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Dauerhafte Harnableitung bei Palliativpatienten
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Indikation und Entscheidungskriterien
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Indikationen
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In einigen Fällen ist es bei Palliativpatienten sinnvoll, eine dauerhafte
künstliche Harnableitung durchzuführen. Dies ist meist dann notwendig, wenn die
Harnblase entfernt wurde. Gründe für eine Blasenentfernung sind z. B.:
- Behandlung eines Blasentumors
- Symptomlinderung bei einem fortgeschrittenen
Blasentumor (z. B. bei heftigen Blutungen oder starken
Schmerzen)
- Beeinträchtigte Blasenfunktion infolge einer Strahlentherapie (u.
a.
durch eine Schrumpfblase oder Fistelbildungen)
- tumorbedingten Fistelbildungen (kommt häufig bei Tumoren
der weiblichen Geschlechtsorgane vor)
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Belastung abwägen
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Eine dauerhafte Harnableitung einzurichten, bedeutet für den
Palliativpatienten eine nicht unerhebliche Belastung. Deshalb sollte diese
Entscheidung sorgfältig abgewogen werden. Der Patient und seine Angehörigen
sollten über das Für und Wider informiert werden, um eine fundierte Entscheidung
treffen zu können. Auch die Mitglieder des palliativmedizinischen Team, die
einen Betroffenen aus den unterschiedlichen Perspektiven ihres jeweiligen
Fachgebietes kennen und beurteilen können, sollten bei der Entscheidungsfindung
einbezogen werden.
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Harnleiter-Haut-Fistel
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2 Formen
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Bei der dauerhaften Harnableitung besteht die Möglichkeit einer kontinenten
wie auch einer inkontinenten Harnableitung. Bei der ersten Form kann der Patient den
Harnfluss selbstständig kontrollieren, er bleibt kontinent. Bei der zweiten Form ist
eine Kontrolle nicht möglich, der Patient wird inkontinent.
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Harnleiter werden zusammen nach außen geführt
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Die einfachste Form der dauerhaften Harnableitung ist die inkontinente
Harnableitung mittels Harnleiter-Haut-Fistel. Dabei wird eine künstliche
Verbindung (Fistel) zwischen den beiden Harnleitern und der Körperoberfläche
geschaffen. Zu diesem Zweck durchtrennt man beide Harnleiter der rechten und der
linken Niere und leitet sie
gemeinsam auf einer Körperseite aus der Haut aus, sodass die Enden der
abgetrennten Harnleiter aus der Haut ragen. Dazu muss einer der beiden
Harnleiter auf die andere Körperseite geführt werden. Der Urin, der in den Nieren
produziert und über die Harnleiter auf die Körperoberfläche geleitet wird, kann
dort jetzt mit Hilfe spezieller Beutel aufgefangen werden. Sind die Harnleiter des
Patienten zu kurz, um beide auf einer Körperhälfte aus der Haut herausgeführt zu
werden, fertigt man in der Regel ein
sogenanntes Conduit an. Dabei wird ein Stück Darm (meisten vom Dünndarm)
abgetrennt und beide Harnleiter werden in dieses Darmstück genäht.
Anschließend wird das andere Ende des Darmstücks an die Körperoberfläche
geführt und dort so platziert, dass ein kleiner Nippel aus der Haut
herausragt. Auch hier
wird der Urin in speziell dafür vorgesehenen Beuteln aufgefangen.
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Neoblase
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Neue Blase aus Darmabschnitt
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In den meisten Fällen wird, wenn es möglich ist, eine kontinente
Harnableitung bevorzugt. Dazu wird eine sogenannten Neoblase ("neue Blase")
als Blasenersatz geformt und eingenäht. Dem Betroffenen
wird ein Darmabschnitt mit einer Länge von ungefähr 70 cm entnommen, zur
Neoblase umgeformt und anschließend anstelle der ursprünglichen Harnblase an die
Harnröhre angeschlossen. Das ist aber nur dann möglich, wenn weder der
unterste Abschnitt der ursprünglichen Blase (sogenannter Blasenhals) noch die
Harnröhre von Tumorgewebe befallen ist. Durch den Erhalt des ursprünglichen Blasenhalses und der
Harnröhre bleibt der Patient kontinent, das heißt er kann die Entleerung der
Neoblase selbstständig regulieren.
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Kontraindikationen
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Eine Neoblase ist bei
Palliativpatienten mit Darmerkrankungen oder
Nierenschwäche (Niereninsuffizienz) nicht sinnvoll.
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Pouch-Blase
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Künstliche Blase
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Ist es nicht möglich, die aus einem Darmabschnitt gebildete Neoblase an die
ursprüngliche Harnröhre anzuschließen (beispielsweise weil diese von Tumorgewebe
befallen ist), kann ein sogenannter Pouch zum Einsatz kommen.
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Ventil im Bauchnabel
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In diesem Fall
erhält die Neoblase ein ebenfalls aus Darm gebildetes Ventil, das an den
Bauchnabel angeschlossen wird. Dieser Ausgang ist von außen kaum sichtbar.
Der Betroffene kann mit Hilfe eines Katheters selbständig den Urin aus der
Pouch-Blase ablassen. Dadurch
ist er vom Pflegepersonal beziehungsweise von pflegenden Angehörigen unabhängig.
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Kontraindikationen
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Eine Pouch-Blase kann nicht angewandt werden, wenn bei
einem Betroffenen Vorerkrankungen des Darmes oder eine
Nierenschwäche bestehen
oder wenn es dem Patienten vermutlich nicht gelingen wird, die
Katheterisierungen selbstständig durchzuführen.
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Enddarmblase
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Urin wird in den Darm abgeleitet
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Eine weitere Möglichkeit der Harnableitung besteht darin, die Harnleiter von ihren Einmündungen in
die Blase abzutrennen und sie stattdessen in den Enddarm umzuleiten. Diese Form
der dauerhaften Harnableitung wird auch Enddarmblase genannt. Der Urin
fließt statt in die Blase in den Darm und kann ganz normal - wie der
Stuhlgang - über den After ausgeschieden werden. |
Voraussetzungen
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Voraussetzung für die Anlage einer Enddarmblase ist aber
ein funktionierender Schließmuskel. Das muss vor dem Eingriff unbedingt
überprüft werden. Dazu wird ein Einlauf mit Flüssigkeit gemacht, den der
Betroffene eine bestimmte Zeit lang im Enddarm behalten muss. Bei
Erkrankungen des Enddarms, z. B.
Divertikulose
oder chronischen Entzündungen und bei
Nierenschwäche
kann ebenfalls keine Enddarmblase angelegt werden. |
Mögliche Komplikationen bei Blasenersatz aus Darmabschnitten
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Jede Form der dauerhafte Harnableitung unter Verwendung von Darmabschnitten birgt
auch das Risiko, dass sich einige typische Komplikationen einstellen können,
unter anderem:
- Übersäuerung des Blutes (metabolische Azidose).
Grund dafür ist, dass die normalerweise
mit dem Urin aus dem Körper ausgeschiedenen Stoffwechselabbauprodukte
bei einer Ableitung über den Darm
durch die Darmwand wieder in den Blutkreislauf
gelangen können.
- Wiederaufnahme von Medikamenten oder deren Abbauprodukten, die
normalerweise mit dem Urin ausgeschieden werden und nun über die
Darmwand wieder in den Blutkreislauf gelangen. Das kann unter Umständen
eine Wirkungsverstärkung und auch ein erhöhtes Risiko für
Medikamentennebenwirkungen mit sich bringen.
- Durchfall, der in erster Linie auf die Entfernung des für die
Harnableitung benötigten Darmabschnitts und die damit einhergehende
Darmverkürzung zurückzuführen ist
- Schleimtamponade, das heißt eine Verstopfung der Harnableitung durch
den im Darm kontinuierlich gebildeten Schleim, was einerseits das
Wasserlassen behindert und andererseits die Entstehung von Infektionen
begünstigt
- Infekte der Harnableitung, die in der Regel auf die im Darm immer
vorhandenen Darmbakterien zurückzuführen sind
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