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HeilberufePflegekolleg
Praxis + Bildung |
Wundinfektionen Teil 1
Autor:
Prof. Dr. Kramer
Greifswald
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Mehr zu Hygiene und Infektionsschutz
hier. |
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Teil 2: Infektionsschutz - Praxis und Gesetz |
Das neue
Infektionsschutzgesetz. |
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Das neue Infektionsschutzgesetz sieht die Meldepflicht
für nosokomiale Wundinfektionen im Falle eines Ausbruchs vor. Was bedeutet das Gesetz
für die Pflegepraxis? Welche Möglichkeiten haben Pflegende hinsichtlich der
antimikrobiellen Prophylaxe und Therapie von Wundinfektionen?Das neue
Infektionsschutzgesetz enthält folgende Festlegungen zur Prophylaxe und Bekämpfung
nosokomialer Infektionen:
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1. Meldung von
gehäuftem Auftreten (sog. Ausbruch) von Krankenhausinfektionen mit epidemiologischem
Zusammenhang an das Gesundheitsamt. |
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Die Ausbruchmeldung ist Voraussetzung für die sofortige Einleitung
von Schutzmaßnahmen (z. B. Isolierung, Schutzimpfungen, Antiseptik), die
Ursachenerforschung und die rasche Beendigung des Ausbruchs mit
"Manöverkritik". |
2. Erfassung
spezieller Infektionen, sog. Markerinfektionen, gemäß Falldefinitionen des RKI sowie von
Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen intern in Krankenhäusern und
Einrichtungen für ambulantes Operieren. |
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Da das Gesundheitsamt das Recht der Einsichtnahme in die
interne Erfassung hat, ergibt sich hierfür eine hohe Verbindlichkeit.Je
nach Fachdisziplin sind typische Markerinfektionen wie postoperative Wundinfektionen,
katheterassoziierte Septikämien, beatmungsassoziierte Lungenentzündungen oder
katheterassoziierte Harnweginfektionen auszuwählen.
Je nach Risikobereich muss mindestens eine Markerinfektion erfasst und
die Häufigkeit ihres Auftretens anhand der durchschnittlichen Infektionsrate in der
Einrichtung und anhand epidemiologischer Analysen an einem vergleichbaren Patientengut in
Auswertung der Literatur bewertet werden. Diese kontinuierliche Erfassung erfüllt die
Funktion eines "epidemiologischen Messfühlers" und ermöglicht ein Feedback zur
krankenhaushygienischen Situation mit unter Umständen erforderlichen Änderungen der
hygienischen Praxis. Vor allem US-amerikanische Studien haben gezeigt, dass insbesondere
Wund- und Harnweginfektionen durch geänderte Präventionsstrategien um mehr als 1/3
verringert werden können.
Diese Form der Infektionssurveillance ist die notwendige Ergänzung zur
Primärprävention, also der Sicherung der Struktur- und Prozessqualität aus hygienischer
Sicht.
Um die Vergleichbarkeit bei der Erfassung zu gewährleisten, bedarf es
einer eindeutigen Falldefinition. Gemäß CDC-Definition werden innerhalb von 30 d
postoperativ sich manifestierende tiefe Infektionen im Bereich der Inzision sowie
Infektionen von Körperhöhlen oder Organen im OP-Gebiet unterschieden (Tab. 1).
Die Erfassung von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und
Multiresistenzen ist die Voraussetzung zur Verhinderung ihrer Weiterverbreitung. Der
Umfang der zu erfassenden Infektionen und Resistenzen ist den aktuellen Empfehlungen des
RKI im Bundesgesundheitsblatt zu entnehmen, und unter http://www.rki.de
(Krankenhaushygiene) abrufbar.
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3. Unabhängig davon
müssen, sofern bei hospitalisierten Patienten gemäß IfSG meldepflichtige Krankheiten
bzw. Erreger diagnostiziert werden, in Verbindung mit der Meldung die erforderlichen
Schutzmaßnahmen unverzüglich eingeleitet werden. |
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Im niedergelassenen Bereich und in der
Hauskrankenpflege ist die Meldepflicht für die meldepflichtigen Krankheiten und die
meldepflichtigen Nachweise von Krankheitserregern (durch die Untersuchungsstellen)
einzuhalten. Für erstere gilt die Meldepflicht nicht nur für den feststellenden Arzt,
sondern auch für Angehörige eines anderen Heil- und Pflegeberufes mit staatlich
geregelter Ausbildung oder Anerkennung sowie für Leiter von Pflegeeinrichtungen, sofern
die Meldung nicht bereits durch den Arzt erfolgte.Im Fall der Diagnose einer
Wundinfektion ist unverzüglich die antiinfektive Therapie einzuleiten. Sofern mit einem
erhöhten Infektionsrisiko gerechnet werden muss, ist die Prophylaxe mit lokalen oder
systemischen Antiinfektiva indiziert.
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Zusätzliche Faktoren |
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Zusätzlich zur antiinfektiven Prophylaxe oder Therapie sind folgende Faktoren zu
berücksichtigen:
- Feststellung des Wundstadiums und Berücksichtigung der Pathophysiologie der Wunde zur
Abwägung des chirurgischen Vorgehens und ggf. weiterer therapeutischer Maßnahmen (z.B.
zur Durchblutungsverbesserung),
- Auswahl geeigneter Wundaufllage und ggf. moderner Wundtherapeutika.
Die Abklärung der Wundsituation ist deshalb so wichtig, weil auch eine
perfekte Antiseptik oder Chemotherapie nicht die Kunst des chirurgischen Eingriffs
ersetzt. Leider wird immer wieder der Fehler begangen, eine unsauber belegte Wunde
antiseptisch zu dekontaminieren oder Granulation oder Epithelisierung pharmakologisch
(durch Salben oder Wundauflagen) fördern zu wollen, ohne sie zuvor chirurgisch oder
enzymatisch zu debridieren. Diese Schritt der Wundreinigung ist Voraussetzung für die
Wundheilung.
Finden sich im Spätstadium einer Wundheilungsstörung trockene
Nekrosen, ist jegliche lokale Behandlung außer der chirurgischen Nekrosektomie als falsch
zu bezeichnen. Ist die Wunde sauber, also frei von Belägen und Schorfbildungen, soll die
Granulation gefördert werden. Ist der Wundgrund vollständig granuliert, muss die
Epithelisierung angeregt werden.
Wurde die Entscheidung zur antiinfektiösen Therapie getroffen, ist der klinische
Erfolg mindestens täglich sorgfältig zu bewerten, ggf. ergänzt durch mikrobiologische
Diagnostik, um die Anwendungsdauer auf das erforderliche zeitliche Minimum zu begrenzen
(meist reichen 2-6 d). In der Praxis werden lokale Antiinfektiva ohne Berücksichtigung
des Therapieerfolgs nicht selten Wochen und Monate (bei chronischen Wunden) angewendet,
ohne die eigentliche Ursache der schlechten Wundheilung zu behandeln. Das induziert
letztendlich auch bei gut verträglichen Präparaten eine verzögerte Wundheilung und
verdächtigt das Antiinfektivum zu Unrecht der Wirkungslosigkeit.
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Lokale oder
systemische Antiinfektiva? |
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Für die Entscheidung lokale oder systemische Antiinfektiva sind folgende
Kriterien bestimmend:
- Lokale Infektionen sollen mit lokalen Antiinfektiva behandelt werden.
- Systemische Infektionen können nur mit systemischen Antiinfektiva beherrscht
werden.Bei gemischten Formen erscheint die Verbindung beider Prinzipien sinnvoll.
Antimikrobielle Wirkstoffe können lokal oder systemisch verwendet
werden. Die lokale prophylaktische oder therapeutische Anwendung wird unter dem Begriff
der Antiseptik (Haut-, Schleimhaut-, Wund-, Körperhöhlenantiseptik) zusammengefasst. Die
therapeutische Anwendung von Antiseptika kann durch den Begriff lokale Antiinfektiva
spezifiziert werden.
Die systemische Anwendung kann als antimikrobielle Chemotherapie oder
Chemoprophylaxe erfolgen. Erstere kann mit dem Begriff systemische Antiinfektiva
spezifiziert werden.
Sofern Antiseptika indiziert sind (Tab. 2), kommen hierfür
xenobiotische, jedoch weniger antibiotische (sog. Lokalantibiotika) Wirkstoffe in
Betracht. Für die Auswahl der Antiseptika sind folgende Prämissen zu beachten:
- Grundvoraussetzung ist, dass das lokale Antiinfektivum die Effektivität von
systemischen Antiinfektiva erreicht oder übertrifft, wobei prinzipiell mikrobiozid
wirkende lokale Antiinfektiva auszuwählen sind.
- Die lokale Anwendung muss ohne Risiken lokaler Nebenwirkungen sein. Das setzt voraus,
dass der Prozess der Wundheilung - Bildung von Granulationsgewebe und / oder
Reepithelisation - nicht durch zytotoxische Effekte verzögert und die Qualität
der Narbenbildung nicht beeinträchtigt wird. Es ist anzustreben, dass der Prozess der
Wundheilung durch wundheilungsfördernde Zusätze im antiseptischen Präparat unterstützt
wird. Hierfür kommen als klassische Wirkstoffe Allantoin und Thiocyanat in Frage (Kramer
et al. 1999).
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Kriterien für die
Wirkstoffwahl |
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Ist die Indikation für Antiseptika gegeben, sind folgende Kriterien an die
Wirkstoffauswahl zu berücksichtigen:
- Dokumentation der geforderten mikrobioziden Wirksamkeit in vitro und
antiseptische Effektivität in klinischen randomisierten placebo-kontrollierten
Doppelblindstudien nachgewiesene antiseptische Effektivität; eine ledigliche
vermehrungshemmende (mikrobiostatische) Wirksamkeit, wie vielfach bei Antibiotika, ist
speziell in Wundgebieten mit unzureichender Durchblutung und Belägen nicht ausreichend,
- Wirkungsbeeinflussung durch Eiweiß, Blut und pH-Veränderungen sowie
Geschwindigkeit der Wirkungsentfaltung,
- Risiko der mikrobiellen Resistenzentwicklung,
- Zytotoxizität und Wundverträglichkeit,
- allergene Potenz,
- Risiko systemischer Nebenwirkungen.
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Wann ist es ein
Antiseptikum? |
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Als Voraussetzung zur Einstufung als Antiseptikum wird ein Reduktionsfaktor im
quantitativen Suspensionstest ohne Belastung von > 4,5 lg-Stufen, mit
biotopangepasster Belastung (z. B. 10 % Muzin, 10 % Rinderserumalbumin oder 10 % Blut) >
3 lg-Stufen verlangt (Kramer 2000). Diese Anforderungen werden z. B. von Betaisodonaâ , Lavaseptâ , Octeniseptâ , Chlorhexidin-haltigen Präparaten und ACTISORB® SILVER 220,
jedoch nicht von Mercuchromâ und Farbstoffen erfüllt. Im
Unterschied zu den antiseptischen ACTISORB SILVER 220-Wundauflagen besaßen die
antibiotischen Wundauflagen SOFRA TULLE und ANTIBIO TULLE Wirkungslücken gegen
vancomycinresistente Enterokokken und Staphylococcus aureus (Rudolph et al. 2000).
Während Iodophore und die o. g. oberflächenaktiven Wirkstoffe insbesondere zur
feuchten antiseptischen Wundbehandlung geeignet sind, z. B. auch in Verbindung mit
Hydrokolloidauflagen, ist die Anwendung auf stark sezernierenden vor allem chronischen
Wunden Domäne antiseptischer Aktivkohleauflagen zur Absorption der Wundsekrete mit
gleichzeitiger Abtötung der mit dem Sekret gebundenen Mikroorganismen bei zusätzlicher
Desodorierung. Ist die Wunde trocken gelegt, kann bei noch bestehender Infektion die
Behandlung mit Iodophoren bzw. oberflächenaktiven Antiseptika fortgesetzt werden.
Taurolidin weist insofern eine Besonderheit auf, als es auf Grund seines
Wirkungsmechanismus einer langsamen Formaldehydabspaltung die erforderliche bakteriozide
Wirksamkeit in vitro (Reduktionsfaktor > 5 lg) erst nach Einwirkungszeiten zwischen 6
und 24 h entfaltet (Skripitz u. Werner 1994). Damit ist eine antiseptische Effektivität
nur bei Langzeitapplikation, z. B. bei kontinuierlicher Spül-Saug-Drainage der
lavagebedürftigen Peritonitis, als Monotherapie oder in Kombination mit antimikrobiellen
Chemotherapeutika erreichbar.
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Toxizität als
weiteres Auswahlkriterium. |
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Sofern die antiseptische Wirksamkeit gegeben ist,
muss gleichrangig die Zyto- bzw. Gewebetoxizität als Auswahlkriterium beachtet werden.Für moderne lokale Antiinfektiva ist die traditionelle Auffassung nicht
mehr zutreffend, wonach Xenobiotika generell zytotoxischer als Antibiotika sind.
Der Zytotoxizitätstest erscheint zur Voraussage der Wundverträglichkeit auf Grund der
hohen Empfindlichkeit der hauchdünnen Monolayerschicht und wegen des fehlenden
Gewebewachstums praxisfremd (Kramer et al. 1995). Deshalb haben wir den Explantationstest
als spezielle Form eines Gewebekulturtoxizitätstests weiterentwickelt (Kramer et al.
1998). In Übereinstimmung zum Zytotoxizitätstest wurden die günstigsten Resultate mit
Lavaseptâ , Betaisodonaâ Lösung,
Ethanol und Taurolidin erhalten, wobei Lavaseptâ in diesem
Prüfmodell Betaisodonaâ Lösung an Verträglichkeit
überlegen war (Tab. 3). Diese Befunde stehen in Übereinstimmung zur Irritationspotenz im
Hühnereitest an der Chorioallantoismembran, in dem Lavasept 0,1â
%ig nicht nur Betaisodonaâ Lösung, sondern auch der Mehrzahl
antibiotischer Augentropfen an lokaler Verträglichkeit überlegen war (Kramer u.
Behrens-Baumann 1997).
Bei gleichzeitiger Berücksichtigung von in vitro, tierexperimentellen und klinischen
Ergebnissen ergibt sich eine relativ einheitliche Bewertung der Wirkstoffe bzw.
Stoffklassen.
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Infektionsschutz hier. |
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erschienen in
Pflegekolleg 2/2001, S. 61: Heilberufe, Urban&Vogel, Berlin |
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