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Deutscher Schmerzkongress 2003
08. - 12. Oktober in Münster |
DGSS Presseinformation Nr. 17/2003 |
Das Schmerzgedächtnis vor Operationen ausschalten
Schmerz ist nicht gleich Schmerz: Auf die Ursache kommt es an
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Einen starken Schmerzreiz können Nervenzellen manchmal schlecht
vergessen: Noch wenn die Ursache längst verheilt ist, quält der Schmerz. Dieser
Mechanismus ist inzwischen gut erforscht; man fand sogar Wirkstoffe, die - vor dem
schmerzhaften Ereignis angewandt - seine Ausprägung blockieren. Doch das funktioniert
nicht immer: Gegen die Schmerzen nach einem Operationsschnitt richten sie nichts aus.
Warum das so ist, fanden Forscher um Priv.-Doz. Dr. Esther Pogatzki (Universität
Münster) heraus. Es kommt auf die Schmerzursache an. Schnitte wirken sich anders aus als
Nervenverletzungen oder Entzündungen und müssen daher anders behandelt werden. Über
ihre Forschungsergebnisse berichtete Dr. Pogatzki beim Deutschen Schmerzkongress 2003 in
Münster. |
Rezeptorblocker verhindert das Erinnern ...
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Als Verantwortlichen für die schmerzhaften Erinnerungen der Nervenzellen
machten Forscher bald nach der Entdeckung des Schmerzgedächtnisses vor ca. 15 Jahren den
sog. NMDA-Rezeptor im Rückenmark aus. Wird er aktiviert, läuft eine Signalkaskade in den
Nervenzellen ab, an deren Ende sie in der Lage sind, Schmerzimpulse effizienter
weiterzuleiten. Dieser Zustand kann den eigentlich Schmerzreiz überdauern - die Zelle ist
sensibilisiert. Man entwickelte Medikamente, die den NMDA-Rezeptor blockieren (sog.
Antagonisten). Verabreicht man diese Wirkstoffe vor dem schmerzhaften Ereignis, erinnert
sich der Körper später nicht. Dieses Prinzip funktioniert z. B. bei Amputationen, bei
denen große Nerven abgetrennt werden, wodurch oft Phantomschmerzen entstehen. |
... aber nicht an OP-Schnitte
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Es zeigte sich aber, dass die Blockade der NMDA-Rezeptoren nicht immer
wirkt: Bei Operationswunden richteten die entsprechenden Medikamente überhaupt nichts
aus. Dr. Pogatzki machte sich auf die Suche nach den Ursachen dafür und beobachtete
zunächst die Aktivität der peripheren Nervenzellen um Operationsschnitte herum. Sie fand
heraus, dass die Zellen am Tag nach dem Eingriff spontan aktiv waren und feuerten - die
Wunde schmerzte. Auch daran erinnert sich der Körper. Es gibt also ein Schmerzgedächtnis
für Schnitte, aber verantwortlich dafür sind die peripheren Nerven. Und: im Rückenmark
sind es nicht die NMDA-Rezeptoren, sondern bestimmte Untereinheiten der sog.
Non-NMDA-Rezeptoren, die Schmerzen nach einem operativen Schnitt vermitteln. "Schmerz
ist nicht gleich Schmerz", bringt es Dr. Pogatzki auf den Punkt. Die Ursache ist
entscheidend für die Ausprägung eines Schmerzgedächtnisses. Bei Operationswunden ist
das der Schnitt in die Haut, unabhängig davon, was die Ärzte im Körper behandeln und ob
z. B. Muskeln verletzt werden. |
"Schuldiger" Rezeptor ist entdeckt - neue Medikamente
entwickeln
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"Jetzt kommt es darauf an, entsprechende Antagonisten für den
verantwortlichen Rezeptor zu entwickeln", erklärt Dr. Pogatzki, "Noch gibt es
dafür kein wirksames Medikament." Bis das verfügbar ist, verhindern die Ärzte das
Einbrennen von Schmerz nach Operationen durch eine Mischung aus Lokalanästhetika und
Opiaten, die während der ersten drei bis vier Tage nach dem Eingriff über einen Katheter
in der Nähe des betreffenden Rückenmarksabschnitts verabreicht wird. Die Patienten
können das Medikament selbst nach Bedarf über eine Pumpe dosieren. Der Nachteil dieser
Methode sind die Nebenwirkungen der Opiate, wie z. B. Übelkeit und Erbrechen. Sie
könnten durch spezifische Non-NMDA-Blocker umgangen werden. |
Ansprechpartner
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Priv.-Doz. Dr. Esther Pogatzki, Klinik und Poliklinik für Anästhesie und
operative Intensivmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster,
Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster, Tel. 0251-83-55548, E-Mail:
pogatzki@anit.uni-muenster.de
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