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Bauchwassersucht (Aszites) in der Palliativmedizin
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Bedeutung und Ursachen
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Tumorpatienten sind oft betroffen
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Dreißig Prozent aller Patienten mit einer Tumorerkrankung
entwickeln im Verlauf der Erkrankung eine Bauchwassersucht (Aszites). Darunter
versteht man eine Wasseransammlung in der freien Bauchhöhle.
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Tumore am Bauchfell
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Bei Palliativpatienten können verschiedene Ursachen für eine Bauchwassersucht
vorliegen. Dazu gehört unter anderem die Entwicklung von Tochtergeschwülsten
eines Tumors am Bauchfell. Das Bauchfell kleidet die Bauchhöhle von innen aus und
umhüllt die
in der Bauchhöhle gelegenen Organe. Solche Metastasen treten
insbesondere bei bösartigen Tumoren der Eierstöcke, der Gebärmutterschleimhaut
und des Magen-Darm-Trakts auf. Sie geben Flüssigkeit in die
freie Bauchhöhle ab.
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Metastasen an Leber, Magen oder Bauchspeicheldrüse
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Eine weitere mögliche Ursache einer Bauchwassersucht bei
Palliativpatienten sind Metastasen in der Leber und an den
Anheftungsstellen des Bauchfells an der rückwärtigen Wand der Bauchhöhle, sowie große bösartige Tumoren des Magens oder der Bauchspeicheldrüse.
Derartige Metastasen und Tumoren behindern den Abfluss von
Lymphflüssigkeit und Blut aus der Darmwand. Dadurch stauen sich
Lymphflüssigkeit und Blut in den Lymphgefäßen und in den Blutgefäße (Venen) der
Darmwand zurück. Der Rückstau führt dazu, dass die Blut- und Lymphgefäße Flüssigkeit aus
sich herauspressen, um den Druck in ihrem Inneren zu verringern. Die
ausgepresste Flüssigkeit sammelt sich in der Bauchhöhle und bildet die Basis einer
Bauchwassersucht.
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Eiweißmangel
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Der Bauchwassersucht kann auch ein Eiweißmangel zugrunde
liegen, beispielsweise im Zuge einer allgemeinen Mangelernährung bei schwer
kranken Patienten. Eiweiß befindet sich im menschlichen Körper unter anderem in
der Blutbahn, wo es Flüssigkeit und auch feste Substanzen (beispielsweise
Medikamente) bindet. Bei einem allgemeinen Eiweißmangel verringert sich auch die
Eiweißkonzentration in der Blutbahn. Dies hat zur Folge, dass dem Blut weniger
Eiweiß für die Bindung von Flüssigkeit zur Verfügung steht, sodass vermehrt
Flüssigkeit aus den Blutgefäßen austritt, unter anderem aus Blutgefäßen, die in
der Bauchhöhle verlaufen. Diese austretende Flüssigkeit sammelt sich ebenfalls
in der Bauchhöhle an und trägt zur Entwicklung einer Bauchwassersucht bei.
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Pfortaderhochdruck
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Zudem kann eine Bauchwassersucht bei Palliativpatienten durch
eine Leberzirrhose bedingt sein, welche zu einem
Druckanstieg in den Venen des Bauchraums führt (Pfortaderhochdruck/Portale Hypertension). Durch den Druckanstieg
in den Venen des Bauchraums kommt es zu einem Flüssigkeitsaustritt aus diesen
Venen. Die ausgetretene Flüssigkeit sammelt sich im Bauchraum an, was die
Entstehung einer Bauchwassersucht begünstigt. In diesem Zusammenhang ist die
Tatsache wichtig, dass viele Palliativpatienten an Lebererkrankungen leiden, die
mit einer Leberzirrhose verbunden sind, beispielsweise im Rahmen einer
Alkoholkrankheit.
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Pankreatitis
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Eine weitere mögliche Ursache für eine Bauchwassersucht bei
einem schwer kranken Patienten ist das gleichzeitige Vorliegen einer schweren
Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis), die mit der Ausscheidung von Flüssigkeit aus dem
entzündeten Organ in die Bauchhöhle einhergeht. Aber auch bei einer
Bauchfellentzündung kommt es zur Ausscheidung von Flüssigkeit aus dem Bauchfell
in die Bauchhöhle und zur Ansammlung dieser Flüssigkeit. Eine derartige exsudative ("ausscheidende") Bauchfellentzündung kann durch eine Infektion mit
Bakterien oder durch eine Irritation des Bauchfells durch Gallenflüssigkeit
bedingt sein. Zu einem Kontakt zwischen Gallenflüssigkeit und Bauchfell wiederum
kann es bei einer Verletzung der Gallenblase oder der Gallenwege bei Vorliegen
von Gallensteinen oder nach einer Operation an der Gallenblase oder den
Gallenwegen kommen.
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Beschwerden
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Schnelle Wasseransammlung führt zu stärkeren Beschwerden
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Die Beschwerden, welche durch eine Bauchwassersucht bei einem
palliativmedizinisch betreuten Patienten verursacht werden, hängen von
verschiedenen Faktoren ab:
- Geschwindigkeit der Entwicklung der Bauchwassersucht (bei einer
langsamen Zunahme der Wassermenge in der freien Bauchhöhle kann sich der
Körper besser an die dadurch bedingte Volumenzunahme und den steigenden
Druck anpassen als bei einer raschen Zunahme der Flüssigkeitsmenge im
Bauchraum)
- Vorhandsein von Tumoren oder Metastasen eines Tumors in der Bauchhöhle,
die ebenfalls Raum einnehmen und daher den Druck in der Bauchhöhle erhöhen
- Menge (und damit Volumen) des im Darm befindlichen Stuhls
- Vorhandensein einer Darmverengung, die den Weitertransport des Stuhls
durch den Darm und die Stuhlausscheidung beeinträchtigt und damit die
Stuhlmenge im Darm erhöht
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Völlegefühl, Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Atemnot, Sodbrennen
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Eine Bauchwassersucht bei einem
Palliativpatienten zeigt in der Regel typische Beschwerden. Dazu
gehören unter anderem ein Völlegefühl im Bauchraum sowie Schmerzen, wenn die Flüssigkeitsmenge in der
Bauchhöhle rasch zunimmt. Zudem leiden viele betroffene Patienten unter
Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Atemnot und Sodbrennen. Erbrechen,
Atemnot und Sodbrennen sind durch die Drucksteigerung im Bauchraum bedingt:
Durch eine große Flüssigkeitsmenge in der Bauchhöhle wird der Magen
zusammengedrückt, sodass der Mageninhalt in die Speiseröhre übertritt und
erbrochen wird. Außerdem verursacht der in die Speiseröhre gedrängte Mageninhalt
- insbesondere die darin enthaltene Magensäure - Schäden an der
Speiseröhrenschleimhaut, was wiederum zu Sodbrennen führt. Die Atemnot ist darauf zurückzuführen, dass sich die Lunge bei
der Einatmung durch den hohen Druck im Bauchraum nicht mehr ausreichend weit
ausdehnen kann, um genügend Atemluft anzusaugen.
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Diagnostik
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Körperliche Untersuchung
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Das Vorliegen einer Bauchwassersucht lässt sich bei der
körperlichen Untersuchung ab einer Menge von ungefähr einem Liter feststellen.
Dabei hält der untersuchende Arzt seine Handflächen an die rechte und die linke
Bauchseite des Patienten. Wenn er nun mit einer Handfläche ruckartig gegen die
rechte oder linke Bauchseite drückt, wird das in der Bauchhöhle befindliche
Wasser in Bewegung gesetzt. Dies hat zur Folge, dass es durch die Bauchhöhle
"schwappt", was als Anprallen des Wassers auf der anderen Bauchseite mit der
dort liegenden Hand tastbar ist.
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Ultraschall
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Die genaue Menge der Flüssigkeit, die sich im Rahmen einer Bauchwassersucht
in der Bauchhöhle angesammelt hat, lässt sich am besten mittels einer
Ultraschalluntersuchung (Sonographie) der Bauchhöhle ermitteln. Außerdem können
sich bei einer Ultraschalluntersuchung Hinweise auf mögliche Ursachen der
Bauchwassersucht ergeben.
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Punktion verringert die Beschwerden
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Die Ultraschalluntersuchung kommt zudem therapeutisch zum
Einsatz, um den besten Ort für eine Punktion zur Verminderung der
Flüssigkeitsmenge festzustellen. Dadurch wird die Bauchwassersucht zwar nicht
geheilt. Die Verminderung der Flüssigkeitsmenge reduziert jedoch die
Belastung des Organismus und bessert die Beschwerden des Patienten. Eine
Punktion erfolgt durch Einschieben einer Hohlnadel in den Bauchraum und das
Ablassen der Aszitesflüssigkeit über diese Nadel.
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Untersuchung der Punktionsflüssigkeit
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Die Untersuchung der punktierten Aszitesflüssigkeit kann zudem
weitere Hinweise auf die Ursache der Bauchwassersucht geben. Beispielsweise
können bei der Betrachtung der Flüssigkeit mit dem bloßen Auge Blutbeimengungen
(Ursache Tumorwachstum),
eine Trübung durch beigemischte Lymphflüssigkeit (Lymphabflussstörungen) oder Fäden aus dem
Blutgerinnungseiweiß Fibrin (Ursache
Bauchfellentzündung) auffallen.
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Laborparameter
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Neben der Betrachtung der Aszitesflüssigkeit mit dem bloßen Auge
kommt der labortechnischen Untersuchung der Flüssigkeit eine große Bedeutung zu.
Beispielsweise sprechen eine erhöhte Eiweißkonzentration und eine große Menge an
weißen Blutkörperchen (Leukozyten) in der Flüssigkeit für eine Entzündung z. B. des Bauchfells oder der Bauchspeicheldrüse. Der Nachweis von
Bakterien, die für einen eventuellen Infekt ursächlich sind, gelingt durch
das Aufbringen der Aszitesflüssigkeit auf sogenannte Nährböden, auf denen sich
die Bakterien vermehren können. Allerdings ist eine Infektion auch dann nicht
sicher auszuschließen, wenn die Diagnostik mit Nährboden keinen
Bakteriennachweis ermöglicht.
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Tumorzellen unter dem Mikroskop
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Weiterhin ist es sinnvoll, die in der Aszitesflüssigkeit
enthaltenen Zellen unter dem Mikroskop zu untersuchen. Dabei lassen sich unter
anderem einzelne Tumorzellen als Hinweis auf das Wachstum von Tumoren oder
Metastasen feststellen.
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Therapie
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Symptome verringern
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Bei Palliativpatienten mit Aszites steht aufgrund des
fortgeschrittenen Zustands der zugrunde liegenden Erkrankung nicht mehr die
Heilung im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, die für den Patienten
belastenden Symptome wie Druckgefühl im Bauchraum, Schmerzen und Atemnot zu
lindern. Dabei richtet sich die Planung der Behandlung nach der Ursache der
Bauchwassersucht.
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Diuretika bei Pfortaderhochdruck
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Bei Pfortaderhochdruck
als Ursache der Bauchwassersucht kommen Medikamente zur Ausschwemmung von
Flüssigkeit aus dem Körper (sogenannte
Diuretika) zum Einsatz. Als Diuretikum
wird hier bevorzugt der Wirkstoff Spironolacton eingesetzt. Wichtig ist auch
reichlich Bettruhe und die Verringerung der Salzaufnahme, weil Salz Wasser im
Körper bindet, das ja eigentlich ausgeschieden werden sollten. |
Dreiwegeventil zum Ablassen der Flüssigkeit durch den Patienten
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Diuretika sollten nicht eingesetzt werden, wenn die
Bauchwassersucht durch Tumore oder Metastasen hervorgerufen wurde. In diesem
Fall führen die Diuretika dann dazu, dass noch mehr Flüssigkeit aus den
Blutgefäßen in den Bauchraum austritt. Das wiederum würde
Kreislaufbeeinträchtigungen und Störungen im Haushalt der Spurenelemente nach
sich ziehen. Bei Tumoren oder Metastasen wird der Patient punktiert, um die
Beschwerden des Patienten zu lindern. Nimmt die Flüssigkeitsmenge nach Punktion der Aszitesflüssigkeit jedoch sehr
rasch wieder zu, ist die Anlage eines ständig in der Bauchhöhle verbleibenden
Drainageschlauches in Erwägung zu ziehen. An diesen Schlauch kann man eine Art
Ventil (Dreiwegehahn) anschließen. Über das Ventil kann der Patient selbstständig
genau so viel Flüssigkeit aus der Bauchhöhle abfließen lassen, wie er es
als angenehm empfindet. Bei starker Neubildung von Aszitesflüssigkeit kommt es
zu einem Flüssigkeitsverlust in den Blutgefäßen. Die Kreislauffunktion und die
Nierenfunktion sind dann beeinträchtigt. In einem solchen Fall muss der
Flüssigkeitsverlust durch vermehrtes Trinken oder durch Infusionen ausgeglichen
werden.
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Direkte Einspritzung von Zytostatika in die Bauchhöhle
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Bei tumorbedingter Bauchwassersucht können auch sogenannte
Chemotherapeutika
(Zytostatika) in die Bauchhöhle eingespritzt werden. Dabei handelt es sich um
Medikamente, die im Rahmen einer Chemotherapie zur Abtötung von Krebszellen
verwendet werden. Bei Einspritzen dieser Substanzen direkt in die Bauchhöhle
können sie das Wachstum der Tumoren und Tochtergeschwülste bremsen, die für
die Entstehung und die Aufrechterhaltung der Bauchwassersucht verantwortlich
sind. Allerdings ist dieses Vorgehen nicht immer erfolgreich und sollte nur bei
solchen Patienten in Erwägung gezogen werden, die sich in einem insgesamt guten
körperlichen Zustand befinden und deren Lebenserwartung bei mehr als 2 bis
3 Monaten liegt.
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