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Pressemitteilung 01.03.2000 |
Deutscher
Schmerztag 2000
02. - 04. März 2000, Frankfurt am Main
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Umfrage
der Deutschen Schmerzliga zeigt: Schmerzpatienten leiden unter Sparmaßnahmen im
Gesundheitswesen |
Zitate von Betroffenen |
Politiker
und Vertreter von Krankenkassen beteuern immer wieder, dass Krankenkassen alle ärztlich
verordneten Behandlungen trotz notwendiger Sparmaßnahmen auch weiterhin bezahlen. Dass
die Realität anders aussieht, belegt die vorläufige Auswertung einer noch laufenden
Umfrage der Deutschen Schmerzliga e.V. bei ihren Mitgliedern, die auf dem Deutschen
Schmerztag in Frankfurt vorgestellt wird. Die Mehrheit der Befragten berichtet, dass sie
zunehmend Schwierigkeiten hat, bislang verordnete Therapien auch weiterhin zu erhalten.
Darum fordert die Deutsche Schmerzliga, dass die Behandlung chronisch Schmerzkranker aus
den Budgets herausgenommen werden sollte. |
Sie auch: Der schwierigste ,,Patient" der
Schmerztherapeuten ist die Politik |
,,Auch
die Schmerzpatienten wissen, wie wir alle, dass das Gesundheitssystem zum Sparen gezwungen
ist" stellt Dr. med. Marianne Koch, Präsidentin der Deutschen Schmerzliga fest. Die
Betroffenen erleben aber zunehmend, dass sie eine sinnvolle, wirksame Therapie nicht mehr
oder nur nach zähen Kämpfen erhalten. ,,Darum", so Koch, ,,fordert die Deutsche
Schmerzliga e.V. daher dringend, dass nachweislich für chronisch Schmerzkranke bestimmte
Medikamente, Hilfs- und Heilmittel aus den Budgets herausgenommen werden." |
Umfrage
zeigt Mißstände auf. |
Wie
groß die Schwierigkeiten von Schmerzpatienten sind, belegt die vorläufige Auswertung
einer Umfrage der Deutschen Schmerzliga e.V. bei ihren Mitgliedern. Die Umfrage ist zwar
statistisch nicht repräsentativ, kann aber Hinweise und Anhaltspunkte liefern. Obwohl sie
noch nicht abgeschlossen ist, lassen sich erste Trends aus den bislang vorliegenden 132
Fragebögen ableiten. |
Pharmakotherapie Schmerz. |
- 50 Patienten geben an, dass es bei Ihnen bislang
keine Probleme gibt. (Davon sind 37 gesetzlich und 13 privat versichert.) Die Mehrheit
dieser Patienten (32) ist bei Schmerztherapeuten in Behandlung. Gleichwohl äußern auch
etliche dieser Patienten Ängste, dass sie in Zukunft nicht mehr alle Maßnahmen wie
bislang üblich erhalten.
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Probleme
mit Ärzten stehen für die Betroffenen im Vordergrund. |
- Die Mehrheit der befragten Patienten (insgesamt 82, die
überwiegende Mehrheit gesetzlich versichert) berichtet jedoch über zunehmende
Schwierigkeiten, bislang verordnete Behandlungsmethoden (Arzneimittel, Heil- und
Hilfsmittel, stationäre Aufenthalte etc.) zu erhalten. Mehr als die Hälfte der
Betroffenen (49) gibt an, dass sie von Haus- und oft mehreren Fachärzten sowie von
Schmerztherapeuten behandelt werden. Der überwiegende Teil berichtet von Problemen mit
der Krankenkasse, aber deutlich mehr als ein Drittel berichtet auch über Schwierigkeiten
mit ihren Ärzten.
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Bei
über der Hälfte der Betroffenen verweigerte die Krankenkasse die Übernahme der Kosten. |
- Mehr als die Hälfte dieser 82 Patienten (45) berichtet
beispielsweise, dass Krankenkassen die Behandlungskosten für ärztlich verordnete
Massagen, Krankengymnastik oder stationäre Aufenthalte und Rehabilitationsmaßnahmen
nicht mehr übernehmen. Besonders häufig wird die Kostenübernahme erwartungsgemäß bei
komplementären Verfahren abgelehnt, deren Wirksamkeit nicht zweifelsfrei nachgewiesen
ist. Zu Akupunkturbehandlungen werden häufig - wenn sie überhaupt genehmigt werden -
allenfalls nur Zuschüsse gewährt. In einem Fall weigerte sich die Kasse sogar, die
Kosten für eine ärztlich verordnete Opioid-Behandlung zu übernehmen.
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Ärzte
weigern sich, Kassenrezepte auszustellen. |
- Erkennbar ist darüber hinaus, dass auch Ärzte bislang
verordnete Arzneimittel und Heilmittel wie Krankengymnastik und Massagen nicht mehr
verordnen wollen. Etliche bieten nur an, diese auf Privatrezept zu verordnen.
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- Ein Viertel der Patienten berichtet, dass ihr Arzt die
Behandlung auf preiswertere Medikamente umgestellt hat.
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Auch
hochwirksame Medikamente werden verweigert.
Siehe auch: Hintergründe, Fakten, Zahlen |
- Die Weigerung von Ärzten, bestimmte Arzneimittel zu
verordnen, bezieht sich keineswegs nur auf Medikamente und Behandlungsmethoden, deren
Wirksamkeit nicht eindeutig nachgewiesen ist. Erschreckend ist, dass in mehreren Fällen
selbst Opioide und hochwirksame, aber teure Migränemittel (Triptane) nur noch auf
Privatrezept verordnet werden.
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"Verschiebebahnhof" |
- Jeder fünfte Patient hat die Erfahrung gemacht, dass sein
Hausarzt, aber auch Fachärzte ihn zu anderen Fachärzten oder Schmerztherapeuten
überweisen, damit diese teure Medikamente und andere Maßnahmen verordnen.
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Deutsche
Schmerzliga e.V., Hainstr. 2, 61476 Kronberg, Telefon: 0700 / 375 375 375, Fax: 0700 / 375
375 38, Internet: www.dsl-ev.de |
Zitate von Schmerzpatienten aus der Umfrage der Deutschen Schmerzliga
e.V.
(aus Datenschutzgründen sind alle Namen geändert.) |
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Erfahrungen
mit Krankenkassen |
(Horst
M., leidet an schwersten chronischen Rückenschmerzen nach mehrfachen Operationen) |
Der
Arzt des Medizinischen Dienstes, der meine stationäre Rehabilitationsmaßnahme abgelehnt
hat, hat mich persönlich nie gesehen oder untersucht. |
(Hans
B., leidet unter Rheuma und Coxarthrose) |
Ich
habe regelmäßig und insgesamt 35 Mal in einem Reha-Zentrum Krankengymnastik, Fango und
Massage sowie eine Muskelaufbautherapie erhalten. Danach hat der Medizinische Dienst die
weitere Übernahme der Kosten abgelehnt. Ich wollte zwar die Krankenkasse verklagen, doch
meine Ärzte haben mir abgeraten, weil ich höchstwahrscheinlich diesen Prozess verlieren
würde. |
(Ingrid
W., Bad Mergentheim) |
Nach
einer fünfmonatigen Auseinandersetzung hat die Versicherung einem stationären Aufenthalt
zugestimmt, aber erst, nachdem ich einen Anwalt eingeschaltet habe. |
(Ursula
E, Esslingen) |
Wenn
ich bei meiner Kasse um die Übernahme der Kosten, auch anteilig, für eine vom Arzt
empfohlene Maßnahme bitte, werde ich wie ein Bittsteller behandelt, der eine Last für
die Solidargemeinschaft ist. Der Ton ist oft abwertend: ,,Wir haben ja schon damals die
Kosten für ihre Operation übernommen, die auch nichts gebracht hat." Die
Fahrtkosten-Erstattung wurde auch - ohne diesbezügliche Information - reduziert. Erst
nach einem Beschwerdebrief wurden die Differenz bezahlt. |
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Erfahrungen
mit Ärzten |
(Helga
M. Stuttgart, leidet an einer schweren Neuralgie infolge Gürtelrose) |
Mein
Internist lehnt es ab, mir das Opioid weiter zu verordnen, das mir sowohl der Chefarzt der
Anästhesie im Kreiskrankenhaus als auch ein Neurochirurg verordnete. Es gäbe andere
Methoden zur Schmerzlinderung, von denen er jedoch keine vorschlug. Auch eine Überweisung
zu einer schmerztherapeutischen Einrichtung hat er abgelehnt. Bei einem stationären
Aufenthalt wollten die Ärzte sofort die Opioide absetzen und bezeichneten mich als
süchtig. |
(Karsten
H. leidet an Migräne) |
Im
Dezember war das Budget meiner Schmerztherapeutin erschöpft und sie konnte mir mein
Migränemedikament nicht mehr verordnen. Mir ging es aber in diesem Monat sehr schlecht,
ich fühlte mich meinen Schmerzen hilflos ausgeliefert. Meine Ärztin hat mir dann drei
Tabletten so gegeben, damit ich mich in das neue Jahr hinüberretten konnte. |
(Melanie
A., Berlin, hat Migräne) |
Ich
leide seit 20 Jahren unter Migräne. Jetzt, wo es Medikamente gibt, die mir wirklich
helfen, die Triptane, habe ich große Probleme, diese auf Rezept zu bekommen. Ich muss mir
von den Ärzten immer wieder Bemerkungen anhören wie: ,,dann müssen Sie eben mal am
Wochenende einen Anfall ohne Medikamente aushalten" oder ,,unser Ziel sollte sein,
Migräne ohne Medikamente zu behandeln" - nur wie sagt mir keiner. Was es bedeutet,
eine Migräne ohne Medikamente auszuhalten, kann nur der beurteilen, der auch an Migräne
leidet. |
(Heinz
W., Berlin) |
Mein
Arzt hat mir ein dringend benötigtes starkes Schmerzmittel (Opioid) nur noch auf
Privatrezept verordnet - und dies bei DM 1.420,- Rente! |
(Rolf
E., Dortmund) |
Ich
stelle fest, dass sich viele Ärzte in unserer Region weigern, Schmerzkranken Opioide zu
verordnen und die Patienten nur deshalb immer wieder zum Schmerztherapeuten überweisen. |
(Privatpatient
ohne Namensangabe, Rückenschmerzen) |
Ich
habe eine ,,Patientenkarriere" hinter mir. Erst jetzt habe ich einen Arzt gefunden,
der mir helfen konnte. Bei chronischen Schmerzen sind Ärzte oft überfordert. Selbst wenn
man versucht, zuvor telefonisch herauszufinden, ob der Arzt geeignet ist, wird einem
empfohlen, vorbeizukommen. Dann zahlt man 500,- Mark für eine Behandlung, die bereits
drei Ärzte zuvor - erfolglos - angewendet haben. So etwas treibt die Kosten im
Gesundheitswesen sinnlos in die Höhe. |
(Annette
K., Amberg) |
Ich
bin Rentner und leide seit Jahren unter einer schweren Neuralgie im Gesicht. Trotzdem muss
ich dringend benötigte Opioide selbst bezahlen, da sie mein Arzt nur noch auf
Privatrezept verordnet. |
(Axel
W.., Stuttgart) |
Leider
habe ich die Erfahrung gemacht, dass mit chronisch kranken Schmerzpatienten richtig satt
Geld gemacht wird. So wurde ich beispielsweise von einem Arzt über insgesamt 14 Monate
behandelt. Neben Medikamenten und Spritzen erhielt ich parallel Akupunktur - für DM 700,-
pro Sitzung. Später musste ich erfahren, dass eine Akupunkturbehandlung normal DM 65,-
kostet. Ich denke, es ist sinnvoll, eine solche Behandlung nach spätestens drei Monaten
abzubrechen, wenn sich keine Besserung zeigt. Ich fühle mich ausgenutzt und betrogen. |
(Peter
5., Escheburg) |
Ich
habe das große Glück, dass ich bei guten und engagierten Ärzten in Behandlung bin, die
sich einsetzen. Ich weiß aber auch, dass sie ihr Budget überschritten haben und mit
hoher Wahrscheinlichkeit zur Kasse gebeten werden. Das macht mich traurig und belastet
mich. Oft wage ich kaum noch, um ein Rezept zu bitten. |
(ohne
Namensangabe, Pat. mit Phantomschmerzen) |
Mein
Arzt verordnet mir ein wichtiges Medikament, das mir geholfen hat, nicht mehr. Ohne
Schmerzlinderung bleibt mir nur der Freitod. |
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Allgemeine
Aussagen |
(Hanna
N., Bochum) |
Patienten
mit chronischen Schmerzen bräuchten einen Ombudsmann vor Ort, der Hilfe geben kann. Nach
oft jahrelangen Schmerzen raubt der Kampf mit Ärzten, Krankenkassen und Medizinischen
Diensten den Betroffenen die letzten Kraftreserven, was einer Genesung zuwiderläuft. |
(Dieter
L., Norderstedt) |
Ich
finde es unmöglich, dass mein Arzt im Rahmen meiner Behandlung für notwendige
Verordnungen in Regress genommen wird, weil das Arznei- und Heilmittelbudget Ende des
Jahres aufgebraucht war. Mein Arzt verrichtet seine Arbeit gut, die verordneten
Medikamente benötige ich dringend, um einigermaßen leben zu können. |
(Christa
G., Berlin) |
Man
kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass durch die Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen
die Schmerztherapie kaputt gemacht werden soll. Es ist wohl von der Politik gewollt, dass
sich chronisch Kranke selbst wegrationalisieren. Top |
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