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Kongressbericht: Deutscher Schmerzkongress 1998 |
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Schmerztherapie |
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Lebenshilfe
statt Sterbehilfe |
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Palliativmedizin
soll die Lebensqualität unheilbar Kranker verbessern und erhalten. Dazu gehören nicht
nur eine ausreichende Schmerzbehandlung, sondern auch eine umfassende psychosoziale
Betreuung - auch der Angehörigen. Doch dies wird in Deutschland den meisten Patienten
vorenthalten, sagen Experten auf dem Deutschen Schmerzkongress.. |
siehe
auch WHO-Stufenplan |
Der
Stufenplan für die Schmerzbehandlung der Weltgesundheitsorganisation ist inzwischen
älter als 15 Jahre. Er gibt Empfehlungen, wie eine ausreichende Schmerztherapie -
angefangen von einfachen Schmerzmitteln bis hin zu Opioiden
-aussehen soll. Ob diese Empfehlungen von den Ärzten eines Landes befolgt werden, ist
daher am Morphinverbrauch ablesbar. Würden allein die Krebspatienten in Deutschland
ausreichend behandelt, ,,müßte der jährliche Morphinverbrauch bei etwa 80 Kilogramm pro
einer Million Einwohner liegen", rechnet Professor Eberhard Klaschik vor. Doch
tatsächlich, so der Leiter der Abteilung für Anästhesiologie, Intensiv- und
Palliativmedizin im Malteser Krankenhaus in Bonn weiter, betrage er 9,9 Kilogramm. |
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Angesichts
dieser Tatsache scheint es kaum verwunderlich, daß immer wieder Patienten aus Angst vor
monatelangen Schmerzen, vor Isolation und Einsamkeit in der schweren Zeit vor dem Tod
Sterbehilfe erflehen. Diese Angst den Patienten zu nehmen durch eine angemessene
Schmerztherapie sowie durch Zuwendung und Begleitung ist das Ziel der sogenannten
Palliativmedizin. ,,Palliativmedizin ist aktive Lebenshilfe" beschreibt Klaschik die
Philosophie dieser in Deutschland noch jungen medizinischen Fachrichtung. |
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Aber
in Deutschland herrscht auf diesem Sektor der Notstand: nur drei Palliativbetten stehen
pro eine Millionen Einwohner zur Verfügung. In England sind es fünfzig. Das heißt, ,,in
Deutschland finden zur Zeit nur ein bis zwei Prozent der Krebspatienten in
Palliativstationen oder Hospizen Hilfe und Betreuung bis zum Tod", berichtet der
Bonner Experte. Die Palliativmedizin basiert auf der Hospizidee, die 1967 in London zum
ersten Mal im St. Christophorus Hospital realisiert wurde. Heutzutage ist die
Palliativmedizin in über sechzig Ländern fester Bestandteil des Gesundheitssystems' der
medizinischen Lehre und auch der Forschung. Obwohl die erste Palliativstation bereits 1983
nach britischem Vorbild in Deutschland eröffnet wurde, hat sich die Zahl dieser
Einrichtungen von 1990 bis 1997 nur von drei auf 35 erhöht. |
Tabuthema
Sterben |
Klaschik
kritisiert die Einstellung der Gesellschaft und vor allem der Mediziner zum Umgang mit
Sterben und Tod: ,,Das absolut vorherrschende, ausschließlich an Heilung orientierte
Behandlungskonzept läßt nicht zu, daß Leiden, Sterben und Tod akzeptiert werden."
Diese weitverbreitete Geisteshaltung führt dazu, daß Sterbende und ihre Angehörigen in
dieser Phase größter psychischer, seelischer und schließlich auch sozialer Not ohne
Hilfe und Unterstützung bleiben. Mancher fragt dann nach aktiver Sterbehilfe, obwohl es
aktive Lebenshilfe gäbe. Dabei vermag eine von Experten-Teams durchgeführte
Palliativmedizin' den Patienten das Optimum an Lebensqualität und Selbständigkeit zu
erhalten. ,,Schmerzen und andere leidvolle Symptome der Erkrankung können auf ein
erträgliches Maß reduziert werden" erklärt der Mediziner. Die Palliativmedizin
verhindert so unnötiges Leid und erhält die Würde des Menschen. |
Schmerzminderung
erstes Ziel |
Die
Elemente der Palliativmedizin sind die kontinuierliche Beobachtung und Behandlung der
verschiedenen Symptome der jeweiligen Erkrankung. In Großbritannien sind 94 Prozent der
Palliativpatienten krebskrank, die verbleibenden sechs Prozent Aidskranke oder Menschen,
die an anderen unheilbaren Krankheiten der Lunge, des Herzens oder der Niere leiden. Ein
Team von speziell ausgebildeteten Experten betreut sowohl die Kranken als auch ihre
Angehörigen. Neben Ärzten, Krankenpflegern und Physiotherapeuten, einem Psychologen oder
Seelsorger arbeitet häufig auch ein Sozialarbeiter mit. Vor allem achten die Experten auf
eine ausreichende und kontinuierliche Schmerztherapie. Denn knapp 70 Prozent der
Tumorpatienten haben ohne medizinische Hilfe in den letzten Lebensmonaten zum Teil
unerträgliche Schmerzen. Aber auch das Gespräch über die Krankheit mit ihren Symptomen
und der Therapie, das Sterben selber sowie schließlich den Tod, ist Inhalt der
Palliativmedizin. Auf diese Weise lernen der Patient und die Menschen, die ihn begleiten,
das Sterben und den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren' erklärt Klaschik die
Prinzipien der Palliativmedizin. |
Kontakt: |
Prof.
Dr. med. Eberhard Klaschik, Chefarzt der Abteilung für Anästhesie Intensivmedizin
Palliativ- und Schmerztherapie, Malteser-Krankenhaus Bonn, Von-Hompesch-Straße 1, 53123
Bonn Tel.: 0228-6481-361 Fax: 0228-6481-851 |
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