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Schluckauf (Singultus) in der Palliativmedizin
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Bedeutung und Ursachen
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Schluckauf ist ein Reflex des Zwerchfells
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Der Schluckauf (Singultus) entsteht durch eine reflexbedingte Aktivierung
des Zwerchfells. Dadurch kommt es zu einer Einatmung, die
durch einen plötzlichen Verschluss der Stimmlippen des Kehlkopfes
unterbrochen wird. Auf diese Weise entsteht das typische "Hicksen".
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Chronischer Schluckauf
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Gelegentlicher Schluckauf tritt bei jedem Menschen auf und ist
völlig normal. Von einem chronischen Schluckauf spricht man, wenn dieser länger
als 48 Stunden anhält. Die "Frequenz" eines Schluckaufs, das heißt die
Häufigkeit des "Hicksens", kann zwischen 2-mal und 60-mal pro Minute variieren.
Insgesamt kommt es jedoch nur sehr selten zu einem lang anhaltenden,
hochfrequenten Schluckauf.
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Irritation von Nerven
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Ursache eines Schluckaufs sind Irritationen des sogenannten
Vagusnvervs (zehnter Hirnnerv) oder des Zwerchfellnervs (Nervus phrenicus). Der
Zwerchfellnerv steuert die Bewegungen des Zwerchfells während der Atmung. Der
Vagusnerv koordiniert unter anderem teilweise die Bewegungen im Bereich des
Kehlkopfes und des Rachens, beispielsweise beim Schlucken. Auch direkte
Irritationen des Zwerchfells selbst können einen Schluckauf auslösen. Zudem
können seelische Ursachen einem Schluckauf zugrunde liegen.
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Gründe für Nervenirritationen bei Palliativpatienten
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Bei Patienten, die palliativmedizinisch betreut werden, stehen
als Ursachen für Irritationen des Vagusnervs, des Zwerchfellnervs oder des
Zwerchfells selbst folgende Situationen im Vordergrund:
- Magenüberdehnung durch Schlucken großer Luftmengen oder durch Rückstau
von Nahrung bei Verstopfung oder
Darmverschluss
- Dehnung und damit Spannung der Bindegewebekapsel, die die Leber
einhüllt, wenn die Leber durch das Wachsen von Metastasen an Größe zunimmt
- Absiedlung von Metastasen im Bereich des
Bauchfells (Peritoneum)
- Reizung des Bauchfells durch Tumoren, die in dessen unmittelbarer Nähe
wachsen
- Reizung des Vagusnervs durch Tumoren, die in der Nähe seines weit
verzweigten Verlaufs wachsen
- Reizung des Zwerchfellnervs durch Tumoren, die in dessen Nähe wachsen,
beispielsweise Tumoren
- im Halsbereich
- im Mittelfellraum (Raum im Brustkorb zwischen den beiden Lungenflügeln,
in dem sich das Herz befindet und durch den sowohl die Speiseröhre als auch
die Luftröhre zieht)
- im Hirnstamm in der Nähe des Ursprungsgebietes des Zwerchfellnervs
- Wachstum von Tumoren in der Nähe des Zwerchfells und bis in das Zwerchfell hinein
- Irritation des Zwerchfells durch Wachstum von Tumoren oder durch
Wachstum von Metastasen im benachbarten Bauchfell oder
im benachbarten Lungen- oder Rippenfell
- Irritation des Zwerchfells durch Bildung einer Eiteransammlung (Abszess)
in dessen unmittelbarer Nähe
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Weitere Ursachen
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Außerdem kann die Entstehung eines Schluckaufs durch das Trinken
alkoholischer Getränke, eine erhöhte Blutkonzentration von
Harnstoff sowie sehr kaltes oder sehr heißes Essen
begünstigt werden.
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Folgen eines chronischen Schluckaufs
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Ein länger anhaltender Schluckauf bei einem palliativmedizinisch
betreuten Patienten ist in der Regel äußerst lästig. Zudem kann er ganz konkrete
gesundheitliche Folgen haben. Beispielsweise sind Essen und Trinken unter
Umständen eingeschränkt oder sogar gänzlich unmöglich. Daraus können sich eine
Magenernährung mit Gewichtsverlust sowie eine Austrocknung ergeben. Eventuell
müssen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr in derartigen Fällen über eine Vene
(mittels Infusionen) oder über eine Magensonde erfolgen. Durch die
Beeinträchtigung des Schluckens wird die Speiseröhre zudem nur unzureichend von
Speiseresten gereinigt. Dies kann zur Folge haben, dass in der Speiseröhre
verbleibende Speisereste eine Entzündung der Speiseröhrenwand (Ösophagitis)
auslösen, was eventuell sehr schmerzhaft ist (vergleichbar einem ausgeprägten
Sodbrennen). Weiterhin beeinträchtigt ein anhaltender Schluckauf den Schlaf,
sodass der betroffene Patient unausgeruht ist. Im schlimmsten Fall kommt es bis
zur Erschöpfung. Bei Irritation des Vagusnervs können außerdem begleitend
Herzrhythmusstörungen auftreten, da der Vagusnerv auch an der Steuerung der
Herztätigkeit mit beteiligt ist.
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Diagnostik
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Körperliche Untersuchung
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Der Schluckauf selbst muss nicht diagnostiziert werden - er ist offensichtlich.
Wichtig ist es aber, die Ursache des Schluckaufs herauszufinden. Um die
infrage kommenden Ursachen festzustellen beziehungsweise
auszuschließen, erfolgt zunächst eine gründliche körperliche Untersuchung des
Kopfes, des Halses, des Brustkorbs und des Bauches. Dazu gehören unter anderem:
- Prüfung der Beweglichkeit des Kopfes und des Halses
- Untersuchung der Pupillen bezüglich Größe und Reaktion auf Licht
- Betrachtung des Rachens und des Gaumens
- Betrachtung und Abtasten des Halses
- eventuell Spiegelung des Kehlkopfes
- Betrachtung, Abtasten und Beklopfen des Brustkorbs und des Bauches
- Abhorchen der Lunge, des Herzens und des Bauches
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Blutuntersuchung
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Neben der körperlichen Untersuchung kann zur Ursachenabklärung
eines Schluckaufs eine Blutuntersuchung sinnvoll sein. Dabei werden insbesondere Entzündungswerte
wie die
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit, den Spiegel des
C-reaktiven Proteins
(CRP) und die Konzentration der
weißen Blutkörperchen (Leukozyten) als Hinweise
auf eine im Körper ablaufende Entzündung untersucht.
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Apparative Diagnostik
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Bei der Suche nach Entzündungsvorgängen, Tumoren und
Tumormetastasen im Brustbereich kann eine Röntgenaufnahme des
Brustkorbs hilfreich sein. Eine Ultraschalluntersuchung (Sonographie) des
Bauchraums dient unter anderem der Erkennung sowie der weiteren Abklärung von
Magen- und Darmfunktionsstörungen, Entzündungen, Tumorwachstum und Entstehung von
Tochtergeschwülsten eines Tumors.
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Therapie
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Reizung des weichen Gaumens
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Es gibt einige einfache Tricks, um einen lästigen Schluckauf zu beenden, die
jedoch nicht immer und nicht bei jedem Menschen funktionieren. Beispielsweise
kann eine Reizung des Gaumens zu einer Unterbrechung des Schluckaufs führen.
Eine Reizung des Gaumens lässt sich durch das Ziehen an der Zunge, das Gurgeln
mit Pfefferminztee oder die direkte Massage des weichen Gaumens erreichen (der
weiche Gaumen ist derjenige Bereich des Gaumens, der weiter hinten in der
Mundhöhle liegt und der - anders als der weiter vorne gelegene harte Gaumen -
nicht durch Knochen unterlegt ist).
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Akupunktur
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Weiterhin ist eine
Akupunkturbehandlung gelegentlich erfolgreich. Dabei werden die Akupunkturnadeln
im Bereich zwischen Oberlippe und Nase platziert.
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Rückatmen
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Der Schluckauf lässt sich bei einigen Menschen auch durch
sogenanntes Rückatmen unterbrechen. Beim Rückatmen atmet man die ausgeatmete
Luft gleich wieder ein. Dies ist beispielsweise möglich, indem man in eine vor
den Mund und die Nase gehaltene Plastiktüte ausatmet und aus dieser Tüte wieder
einatmet, ohne sie zwischendurch abzusetzen. Auf diese Weise atmet man
"verbrauchte" Luft ein, die im Vergleich zu Frischluft weniger Sauerstoff und
mehr Kohlendioxid (CO2) enthält. Dies führt zu einem Anstieg der
Kohlendioxidkonzentration im Blut, was in einigen Fällen den Schluckauf
unterbricht.
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Entblähung des Magens
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Hat sich durch die Diagnostik ergeben, dass eine
Magenüberblähung als mögliche Ursache eines Schluckaufs bei einem
palliativmedizinisch betreuten Patienten infrage kommt, sollte versucht werden,
diese zu beseitigen. Ein "Entblähen" des Magens ist beispielsweise durch
Aufstoßen möglich (welches sich unter anderem durch das Trinken von
Pfefferminzwasser auslösen lässt). Auch die Verabreichung von Medikamenten,
welche den Magen-Darm-Trakt entblähen (beispielsweise der Wirkstoff Dimeticon)
oder die Weiterbeförderung des Mageninhalts unterstützen kann hilfreich sein.
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Medikamente
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Bei sehr hartnäckigem Schluckauf eines schwer kranken Patienten
ist ein medikamentöser Therapieversuch in Erwägung zu ziehen. Ein
Behandlungsansatz besteht in der Verabreichung von Medikamenten, die die
Muskulatur und damit auch das Zwerchfell entspannt. Infrage kommende
Medikamente enthalten den Wirkstoff Baclofen oder Nifedipin (letzterer kann
insbesondere dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn der Patient parallel unter
einem zu hohen Blutdruck leidet, da Nifedipin eigentlich zur Blutdrucksenkung
eingesetzt wird). Eine weitere Möglichkeit der medikamentösen "Ausschaltung" des
Schluckaufs besteht in der Unterdrückung des Schluckaufreflexes im Gehirn. Dazu
kommen Wirkstoffe zum Einsatz, die ansonsten zur Therapie psychiatrischer
Erkrankungen oder allgemein zur Beruhigung verabreicht werden, beispielsweise
die Substanzen Haloperidol, Levomepromazin und Midazolam. Auch eine
medikamentöse Abschwellung durch ein Kortisonpräparat (beispielsweise
Dexamethason) kann zur Unterdrückung des Schluckaufreflexes beitragen.
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