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Geschichte der Osteopathie
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Begründer Andrew Taylor Still
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Etwa um 1874 ist die nach dem Amerikaner Andrew Taylor Still benannte Lehre
der Osteopathie begründet worden. Zu jener Zeit der amerikanischen Bürgerkriege
gab es kein strukturiertes Gesundheitssystem, und nach einer persönlichen
Tragödie, bei der 4 seiner Kinder innerhalb kurzer Zeit aufgrund erfolgloser
medizinischer Versorgung starben, soll Still sein eigenes medizinphilosophisches
Konzept entworfen haben. Sein Ansatz war ein rein empirischer und konzentrierte
sich auf die Anatomie des Körpers unter Zuhilfenahme des Wissens von
Naturvölkern und den geistigen Strömungen seiner Zeit.
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1892 American School of Osteopathy
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Nach jahrelangem Studium kommt Still zu der persönlichen Erkenntnis, dass der
Körper grundsätzlich alles dafür notwendige besitzt, um Störungen selbst heilen
zu können und es nicht möglich ist, dies ausschließlich von außen zu tun. Ein
Therapeut soll demnach durch seine zur Perfektion gebrachten mechanischen
Fertigkeiten lediglich einen vom Wirken der vollkommenen Schöpfung zu
verantwortenden Heilungsprozess unterstützen können. Im Zuge einer aufmerksam
gewordenen Öffentlichkeit, die von seinen Erfolgen beeindruckt war, gründete er
1892 die "American School of Osteopathy".
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1917 Gründung einer Schule für Osteopathie in London
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Die europäischen Wurzeln des osteopathischen Konzeptes liegen in Frankreich
und England. Anfang des 20ten Jahrhunderts wurde die Osteopathie von dem einst
nach Amerika ausgewanderten Engländer John Martin Littlejohn nach Europa
gebracht. Littlejohns Ansatz unterschied sich insofern von dem Stills, als das
er über die naturphilosophischen und anatomiebezogenen Kenntnisse hinaus das
Konzept durch die profunden Kenntnisse physiologischen Wissens ergänzte. Er
stellte
dieses Wissen in den Mittelpunkt seiner Lehre. So wurde 1917 in London eine
Schule für Osteopathie gegründet und etwa 25 Jahre später auch in Paris durch
einen weiteren Schüler Stills, der zurück nach Europa gekommen war.
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Unterschiedliche Entwicklung in USA und Europa
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Wahrscheinlich aufgrund der verzweigten geschichtlichen Entwicklungen hat die
Osteopathie bis heute keine Definition, die eindeutig und weltweit gebräuchlich
ist. Auf der Basis von Stills Gedankengut, das vielfach nicht im Einklang mit
naturwissenschaftlichen Erkenntnissen steht, entwickelte sich nicht überall die
gleiche Struktur. Eine Einheit ist auch heute nicht zu erkennen. Das liegt mit an den damals wie heute
unterschiedlichen medizinischen Rechtsgrundlagen in den USA und dem Rest der
Welt und der damit in Verbindung stehenden notwendigen, wirtschaftlichen
Überlebensfähigkeit in Abhängigkeit anerkannter, vorherrschender Meinungen.
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Deutscher Hintergrund und Entstehung des Heilpraktikergesetzes
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Was dabei speziell in Deutschland eine Rolle gespielt hat, wird in folgendem
Zitat deutlich: "...im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Deutschen Reich
zu beobachten. Dort fühlten sich die Ärzte den anderen Heilern so überlegen,
dass sie einer völligen Liberalisierung des Heilgewerbes im Rahmen der
Gewerbeordnung von 1869 bzw. 1871 zunächst zustimmten, um sich dann alsbald
darüber zu beschweren, dass der Konkurrenzkampf nicht zu ihren Gunsten
auszugehen schien......Neben der organisierten Ärzteschaft war es vor allem die
"Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Kurpfuscherei", die gegen angebliche
Missstände im Heilgewerbe ankämpfte und eine Vielfalt von Aktivitäten
entfaltete. In der von ihr herausgegebenen Zeitschrift "Der Gesundheitslehrer"
erschien 1932 ein Artikel mit dem Titel "Moral und Recht im Kurpfuschertum".
Darin wurde gefordert, jedem, der wirklich Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem
Gebiet der Heilkunde besitzt, zu ermöglichen, eine staatliche Genehmigung zur
Ausübung dieser Heilkunde zu erlangen.....Hier deutet sich bereits die
Lösungsmöglichkeit an, die schließlich unter geänderten politischen Bedingungen
1939 Eingang in das "Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne
Bestallung (Heilpraktikergesetz)" fand.....Das Heilpraktikergesetz hat in
veränderter Form weiterhin Gültigkeit und wird ergänzt und konkretisiert durch
die Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz und durch Richtlinien zur
Durchführung des Heilpraktikergesetzes in den einzelnen Bundesländern." (Quelle:
Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren, Deutsches Ärzteblatt 106,
Heft 46, 2009).
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Das deutsche Heilpraktikergesetz ist weltweit einzigartig und seine
Entstehung lässt sich nur durch die geschichtlichen Entwicklungen in Deutschland
nachvollziehen.
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Keine internationale Einheit
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Was heute in den USA und Europa als Osteopathie gelehrt und praktiziert wird,
orientiert sich im Grundgedanken weiterhin an den Ideen Stills, vor allem der
Sichtweise des Körpers als Einheit, hat aber darüber hinaus wenig miteinander zu
tun.
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USA betreiben Osteopathen wissenschaftliche Forschung und verfeinern
chirurgische Methoden
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In den USA hat die Osteopathie einen weitaus engeren Bezug zu
wissenschaftlich anerkannten, medizinischen Erkenntnissen als in Europa.
Osteopathen sind in den USA voll ausgebildete, anerkannte Ärzte, deren
Abschluss (Doctor of Osteopathic Medicine (D.O.) lediglich auf ihren
fachspezifischen Ausbildungsgang hinweist, der sich jedoch nur in kleinen Teilen
von der schulmedizinischen Ausbildung unterscheidet. Manuelle Therapie wird dort
nicht standardmäßig gelehrt, speziell nicht im Zusammenhang mit viszeralen und
craniosacralen Techniken, die dort nur eine minimale bis gar keine Rolle
spielen. Dafür sind die amerikanischen Osteopathen für bedeutende Fortschritte
in minimalinvasiver und gewebeschonenden chirurgischen Techniken, sowie
neurophysiologische Forschungsergebnisse verantwortlich. Europäische Osteopathen
würden dort als nicht-ärztliche Osteopathen bezeichnet werden.
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In Europa liegt der Schwerpunkt auf der Perfektion manueller Therapien
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In Europa, wo der manuelle Ansatz die Grundlage des Behandelns
darstellt und Stills philosophisches Gedankengut weiterhin eine starke Bedeutung
hat, hat es daher lange gedauert, bis die Osteopathie als ernstzunehmender
therapeutischer Ansatz anerkannt worden ist. Erst in den 1980er Jahren begann sich
die osteopathische Lehre auch in Deutschland stärker zu verbreiten. Allerdings
darf sie auch hier bis heute nur durch anerkannte Heilpraktiker und Ärzte
ausgeübt und verordnet werden.
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