Chronische Schmerzen

 

Entstehung chronischer Schmerzen
Psychologie chronischer Schmerzen
Schmerzerkrankungen
+ Migräne und Kopfschmerz
Schmerzen bei Kindern

Medikamentöse Schmerztherapie
Operative Schmerztherapie
Alternative Behandlung

Physiotherapeutische Schmerztherapie
Psychologische Schmerztherapie
Praxistipps

Hintergründe, Fakten, Zahlen
Schmerzen aus anderer Sicht

DGSS DGSS Münster, Deutscher Schmerzkongress, 9. Oktober 2003

Deutscher Schmerzkongress 2003

08. - 12. Oktober in Münster

Stickstoffoxid (NO), ein Neurotransmitter mit vielen Gesichtern

Prof. Dr. Andreas Straube

 

Kurz nach der Einführung des Nitroglycerins in die Therapie der Angina pectoris (Herzkranzgefäßverengung) wurden als relativ häufige Nebenwirkung starke Kopfschmerzen beschrieben. Im weiteren wurde dann in den letzten Jahren, insbesondere durch die Gruppe um J. Olesen in Kopenhagen, gezeigt, dass es neben dem initialen Nitrokopfschmerz bei Probanden, die an Migräne oder Clusterkopfschmerz leiden, auch einen mit einer Verzögerung von mehreren Stunden auftretenden migräneartigen Kopfschmerz gibt. Nitroglycerin ist nun ein sog. Stickstoffoxid (NO)- Donor, der zu einer vermehrten Produktion von Stickstoffoxid führt. NO hat in biologischen Systemen nur eine sehr kurze Halbwertszeit von wenigen Sekunden und wird nicht gespeichert, sondern bei entsprechender Stimulation synthetisiert. NO stammt im wesentlichen aus drei Quellen: 1) aus der ecNOS (endothelialen constitutive NO-Synthase, einem Enzym in den Zellen der Gefäßinnenwand), 2) der nNOS, d.h. der neuronalen NO-Synthase in Nervenzellen und 3) der iNOS (induzierbaren NO-Synthase), die nach entsprechender Stimulation, z.B. durch Entzündungs-Mediatoren, vorwiegend in Endothelzellen (Oberflächenzellen), Makrophagen (Fresszellen des Immunsystems), vaskulären Muskelzellen und Herzmuskelzellen stattfindet. NO selber wirkt, nachdem es durch die Zellwand diffundiert ist, über eine Aktivierung des Botenstoffs cGMP, welcher wiederum spezifische Enzyme in der Zelle (z.B. Proteinkinasen, aber auch Cyclooxygenasen, sog. COX-Enzyme) reguliert.

 

NO reguliert den Blutfluss im Gehirn

NO wurde erstmals in den 80iger Jahren als ein potenter Wirkstoff zur Gefäßerweiterung (Vasodilatation) beschrieben. In der Zwischenzeit konnte gezeigt werden, dass die meisten bekannten Vasodilatoren wie Bradykinin, Acetylcholin, aber auch das bei der Migräne im Halsvenenblut erhöhte CGRP (Calcitonin gene-related peptide), welches als ein spezifischer Migräne-Marker gilt, über die Freisetzung von NO zu einer Gefäßerweiterung führen. Damit scheint NO letztlich verantwortlich für die Erweiterung der Hirngefäße, die eine wesentliche Ursache des Migräneschmerzes ist. Neben der eNOS ist aber auch die NO-Bildung in den Nervenzellen (nNOS) an der Regulation des Blutflusses im Gehirn beteiligt. Die nNOS wird dabei z.B. durch den Überträgerstoff Glutamat und die Aktivierung des NMDA-Rezeptors, eines Kalziumkanal, der bei Lernvorgängen aber auch dem Zelluntergang nach Infarkten eine Rolle spielt, aktiviert. Glutamat ist der wichtigste Überträgerstoff unter anderem auch im schmerzverarbeitenden System. Eine Aktivierung könnte damit auch zu einer Gefäßerweiterung führen. Dieses würde die zunehmende Verstärkung des Schmerzes während einer Attacke miterklären können.

 

Nervenzellen lernen leiden

Eine weitere Rolle scheint NO aber auch bei der Chronifizierung von Schmerzen zu haben. Erklärungsansätze bestehen in der Beobachtung, dass NO eine Rolle bei der sog. LTP (Long-term potentiation) bzw. LTD (long-term depression) hat. Beides sind Mechanismen, die mit dem neuronalen Korrelat des Lernens in Verbindung gebracht wird. So führt die langzeitige Unterdrückung der NO-Produktion zu Störungen des Lernens. Eine anhaltende Aktivierung von Schmerzneuronen kann daher durch NO-Mechanismen zu einer LTP/LTD führen und so zur Chronifizierung beitragen. Ein weiterer Mechanismus, der in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, ist die zellschädigende (zytotoxische) Wirkung von hohen Dosen von NO in einigen Gebieten des Gehirns.

 

Spezifischer behandeln

Eine Erweiterung des Verständnisses über die Rolle von NO in der Pathophysiologie von Kopfschmerzen, aber auch in der Signalverarbeitung im schmerzverarbeitenden System, sowie die Entwicklung spezifischer Modulatoren der einzelnen NO-Synthasen lässt hoffen, einzelne Schmerzsyndrome noch spezifischer behandeln zu können.

 

Ansprechpartner

Prof. Dr. Andreas Straube, Neurologische Universitätsklinik, Klinikum Großhadern, Ludwig Maximilians-Universität, Marchioninistraße 15, 81377 München, Tel.: 089-70 95-39 01, Fax: 089/7095-3677, E-mail: astraube@nefo.med.uni-muenchen.de

Top

Zur Übersicht
Deutscher Schmerzkongress 2003

Zur Gesamtübersicht
Kongresse und Tagungen

 


MedizInfo®Homepage
zur Startseite

zur Übersicht
des Unterthemas
zur Übersicht
des Oberthemas