Qualitätssicherung in der Medizin

2.0 Qualität

2.1 Grundlagen

Der Begriff 'Qualität' leitet sich vom Lateinischen 'Qualitas/-atis, f' ab, eine Vokabel, die ihrerseits dem Interrogativpronomen 'qual/is,-e - welch/er,-e,-es' entstammt. In Ermangelung einer authentischen, wörtlichen Übersetzungsmöglichkeit wird 'Qualität' im Deutschen zumeist mit 'Eigenschaft' oder 'Beschaffenheit' wiedergegeben. Diesen ursprünglichen Sinngehalt verdeutlichen Kombinationen des Substantivs 'Qualität' mit Adjektiven wie 'rein', 'schwer' oder 'grob', beispielsweise in der Güterfertigungsindustrie.

Neben dieser Begriffsdeutung als rein deskriptive Attribuierung sind jedoch noch weitere Auslegungen möglich, etwa 'Güte' oder 'Wert'. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist der 'Qualität' bereits der Attributscharakter a priori inhärent, ein zusätzliches Adjektiv bewirkt lediglich eine Modulation oder Skalierung des abgegrenzten Oberbegriffes. Websters New Encyclopedic Dictionary bietet zum Begriff der Qualität insgesamt sogar fünf Definitionen an:

Qualität als essentielle Eigenschaft (Nature),

Qualität als Ausdruck einer Rangordnung (High Society Rank),

Qualität als differenzierendes, charakteristisches Attribut (Timbre),

Qualität als Maß für Exzellenz (Grade of Excellence)

Qualität als inhärente Eigenschaft (z.B. Härte bezogen auf Stahl) .

Daß mangels semantischer Trennschärfe durchaus mehrere Interpretationen des Begriffes 'Qualität' geläufig sind, soll an einem Beispiel verdeutlicht werden:

Frage: Wie ist die Oberflächenqualität dieses Gegenstandes?

Antwort 1: rauh

Antwort 2: zufriedenstellend

Die erste Antwort beschränkt sich auf eine reine Beschreibung der Oberflächeneigenschaft, die zweite dagegen bewertet die Eignung des Objektes.

Unter der Prämisse, daß zuvor eine Festlegung der Ziele - also eine Definition der zu beobachtenden 'Qualität' - erfolgt ist, sind beide Antwortmöglichkeiten zulässig.

Zum besseren Verständnis unterscheidet Eichhorn hier die 'primäre, den Dingen zukommende Qualität' von der 'sekundären, nur in der Wahrnehmung existierenden Qualität', häufig auch als 'objektive' und 'subjektive' Qualität bezeichnet.

Diese Unterscheidung ist jedoch nicht ganz treffend, da letztendlich alle Qualitäten subjektiver Natur sind (Berkeley und Hume), werden ihre Eigenschaften doch in der Regel durch unsere Wahrnehmung mitgeprägt (Aristoteles). Folgerichtig führt Friedrich aus, daß es sich bei Qualitäten um die (zugeschriebene) potentielle Erfüllungsmöglichkeit von subjektiven oder intersubjektiven Bedürfnissen durch ein Objekt oder einen Prozeß handelt.

Als Voraussetzung für die Betrachtung von Qualität und qualitätsinhärenten Fragestellungen sind daher Begriffsbestimmungen in Form von Normen, Standards oder Konsensformulierungen zwingend erforderlich.


2.2 Definitionen, Begriffe, Abgrenzungen

Eine erste Hilfe zur Begriffsbestimmung der 'Qualität' bieten die diesbezüglichen Definitionen der nationalen und internationalen Normierungsinstitute.

Gemäß der deutschen Norm DIN 55350, der internationalen Norm ISO 8402 sowie weiteren Normen der 'European Organisation for Quality Control (EOQC)' und auch der 'American Society for Quality Control (ASQC)' lautet die Definition der Qualität:

'Qualität ist die Gesamtheit der Merkmale und Merkmalswerte eines Produktes oder einer Dienstleistung, bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen'.

Im Bereich der Industriegüterproduktion und in zahlreichen Dienstleistungsbetrieben werden die Erfordernisse an die Qualitätsmerkmale durch den Kunden vorgegeben, also vom Markt bestimmt. Die Fertigung eines Produktes oder das Angebot einer Dienstleistung orientiert sich daher möglichst nah an den Kundenwünschen (Funktion, Lieferzeit, Preis, Service ). Die Marktforschung bemüht sich in Form von Beobachtungen, statistischen Erfassung und Datenanalysen um eine möglichst korrekte Einschätzung von Bedarf und erforderlichen Qualitätsmerkmalen eines Produktes oder einer Dienstleistung, damit diese Faktoren in das Design desselben einfließen können.

Wesentlich komplizierter verhält es sich dagegen mit der Beurteilung der Qualität medizinischer Dienstleistungen. Dies beruht zum einen auf der teilweise subjektiven Determinierung des Begriffes 'Gesundheit', andererseits auf der ebenfalls subjektiven Motivation der Bedürfnisbefriedigung. Mit ihren zahlreichen, uneinheitlichen und bisweilen abstrakten Aspekten, die einer Standardisierung, Normierung oder sogar nur einer Quantisierung allenfalls in Teilbereichen zugeführt werden können, weist die medizinische Dienstleistung verglichen mit einem Industrieprodukt daher eklatante Differenzen auf:

Die Vorgaben des Patienten sind weniger präzise als die eines Kunden

Das erwartete Ausmaß an Heilung ist in Prozent kaum anzugeben

Die subjektive Patientenzufriedenheit ist nur schwierig beurteilbar

Der Verlauf und das Ergebnis einer Behandlung sind nicht nach rein mechanistischen Kriterien vorhersehbar.

Entsprechend unscharf und gewunden fallen die Definitionsversuche zur Qualität der medizinischen Versorgung aus, wie sich anhand zahlreicher Literaturzitate belegen läßt.

So formuliert Schulz die Anforderungen an die Qualität ärztlichen Handelns als "....delivering the most advanced knowledge and skills of medical science to serve the patient.." oder "..having the best people and facilities to deliver services..", und verlangt darüberhinaus als qualitätssichernde Maßnahme: "..the professionals who provide the service (should) continually evaluate their efforts and provide education for continuing improvements..".

Nach van Eimeren ist Qualität dagegen "das Erreichte im Verhältnis zum Machbaren bezogen auf das Erwünschte". Burkens deutet Qualität ganz allgemein als Ergebnis der Wirkung medizinischer Aktivitäten, wohingegen Fassl einen dezidiert statistisch orientierten Ansatz wählt, indem er die Anzahl erfolgreich abgeschlossener Betreuungen an der Gesamtzahl der Betreuungen als Maß für die Qualität ärztlicher Betreuung fordert, wobei sich die Bewertung des 'Erfolgs' aus der vorgegebenen Zielvorstellung des Arztes herleiten läßt.

Zusammenfassend beobachtet Eichhorn als kleinsten gemeinsamen Nenner aller Begriffsbestimmungsversuche, daß die Qualität der medizinischen Versorgung stets im Hinblick auf Ziele, die im Einzelfall erreicht werden sollen, definiert wird.

Die Liste an Definitionen zur Qualität ärztlicher Betreuung wie auch zum generellen Begriff der Qualität könnte noch weiter fortgesetzt werden, ohne daß dies jedoch zu einer tiefergreifenden, wesentlichen Begriffserhellung führen würde.

Festzuhalten bleibt, daß Qualität im gebräuchlichen Sinne nicht absolut definiert ist, sondern in Abhängigkeit von einer formulierten Zielvorgabe zu sehen ist. Das Ausmaß an erreichter Qualität läßt sich dann anhand der Erfüllung oder Nicht-Erfüllung der zuvor festgesetzten Kriterien (z.B. Standards, Normen, Konsensus) beurteilen. Qualität unterliegt dynamischen Prozessen wie beispielsweise technischen Fortschritten und kontinuierlichen Reevaluierungen unter neuen Gesichtspunkten:

Was heute fortschrittlich und von 'hoher Qualität' ist, könnte bereits morgen 'Standard' sein und möglicherweise übermorgen den dann geltenden Anforderungen an Qualität nicht mehr genügen.


1.0 Einleitung 2.0 Qualität 3.0 Qualitätssicherung
4.0 Ursachen und Gründe 5.0 Systemaufbau 6.0 Europäische Ansätze
7.0 Perspektiven 8.0 Einführung eines QS-Systems 9.0 Historischer Abriß
10.0 Literatur

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