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Deutscher Schmerzkongress 2001
03. - 07. Oktober in Berlin |
Pressemitteilung Nr. 19 5. Oktober 2001 |
Auch Säuglinge brauchen Schmerztherapie
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(Berlin) Auf dem Deutschen Schmerzkongress in Berlin haben Experten
eine angemessene Schmerztherapie für Säuglinge und Kinder gefordert. Sie geben
Empfehlungen für die kindgerechte Behandlung und räumen mit einem folgenschweren Irrtum
auf: Die Kleinen hätten noch kein Schmerzempfinden.
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Kinder können schon im Mutterleib - ab der 22. Woche - Schmerzen
empfinden.
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"Es ist ein Mythos, dass Früh- und Neugeborene keine Schmerzen haben
oder sich nicht mehr an die Schmerzen erinnern können", sagt Professor Franz-Josef
Kretz, Anästhesist am Klinikum Stuttgart. "Diese Märchen sind schuld daran, dass
die Schmerztherapie in der Kinderheilkunde noch immer ein Stiefkind ist", klagt der
Intensivmediziner. Stattdessen ist bewiesen, dass Kinder bereits ab der 22.
Schwangerschaftswoche im Mutterleib also dann auch Frühchen Schmerzen empfinden.
Erfahrungen von Kinderärzten zeigen, dass Babys bei einer schmerzhaften Behandlung mit
Schreien, Abwehr und Blaufärbung (Zyanose) reagieren. Studien belegen außerdem, dass
Kinder ein Schmerzgedächtnis haben. Denn wer in den ersten Lebenswochen Schmerzen
ausgesetzt war, zeigt später eine größere Schmerzempfindlichkeit. |
Angst vor dem Einsatz von Analgetika führt zu einer mangelnden
Bereitschaft, sich mit einer kindgerechten Anwendung zu beschäftigen.
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Die noch weit verbreitete Unwissenheit über schmerzphysiologische
Prozesse bei Säuglingen paart sich oft mit der zu großen Angst vieler Mediziner vor dem
Einsatz von Analgetika. "Die Risiken einer Opioidgabe an Frühgeborene und Säugline
sind tatsächlich hoch", räumt Kretz ein. Als Nebenwirkungen können Atemstillstand
und Krampfanfälle mit lebensbedrohlichen Folgen eintreten. Diese können jedoch vermieden
werden, so der Mediziner, wenn die Verabreichung von Schmerzmitteln auf den kindlichen
Organismus abgestimmt wird. Dazu gehört, dass die Medikamente zuerst in minimalen Dosen
verabreicht und bei Bedarf gesteigert werden, bis Schmerzfreiheit eintritt. Außerdem
müssen die kleinen Patienten lückenlos überwacht werden und Fachkräfte für den
Notfall gerüstet sein. Allerdings warnt Kretz vor allzu großer Vorsicht: "Unter der
Angst von Pädiatern, Anästhesisten und Kinderchirurgen vor der unerwünschten Wirkung
der Opioide bei Kindern haben schon mehr Kinder gelitten als unter den unerwünschten
Wirkungen selbst." |
Kinder reagieren empfindlicher.
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Das Hauptproblem bei der Schmerztherapie von Säuglingen und Kindern ist,
dass der kleine Organismus empfindlicher auf die Medikamente reagiert und sie schlechter
abbauen kann. "Viele Organe wie Gehirn, Leber und Nieren sind bei Früh- und
Neugeborenen noch unreif und deshalb in ihrer Funktion eingeschränkt", erklärt
Kretz. Zu beachten ist auch, dass das Neugeborene zu 80 Prozent aus Wasser besteht, der
Erwachsene nur zu 60 Prozent. Außerdem enthält das Blut noch weniger Eiweißkörper, die
für Transport und Wirkung der schmerzlindernden Substanzen zuständig sind. Um den
gleichen schmerzlindernden Effekt zu erreichen, benötigen Neugeborene weniger
Schmerzmittel als Erwachsene. |
Besondere Vorsicht bei lokaler Anwendung.
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Besondere Vorsicht gilt auch bei der Anwendung von lokalen Schmerzmitteln.
Durch die geringere Transportkapazität und die geringere Bindung der Wirkstoffe an
Proteine erhöht sich das nicht gebundene Lokalanästhetikum im Blut und kann toxische
Reaktionen hervorrufen. "Auch bei der Lokalanästhesie ist streng darauf zu achten,
dass beim Spritzen das Mittel nicht in die Gefäße gelangt", erklärt der
Anästhesist. |
Fachgerechte Behandlung von Schmerzen hat Vorrang vor der Angst um
Abhängigkeit.
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In der Behandlung der jüngsten Patienten, vor allem in der Intensiv- und
Notfallmedizin, werden dieselben Medikamente wie für Erwachsene eingesetzt. Die Palette
reicht von leichten Schmerzmitteln (Paracetamol) bis zu den stark wirksamen Opioiden
(Piritramid). Außerdem sind auch Beruhigungsmittel (Diazepam) von Bedeutung. Das am
häufigsten eingesetzte Mittel, zum Beispiel nach Operationen, ist Piritramid wegen seiner
geringen Nebenwirkungen. Welche Behandlung im Einzelnen sinnvoll ist, richtet sich genauso
wie beim Erwachsenen nach Stärke und Sitz der Pein. "Die Schmerztherapie erfolgt im
Kindes- und Jugendalter ähnlich differenziert wie beim Erwachsenen", erklärt Kretz.
Ihre Ziel sind, die Kinder aus der Stress-Situation, die die Schmerzen verursachen, zu
befreien und auch schmerzhafte Untersuchungen oder die Beatmung erträglich zu machen. In
der Langzeittherapie stellt sich wie für ältere Patienten das Problem der Gewöhnung an
Schmerzmittel. "Dennoch hat in der akuten Phase die Schmerzbehandlung wirklich
Vorrang vor der Angst um Abhängigkeit. Das wichtigste ist, dass sich die kleinen
Patienten beruhigen und gesund werden können", unterstreicht Kretz. |
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Rückfragen an:
Prof. Dr. med. Franz-Josef Kretz
Ärztlicher Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin
Klinikum Stuttgart Olgahospital
Pädiatrisches Zentrum der Landeshauptstadt Stuttgart
Bismarckstraße 8 70176 Stuttgart
Tel.: 0711-992-3330
Fax: 0711-992-3350
e-mail: kretz.anaesthesie@olgahospital.de
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