muss sterben - auch die Patienten, die das jeweilige palliativmedizinische Team
betreut. Auf diese Weise lässt sich verdeutlichen, dass der Tod eines Patienten
trotz optimaler Betreuung unausweichlich war und der Tod selbst nicht als Behandlungsfehler
aufzufassen ist.
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Wissen allein ist nicht entscheidend
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Der Wert der eigenen
beruflichen Tätigkeit in einem palliativmedizinischen Team sollte nicht nur an den
konkreten beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten bemessen werden. Nicht nur
Wissen ist entscheidend. Es ist auch wichtig, den Wert für das eigenen Leben und für das Leben der Patienten sowie deren
Familien zu sehen und anzuerkennen. Auf diese Weise wird deutlich, dass der Patient zwar
verstorben ist, dass er dabei jedoch nicht leiden musste, dass das Sterben in
Würde und Frieden stattfand und dass sich Patient und Familie angemessen
voneinander verabschieden konnten. Wird die Bedeutung der eigenen
Arbeit auf diese Weise verdeutlicht, steigt in der Regel auch der Wert, der der
eigenen Arbeit zugemessen wird. Dadurch nimmt die eigene Zufriedenheit mit der
Tätigkeit in der Palliativmedizin deutlich zu.
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