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Pressemitteilung 20.10.1999 |
Deutscher
Schmerzkongress
20.-24. Oktober 1999, München
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Selbsthilfe gegen die Pein im Kopf |
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Die Medizin bietet ein ganzes Spektrum von Medikamenten zur Bekämpfung von
Migräneanfällen und anderen Formen chronischer Kopfschmerzen an. ,,Vor allem
nichtmedikamentöse Therapieformen können die Behandlung ergänzen, indem sie die
Häufigkeit der Schmerzattacken reduzieren", betonen Experten auf dem Deutschen
Schmerzkongress in München. |
Migräne
verursacht 9 Milliarden DM Kosten. |
Sechs Millionen Deutsche - 15 Prozent der Frauen und acht Prozent
der Männer - leiden unter Migräne. Die Kosten für Behandlung und Arbeitsausfall
summieren sich auf fast neun Milliarden Mark pro Jahr. Weitere 1,8 Millionen Menschen
leiden unter täglichen oder fast täglichen Spannungskopfschmerzen. |
Der
Wunsch - Therapie am liebsten ohne Medikamente. |
Inzwischen gibt es neue, hochwirksame Medikamente, die bei einem
Anfall direkt in den Migränemechanismus eingreifen, die Triptane. Dennoch wünschen sich
vor allem jene Patienten, die mehrmals pro Monat von den Schmerzattacken und ihren
Begleitsymptomen (etwa Übelkeit, Müdigkeit, Licht- und Geräusch-Empfindlichkeit)
heimgesucht werden, einen Weg, die Häufigkeit der Anfälle zu reduzieren - am liebsten
ohne Medikamente. |
Nicht jedes Versprechen wird eingelöst. |
Doch manche ,,alternativen" Therapien halten nicht, was sie
versprechen. Etwa die Psychofonie: Aus dem EEC eines Migränepatienten errechnet ein
Computer Klangfolgen, die sich der Patient zwei- bis dreimal pro Tag anhört. Das soll die
Migräne erzeugenden Prozesse im Stammhirn harmonisieren. Professor Gunther Haag,
Generalsekretär der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, bezweifelt, dass die
Wirksamkeit dieser ,,Hirn-Musik" erwiesen ist: ,,Ich kenne keine Untersuchungen, die
den anerkannten Qualitätskriterien für eine wissenschaftliche Studie genügen und die
zeigen, dass die Psychofonie besser wirkt als ein Placebo, also irgendeine willkürliche
Tonfolge." |
Was
wirkt wirklich? |
Dasselbe gilt für die Homöopathie: In zwei
,,Doppelblind-Studien", bei denen weder die Ärzte noch die Patienten wussten, wer
ein Scheinmedikament (Placebo) und wer ein echtes homöopathisches Medikament bekam,
zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Probanden- Gruppen. Gerade
bei Therapien zur Migräneprophylaxe ist dieser Vergleich nicht leicht zu führen, denn
oft geht die Häufigkeit oder Schwere der Attacken auch bei den Probanden der Placebo-
Gruppe deutlich zurück. Haag: "Für diese positiven Effekte sind wahrscheinlich
unspezifische Faktoren verantwortlich, etwa die intensiven Gespräche mit dem Arzt oder
die verstärkte Zuwendung". |
Nachweis
in großen Studien fehlt. |
Generell gilt darüber hinaus: Nur große Studien mit mindestens
80 Teilnehmern können wissenschaftlich gesichert Klarheit schaffen, ob eine Substanz
wirkt oder nicht. Eine derartige Untersuchung und damit der eindeutige Wirkungsnachweis,
so Haag, fehlt auch noch für den Pestwurz-Extrakt (Petadolexâ ), der vom Hersteller
unter anderem auch als Migräneprophylaktikum propagiert wird. |
Akupunktur als Intervalltherapie. |
Besser hingegen sieht es bei der Akupunktur aus, bei der
allerdings die ,,Scheinbehandlung" schwerer zu bewerkstelligen ist als bei einem
Medikament und bei der darüber hinaus die Doppelblind- Methode nicht anwendbar ist. An
der Kieler Universität setzten die Ärzte den Patienten der Placebo- Gruppe die Nadeln
nur oberflächlich. Darüber hinaus wurden andere Punkte und nicht die bekannten
Akupunktur-Punkte behandelt. Selbst diese ,,Placebo-Akupunktur" senkte die
Anfallshäufigkeit der Probanden immerhin auf 79,7 Prozent, verglichen mit der Zeit vor
Beginn der Studie. Allerdings war der Effekt deutlich geringer als bei einer echten
Akupunktur: Diese reduzierte die Attackenhäufigkeit auf 54,5 Prozent. |
Wirksamkeit
durch Studien belegt. |
Drei Monate nach Ende der Studie war die Anfallshäufigkeit
nochmals leicht gesunken, auf 68,8 (in der Placebo-Gruppe) bzw. 48,8 Prozent. Der Erfolg
ließ sich auch mit Hilfe einer speziellen EEG-Technik sichtbar machen: Die so genannte
Contingente Negative Variation, Maß für die Reizempfänglichkeit des Gehirns, die bei
Migränikern auch zwischen den Anfällen erhöht ist, ging nach der Akupunktur deutlich
zurück. Fazit der Kieler Mediziner: ,,Die Akupunktur zeigt eine ausreichend hohe und
lange therapeutische Wirkung, was ihren Einsatz als mögliches Intervalltherapeutikum der
Migräne rechtfertigt." |
Wichtig: Verhaltensmedizin. |
Der Psychologe Dr. Uwe Niederberger, einer der Autoren dieser Studie, arbeitet
bei Migräne und Spannungskopfschmerz vor allem mit verhaltenstherapeutischen
Behandlungsmethoden. Der Ansatz liegt nahe, da psychologische Faktoren ein wichtiger
Faktor für die Entstehung und Chronifizierung von Kopfschmerzen sind. Niederberger nennt
als die wichtigsten Ursachen ,,überhöhte Anforderungen an sich selbst, ungünstige
Stressverarbeitungsstrategien, Angst vor Versagen und vor Schmerzen." |
Progressive
Muskelrelaxation hat sich bewährt. |
Unter den Entspannungstechniken hat sich die Progressive
Muskelrelaxation (PMR) nach Jacobson bewährt. Sie reduziert die Zahl der Anfälle bei
Migräne um 50, bei Spannungskopfschmerz um 45 Prozent. Mit Hilfe des Biofeedback können
die Patienten darüber hinaus lernen, schmerzauslösende Mechanismen zu beherrschen.
Migräniker üben, die Blutgefäße im Kopf zu verengen, Patienten mit
Spannungskopfschmerz lernen, bestimmte Kopf- und Nackenmuskeln zu lockern. Dabei zeigt
ihnen ein Messgerät, ob sie erfolgreich sind. Das Biofeedback allein hat ähnliche
Erfolgsraten wie die PMR, die Kombination beider Methoden kann die Häufigkeit von
Migräne um 60 Prozent, die von Spannungskopfschmerz um 57 Prozent senken. |
Stressbewältigung
beeinflußt Körperprozesse. |
Zur Verhaltenstherapie gehören auch Stressbewältigungsstrategien und die
positive Beeinflussung von Körperprozessen. ,,Als besonders effektiv hat sich die
Verhaltenstherapie bei Kindern erwiesen", weiß Niederberger. Doch leider fehlen
vielerorts versierte Therapeuten ebenso wie die Kapazitäten für die aufwendige
Behandlung. So bleibt oft nur die Möglichkeit weitgehend selbständiger
Trainingsprogramme ,,in Heimarbeit", die aber nur bei hochmotivierten Patienten
Erfolg haben. Interaktive neue Medien könnten solche Programme optimieren, doch teure
stationäre oder ambulante Therapieangebote werden dadurch nicht überflüssig. |
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Rückfragen an:
Professor Dr. Gunther Haag
Elztalklinik
Pfauenstraße 6
79215 Elzach
Tel.: 07682-805-113
Fax: 07682-805-135
e-mail: info@elztalklinik.freinet.deDr. rer. soc. Uwe Niederberger
Institut für Medizinische Psychologie
Christian-Albrechts-Universität
Niemannsweg 147
24105 Kiel
Tel.: 0431-597-2695
Fax: 0431-597-2711
e-mail: Niederberger@med-psych.uni-kiel.de
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