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Pressemitteilung 20.10.1999 |
Deutscher
Schmerzkongress
20.-24. Oktober 1999, München
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Schmerztherapie in Deutschland: Die Umsetzung der
Forschung klemmt |
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Die Schmerzforscher produzieren neue Einsichten und Erkenntnisse, die selbst
stärkste Schmerzen lindern und die Chronifizierung der Pein verhindern können. Doch
diese Fortschritte nutzen den Millionen betroffener Menschen nur dann, wenn sie von einem
Großteil der Ärzte auch wahrgenommen und umgesetzt werden. Vor allem müssen die
politischen Rahmenbedingungen diese Umsetzung der Forschung in praktische Therapie auch
ermöglichen. Dies ist jedoch in Deutschland nicht der Fall. |
Aus-
und Weiterbildung verbessern! |
Jeder Arzt ist in seiner täglichen Praxis mit akuten oder
chronischen Schmerzen konfrontiert. Doch die Mehrzahl der heute praktizierenden Ärzte hat
in ihrem Studium kaum etwas darüber erfahren, wie Schmerzen gelindert werden können. Sie
hat nie einen Patienten mit chronischen Schmerzen gesehen, geschweige denn gelernt, wie
man mit starken Schmerzmitteln umgeht und welche Strategien zu einer komplexen modernen
Schmerzbehandlung gehören. |
Wir
die Ausbildung von Ärzten noch weiter verschlechtert? |
,,An diesen Verhältnissen hat sich wenig geändert" klagt
Professor Klaus Lehmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes
(DGSS). Zwar bieten engagierte Professoren an vielen Universitäten ,Schmerzvorlesungen
an, doch diese sind nicht ,,scheinpflichtig". Der Student kann, er muss sie nicht
besuchen. Die Folgen sieht Lehmann an seiner Kölner Universität: Von den 300 bis 400
Studenten eines Semesters kommen nur 15 bis 20 zu seinen Vorlesungen. An anderen
Universitäten sieht es nicht besser aus. ,,So lange eine so essentiell wichtige
Tätigkeit wie der Umgang mit Schmerzpatienten nicht in einer selbstverständlichen
Pflichtveranstaltung im Medizinstudium gelehrt wird, wird sich die Versorgung der
betroffenen Patienten nicht bessern " stellt Lehmann fest. Darüber hinaus gäbe es
Gerüchte, dass die Beschäftigung mit Schmerzen im Medizinstudium demnächst ganz
abgeschafft werden soll. Angeblich soll die neueste Prüfungsordnung keine Fragen zum
Thema Schmerz mehr enthalten. |
Die
Ausbildung ist in anderen Ländern besser. |
Auch in der Weiterbildung zum Facharzt, gleich welcher Richtung - die Anästhesie
ausgenommen -, spielt der Schmerz keine Rolle. Und voller Neid blicken die deutschen
Schmerzexperten nach England oder Australien: Dort enthalten die Weiterbildungsordnungen
klare Vorgaben, was Ärzte über Diagnostik und Therapie akuter und chronischer Schmerzen
wissen und lernen müssen, wird Schmerz demnächst zu einem eigenen Weiterbildungsgang. |
Mangelndes
Problembewußtsein bei den Verantwortlichen ist mitverantwortlich für unnötiges Leiden
der Betroffenen. |
Empfehlungen werden nicht umgesetzt. Zwar forderte der Deutsche
Ärztetag 1996, dass schmerztherapeutische
Themen in die Weiterbildungsordnung aller klinischen Fächer aufgenommen werden sollen.
Doch stößt, so Lehmann, ,,dieses Vorhaben zumindest im jetzigen deutschen
Weiterbildungssystem auf fast unüberwindbare personelle wie zeitliche Probleme. Die
Umsetzung wird also weiter verschoben." Darüber hinaus lehnen einzelne
Landesärztekammern noch immer die Einführung der Zusatzbezeichnung ,,Spezielle
Schmerztherapie" ab, die ebenfalls vom Deutschen Ärztetag 1996 beschlossen wurde.
Diese Zusatzbezeichnung kann von Ärzten sämtlicher Fachrichtungen nach einer
entsprechenden Ausbildung erworben werden. ,,Dabei sollen diese Ärzte ", so der
DGSS-Präsident, ,, nicht den ,,normalen " Schmerz behandeln, sondern jene Patienten,
bei denen der chronische Schmerz seine Warnfunktion verloren hat und zur eigenständigen
Krankheit geworden ist. Denn diese Therapie erfordert Spezialwissen.
"Schätzungsweise 2000 bis 2500 solcher Spezialisten wären für eine
flächendeckende Versorgung in Deutschland erforderlich und ausreichend, wenn alle anderen
Ärzte ausreichende Kenntnisse in der allgemeinen Schmerztherapie hätten. ,,Hier beißt
sich aber die Katze in den Schwanz ", so Lehmann. Denn offenkundig mangele es
hierzulande bei den entscheidenden Institutionen am notwendigen Problembewusstsein. |
WHO
Richtlinien werden auch bei Tumorpatienten nicht umgesetzt. |
Studie belegt: Tumorpatienten werden in München nicht
ausreichend schmerz-therapeutisch behandelt. Mangelndes Wissen vieler Ärzte und
fehlende Experten sind ein entscheidender Grund dafür, dass die Opiat- Versorgung von
Patienten mit starken Schmerzen immer noch mangelhaft ist. ,,Zwar hat sich graduell
einiges verbessert ", meint der DGSS-Präsident, ,,doch ein Durchbruch ist noch nicht
erreicht." Dies belegt etwa auch eine Untersuchung aus dem Tumorzentrum München, die
auf dem Deutschen Schmerzkongress vorgestellt wird. Die Wissenschaftler um Professor
Dieter Hölzel überprüften, ob Tumorpatienten in der Region München nach den
Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation schmerztherapeutisch behandelt werden.
,,Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass die schmerztherapeutische Versorgung der
Patienten unzureichend war. Denn nur ein geringer Anteil der unter Schmerzen leidenden
Patienten wurden maximal behandelt" so das dürre Fazit. |
Vorurteile
haben eine stärkere Wirkung als Fakten. |
Das Problem besteht im Kopf, nicht auf dem Papier.
Dabei dürfe die Betäubungsmittel- Verschreibungs- Verordnung nach ihrer Novellierung
keinen Grund mehr darstellen, dass Ärzte diese starken Medikamente nicht so verordnen,
wie sie dies nach Meinung von Experten tun sollten. Lehmann: ,,Das Problem besteht im
Kopf, nicht auf dem Papier." Nachdem es inzwischen internationale Empfehlungen gibt,
wie Morphin und seine synthetischen Abkömmlinge, die Opioide, nicht nur bei
Tumorschmerzen, sondern auch bei anderen starken Schmerzen eingesetzt werden können, wird
die DGSS im nächsten Jahr nach einem öffentlichen Hearing auch für den
deutschsprachigen Raum diese Empfehlungen aufarbeiten. |
Analgetika, Antinozizeptiva, Adjuvanzien. Handbuch für die
Schmerzpraxis. |
Auch die aktuelle Gesundheitspolitik erschwert eine angemessene
Behandlung von chronischen Schmerzen, unter denen in Deutschland etwa sieben bis zehn
Millionen Patienten leiden und von denen schätzungsweise 650000 besonders schwer
betroffen sind. So wurden beispielsweise in den meisten Regionen der Republik, regional
aber unterschiedlich, inzwischen die Vergütungen für jene Spezialisten teilweise mehr
als halbiert, die an den so genannten Schmerztherapievereinbarungen der Ersatzkassen
teilnehmen. |
Die
Richtgrößen für die schmerztherapeutische Betreuung sollten überdacht werden. |
Die Höhe des Budgets für Arzneimittel und sogenannte Richtgrößen sorgen
dafür, dass ein Schmerztherapeut bei Dauerverordnungen von Opioiden bei nur wenigen
Patienten sein Budget bereits überschreitet. Regressforderungen der Kassenärztlichen
Vereinigungen werden die Folge sein. Durch eine Mischkalkulation konnten viele Ärzte
bislang dennoch die Versorgung der Patienten aufrecht erhalten. Doch inzwischen geben die
ersten auf. So musste jetzt ein niedergelassener Schmerztherapeut in Potsdam die ambulante
schmerztherpeutische Betreuung sterbender Tumorpatienten nach zehnjähriger Tätigkeit
einstellen, da sein Praxisbudget seit einem Jahr weder Konsultationen, noch Hausbesuche
abdeckt. Dabei hatte seine Tätigkeit teuere Klinkeinweisungen verhindert. Weitere Praxen,
die am Rande der Wirtschaftlichkeit arbeiten, dürften folgen. |
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In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Abteilung für Schmerz- und Palliativmedizin
des Krankenhauses Rüdersdorf aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen, die Patienten
auch ambulant betreute. Krankenkassen hatten sich geweigert die Behandlungskosten für
bereits behandelte Patienten zu übernehmen und der Klinik so ein Einnahmendefizit von
300.000 Mark beschert. |
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Rückfragen an:
Prof. Dr. Dr. Klaus A. Lehmann
Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin
Universität zu Köln
Joseph-Stelzmann-Straße 9
50924 Köln
Tel.: 0221-478-6686
Fax: 0221-478-6688
e-mail: Klaus.Lehmann@uni-koeln.deTop |
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