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Deutscher Schmerzkongress 2003
08. - 12. Oktober in Münster |
DGSS Münster, Deutscher Schmerzkongress, 9.
Oktober 2003 |
Cannabinoide in der Schmerztherapie
Umstrittenes "Wundermittel" mit Nebenwirkungen
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Cannabinoide - Substanzen, die auch in der Hanfpflanze vorkommen, und die
der Körper z. T. selbst produziert - gehören gegenwärtig zu den umstrittensten
Wirkstoffen in der Medizin: Die einen schwören auf ihre unter anderem schmerzstillende
und appetitanregende Wirkung, die anderen blicken skeptisch auf zahlreiche Nebenwirkungen
wie Desorientierung und Herzrasen. Fest steht: Aussagekräftige Studien fehlen noch.
"Wir haben es hier mit hochspannenden Substanzen zu tun, denn Cannabinoide sind auf
jeden Fall an der Verarbeitung von Schmerz und Angst beteiligt", so PD Dr. Michael
Strumpf (Rotes Kreuz Krankenhaus Bremen) beim Deutschen Schmerzkongress, den die Deutsche
Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e. V. (DGSS) gemeinsam mit der Deutschen
Kopfschmerz- und Migränegesellschaft e. V. (DMKG) vom 8. bis zum 12. Oktober in Münster
veranstaltet. |
Schwerwiegende Nebenwirkungen
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Die Diskussion um Cannabis als Schmerzmittel ist emotional: Die Patienten,
die Cannabiszigaretten rauchen und somit über 60 Einzelsubstanzen gleichzeitig
inhalieren, sind von seiner positiven Wirkung zumeist überzeugt, zumal sie durchs Rauchen
sehr schnell eintritt. Der Ruf nach einer Freigabe von Cannabis als Schmerzmittel wird
immer lauter. Patienten jedoch, die nur einzelne Substanzen wir THC
(Delta-9-Tetrahydrocannabinol) als Medikament einnehmen, müssen zum einen länger auf die
Wirkung warten, zum anderen teils schwerwiegende Nebenwirkungen in Kauf nehmen. "Die
Rezeptoren für Cannabinoide sind zwar auch an der Schmerzwahrnehmung beteiligt, aber eben
nicht nur - daher rühren die unerwünschten Effekte", erklärt Dr. Strumpf.
"Cannabinoide halten in der klinischen Anwendung nicht, was sie ihn der
Grundlagenforschung versprechen." |
Hoffnung aus der Forschung
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Die Grundlagenforschung der letzten Jahre weckt indes Hoffnungen: Der
Körper kann in extremen Stresssituationen selbst Cannabinoide produzieren und verfügt
über eigene Rezeptoren für diese Substanzen. Dieses körpereigene Cannabinoidsystem
hilft z. B. bei der Auslöschung von konditionierter Angst, der die Wissenschaftler bei
der Chronifizierung von Schmerz eine wichtige Rolle zuschreiben. Cannabinoide, die von
außen zusätzlich gegeben werden, hemmen zudem die Erregbarkeit des schmerzleitenden
Nervensystems. Die Veränderungen an Nervenzellen, die bei chronischen Schmerzpatienten
typisch sind, lassen sich möglicherweise durch Cannabinoide verhindern. "Diese
Substanzen sind daher nichts für die Therapie von akutem Schmerz", folgert Dr.
Shahnaz Azad von der Universität München. "Sie könnten für eine Co-Medikation mit
anderen Schmerzmedikamenten wie Opioiden geeignet sein, da sich die Wirkungen gegenseitig
unterstützen, so dass man die Dosis verringern kann." Sie setzt außerdem auf
weitere Studien, die zeigen sollen, bei welchen Patienten das körpereigene
Cannabinoidsystem gestört ist. Eine Nische, in der die Experten die Anwendung von
Cannabinoiden trotz ihrer Nebenwirkungen einhellig befürworten, sind Spastiken, die sich
durch keine andere Therapie beeinflussen lassen. |
Ansprechpartner
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Dr. Shahnaz Azad, Klinik für Anästhesiologie der Ludwig
Maximilians-Universität München, Marchioninistr. 15, 81377 München, E-mail:
azad@mpipsykl.mpg.de PD Dr. Michael Strumpf, Klinik für Anästhesie, Rotes Kreuz
Krankenhaus Bremen, St. Pauli Deich 24, 28199 Bremen, E-Mail: strumpf@roteskreuzkrankenhaus.de
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