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Vorübergehende künstliche Harnableitung bei Palliativpatienten
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Indikation und Entscheidungskriterien
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Gründe für eine künstliche Harnableitung
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Eine vorübergehende künstliche Ableitung des Harnes ist bei
Palliativpatienten insbesondere dann sinnvoll, wenn es durch einen Urinrückstau
zu einer Beeinträchtigung der Nierenfunktion kommen könnte. Sie ist in folgenden
Situationen in der Regel immer erforderlich:
- Urinaufstau, der zu Symptomen wie beispielsweise Schmerzen oder
Fieber führt
- Infektionen bis hin zur
Blutvergiftung
(Sepsis)
- akute Erweiterung der Binnenräume in den Nieren (Nierenkelche), was sich im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung
feststellen lässt (siehe auch
Anatomie und Physiologie
der Nieren)
Im Einzelfall kann auch einer vorübergehende künstliche Harnableitung
sinnvoll sein, wenn der Urinaufstau keinerlei Beschwerden verursacht und
wenn die Erweiterung der Nierenbinnenräume schon länger besteht und damit
chronisch ist.
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Bedingungen für eine künstliche Harnableitung
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Vor der Durchführung einer
vorübergehenden künstlichen Harnableitung müssen folgende Aspekte bedacht
werden:
- Ist eine Niere oder sind in beiden Nieren die Nierenkelche
erweitert? Ist nur eine Niere betroffen, so kann man evt. auf eine Harnableitung
verzichten, weil die
Urinausscheidung in diesem Fall noch über die Niere der anderen Seite
erfolgt.
- Wie hoch ist die Konzentration des Stoffwechselabbauprodukts Kreatinin im Blut?
Kreatinin wird normalerweise über die Nieren ausgeschieden. Deshalb lässt ein
Anstieg der Kreatininkonzentration im Blut Rückschlüsse auf die
Schwere einer eventuellen Nierenfunktionsstörung zu. Daraus ergibt
sich die Dringlichkeit einer vorübergehenden künstlichen
Harnableitung.
- Dauer und Ausprägung der Erweiterung der Nierenbinnenräume. Die
Dringlichkeit einer vorübergehende künstliche Harnableitung
entscheidet sich auch daran, ob die Erweiterung akut oder
chronisch ist.
- allgemeiner Zustand des Patienten, der vor der Durchführung
therapeutischer Maßnahmen immer in Betracht gezogen werden muss
- eventuell geplante Therapien (beispielsweise Strahlen- oder
Chemotherapie), welche wiederum Auswirkungen auf die Symptomatik, die
Beschwerden und die Nierenfunktion haben
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Individuelle Situation berücksichtigen
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Beispielsweise sollte bei einem Palliativpatienten mit nur einseitiger
Erweiterung der Nierenkelche und normaler Kreatininkonzentration im Blut
in der Regel keine vorübergehende künstliche Harnableitung durchgeführt
werden. In diesem
Fall würde sich durch die therapeutische Maßnahme keine Verbesserung der
Lebensqualität ergeben, und auch eine Verlängerung der Lebenszeit wäre nicht zu
erwarten. Hier würde die Belastung des Patienten durch die Harnableitung nicht
durch den zu erwartenden Nutzen gerechtfertigt sein.
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Formen der künstlichen Harnableitung
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Im Prinzip gibt es 2 verschiedene Möglichkeiten der vorübergehenden
künstlichen Harnableitung: die innere und die äußere Harnableitung.
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Innere Harnableitung
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Bei der
sogenannten inneren Harnableitung wird ein Hohlschlauch (Katheter) als "innere
Schiene" in die Harnwege eingelegt, in der Regel in einen der beiden Harnleiter,
welche die Nieren mit der Blase verbinden. Diese "innere Schienung" ist unter
lokaler Betäubung, aber auch in Vollnarkose möglich. Dabei wird der Katheter
durch die Harnröhre und die Blase bis in den verengten Harnleiter vorgeschoben.
Dort kann er für 6 bis 12 Monate belassen werden, bevor ein Wechsel erforderlich
ist. Mögliche Probleme dieser inneren Schienung sind:
- Verrutschen des Katheters
- Verschluss, beispielsweise durch kleine Blutklümpchen
- Verkrustungen, die die Durchgängigkeit des Katheters
beeinträchtigen
- Infektionen des körperfremden Materials
- Harninkontinenz in Form einer Dranginkontinenz, sodass der Urin bei
bestehendem Harndrang nicht gehalten werden kann
- Kolikschmerzen, wenn die Muskulatur des Harnleiters als Reaktion auf
den Katheter eine starke, schmerzhafte Aktivität entfaltet
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Äußere Harnableitung
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Bei der äußeren Harnableitung wird ein Katheter von außen direkt in die Niere
eingelegt. Dies ist unter Ultraschallkontrolle in lokaler Betäubung möglich.
Dieser Katheter muss allerdings alle 6 bis 8 Wochen gewechselt werden. Mögliche
Probleme dieser äußeren Harnableitung sind:
- Blutungen während der Katheteranlage
- Verschluss des Katheters, zum Beispiel durch Blutklümpchen
- Infektion des Katheters und/oder der Kathetereintrittsstelle, welche
sich unter Umständen bis hin zu einer
Blutvergiftung (Sepsis)
weiterentwickeln kann
- Verrutschen des Katheters
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Die Lebensqualität ist entscheidend
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Bei allen diesen Maßnahmen steht die Lebensqualität des betroffenen
Palliativpatienten im Mittelpunkt - diese sollte sich durch die Harnableitung
verbessern. Allerdings ist eine Harnableitung nicht bei allen Palliativpatienten
möglich. Dagegen sprechen:
- geringe Lebenserwartung (wenige Tage bis wenige Wochen)
- Austrocknung (Dehydratation), welche auf den baldigen Tod des
Patienten zurückzuführen ist und eine Verringerung der Urinausscheidung
mit sich bringt
- ausgeprägte
Bauchwassersucht (Aszites)
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Blasenkatheter
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Eine weitere Form der äußeren Harnableitung (s. o.) ist die Anlage eines Blasenkatheters.
Ein Blasenkatheter ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Harnwege oberhalb
der Blase frei durchgängig und nicht beispielsweise durch einen Tumor o. ä.
verengt sind. |
2 Formen werden unterschieden
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Ein Blasenkatheter kann in 2 verschiedenen Formen zur Anwendung kommen:
- als
transurethraler Katheter, der durch die Harnröhre in die Blase eingelegt wird
(trans: durch; Urethra: Harnröhre)
- als suprapubischer Katheter,
der oberhalb des Schambeins durch die Haut in die Blase gelegt wird
(supra: oberhalb; Os pubis: Schambein)
Ein transurethraler
Blasenkatheters darf nur kurzfristig angewendet werden.
Spätestens nach 30 Tagen sollte, wenn weiterhin der Bedarf einer
Harnableitung besteht, nach einer anderen Lösung gesucht werden. Ansonsten wird
die Gefahr einer Infektion zu groß. Bei beiden Katheterformen ist in der Regel alle 4 Wochen ein
Katheterwechsel erforderlich.
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Gründe gegen einen Blasenkatheter
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Für beide Katheterformen gibt es auch
Kontraindikationen. In folgenden Fällen sollte ein Katheter nicht angelegt
werden:
- transurethraler Katheter:
Harnröhrenentzündung,
Prostataentzündung oder Abriss der Harnröhre (z. B. durch einen
Unfall mit Beckenverletzung) sowie im Einzelfall
Harnröhrenverengung oder großer
Prostatatumor
- suprapubischer Katheter: geringes Harnblasenvolumen (weniger als
200 Milliliter), Einwachsen eines Tumors in die Blasenwand,
ausgeprägte
Bauchwassersucht (Aszites), vorangegangene Operationen in diesem
Bereich, Blutgerinnungsstörungen oder absehbarer Tod des Patienten sowie
im Einzelfall Absiedlung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) eines
Tumors am Bauchfell
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Einmalkatherisierung
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Bei Palliativpatienten mit nur noch sehr geringer Lebenserwartung können die
Mitglieder des palliativmedizinischen Teams zudem zusammen mit dem
Patienten besprechen, ob die Anlage eines Blasenkatheters oder mehrmals tägliche
Einmalkatheterisierungen angenehmer sind. Bei der Einmalkatheterisierung wird
die Blase durch die kurzfristige Einlage eines Katheters entleert und der
Katheter anschließend sofort wieder aus der Blase entfernt. Dies kann der
Patient selbstständig durchführen, sich aber auch von pflegenden Angehörigen
oder dem Pflegepersonal helfen lassen. |
Symptome, die eine Harnableitung notwendig machen
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Die Entleerung der Harnblase mit Hilfe eines Katheters ist in der Regel bei
Palliativpatienten mit folgenden Symptomen erforderlich:
- Makrohämaturie (Blutbeimengungen zum Urin, die mit bloßem Auge
sichtbar sind)
- Blasentamponade (Verstopfung der Blase, beispielsweise durch kleine
Blutklümpchen)
- unvollständige Entleerung der Blase, sodass nach dem
Wasserlassen noch große Mengen an Restharn in der Blase
zurückbleiben
- Überlaufblase (Abfließen von Urin aus der Blase, weil diese übervoll
ist)
- Einengung der Harnröhre, z. B. durch eine
ausgeprägte Prostatavergrößerung oder durch das Wachstum eines Tumors
- Entstehung einer krankhaften Verbindung zwischen Blase und Darm
(Fistel), sodass Urin in den Darm fließen und umgekehrt Darminhalt in
die Blase gelangen kann
- offene Stelle (Dekubitus) im Gesäßbereich (hier wird durch den
Katheter ein Kontakt der offenen Stelle mit dem Urin vermieden, und die
Pflege des Patienten wird erleichtert)
- ausgeprägte Schwäche des Patienten, sodass das natürliche
Wasserlassen eine zu große Anstrengung bedeuten würde
- ausgeprägte Inkontinenz mit ungewolltem Harnabgang,
der durch
andere therapeutische Maßnahmen nicht beeinflussbar ist
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